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Für Professor Sepp Hochreiter, Leiter des Instituts für Machine Learning an der Universität Linz, war es ein echtes Aha-Erlebnis: „Immer wieder verhaken sich beim Laserschneiden ausgeschnittene Teile irgendwo in der Maschine. Das ist ärgerlich und zeitraubend, weil die Maschine und damit der gesamte Prozess dann stillstehen und ein Mitarbeiter eingreifen muss. Wir Menschen sehen kein Muster, wann dieser Fall eintritt – aber die KI hat herausgefunden, dass sich bestimmte Geometrien leicht in der Maschine verklemmen. Das heißt, sie kann einen solchen Vorfall ziemlich treffsicher prognostizieren.“ Hochreiters KI-Expertise kommt Trumpf zugute: Der Ditzinger Maschinenbauer hat mit seiner Unterstützung die KI-Lösung Runabiliy Guide für seine Laserschneidmaschinen auf den Markt gebracht, die genau dieses Problem löst.
Inhaltsverzeichnis
Automatisierung der Laserbearbeitung: Robuster mit KI
Beim Laserschweißen gibt es schon den Closed Loop
Lasertechnik nutzt Inline-Überwachung von Schweißnähten mit KI
Kameras und KI entdecken Fehler beim Laserlöten
KI-Modelle liefern ein genaueres Bild vom Laserprozess
In Zukunft nur noch wenige Bediener an der Laseranlage
KI zeigt Zusammenhang zwischen Einstellungen und Qualität beim Laserschneiden
KI „denkt“ an ungewöhnliche Zusammenhänge
Parameter für das Lasern mit KI schneller setzen – mit menschlicher Sensorik
Weitere Informationen
Automatisierung der Laserbearbeitung: Robuster mit KI
„Die Robustheit der Automatisierung in der Laserbearbeitung wird mit KI letztlich gesteigert“, bestätigt Stephan Mayer, CEO von Trumpf Werkzeugmaschinen SE & Co. KG mit Sitz in Ditzingen. „Die KI erkennt beim Runabiliy Guide durch das Einlernen mit Bildern, welche Teilegeometrien schwierig zu automatisieren sind. Die Maschine schlägt dem Mitarbeiter in der Fertigung vor: Dies sind stabile Geometrien, die könnte man in der Nachtschicht ohne Mitarbeiter fertigen lassen. Die komplizierteren Geometrien werden dann tagsüber gefertigt, wenn Mitarbeiter vor Ort sind, um gegebenenfalls einzugreifen. Dies ist gerade auch für Unternehmen interessant, die unter dem Fachkräftemangel leiden.“
„KI ist immer dann hilfreich, wenn die traditionelle Analytik versagt, zum Beispiel wenn es keine klaren Zusammenhänge zwischen Input und Output gibt“, sagt Hagen Zimer, CEO von Trumpf Lasertechnik. „Für den Anwender heißt dies, dass er 100 Prozent Kontrolle über seine Fertigungsprozesse erlangen kann.“ KI sei somit ein Hebel zu höherer Produktivität, der gerade an Hochlohnstandorten wie in Europa wichtig sei.
Beim Laserschweißen gibt es schon den Closed Loop
Doch nicht nur beim Laserschneiden, auch beim Laserschweißen setzt Trumpf auf KI: „Schweißpunkte werden in Millisekunden gesetzt, aber oft nicht präzise“, weiß Zimer. Verschmutzungen oder Kratzer am Bauteil, schlechte Beleuchtungsverhältnisse im Arbeitsraum oder stark spiegelnde Materialien wie Kupfer erschweren die Positionierung des Lasers. „Wir setzen Highspeed-Kameras und KI ein, um den Schweißprozess on the Fly zu überwachen: Daten werden gesammelt, sofort interpretiert, und auf dieser Grundlage werden die Parameter des Schweißprozesses sofort angepasst“, so Zimer. Der Anwender muss die KI vor dem Einsatz allerdings trainieren. Der Maschineneinrichter kennzeichnet dafür in entsprechendem Bildmaterial die relevanten Bauteilbereiche. Programmierkenntnisse sind dafür nicht nötig.
Lasertechnik nutzt Inline-Überwachung von Schweißnähten mit KI
Die Inline-Überwachung von Schweißnähten mit KI hat auch bei anderen Hightech-Laserschweißmaschinen Einzug gehalten. US-Hersteller Coherent beispielsweise hat für das Prozessmonitoring der Schweißnahtqualität das Tool Smartsense+ entwickelt, das optische sowie akustische Sensoren miteinander kombiniert. Die optischen Sensoren liefern Informationen
- über die Absorption des Laserlichts,
- die Eigenschaften des durch den Laserprozess erzeugten Plasmas und
- die Oberflächentemperatur des Werkstücks.
Piezoelektrische Kontaktsensoren und Mikrofone erfassen zusätzlich Hitzerisse in einer Verbindung, während oder sogar nach dem Schweißprozess. Ohne KI lassen sich Ober- und Untergrenzen für Signale der Sensoren festlegen. Werden diese über- beziehungsweise unterschritten, gibt es eine Meldung für den Maschinenbediener im Sinne von IO/NIO. Mit Einsatz von KI kann die Software hingegen Hinweise darauf geben, warum ein Prozess schiefgelaufen ist. Denn die KI analysiert Tests, korreliert diese dann mit guten oder schlechten Schweißergebnissen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass das System vorher angelernt wird.
h3 id=“4″ class=“anchor“>Kameras und KI entdecken Fehler beim Laserlöten
Ebenso wie Trumpf macht sich die Scansonic MI GmbH beim Sensorsystem SC-Eye die Kombination aus Bildverarbeitung und KI zunutze, um kleine Poren, Spritzer und andere Fehler im Schmelzbad zu erkennen – zunächst einmal beim Laserlöten. In Bearbeitungsköpfe wurden dafür optische Sensoren integriert.
Der Berliner Hersteller hat für das System ein neuronales Netzwerk mit gelabelten Bilddaten trainiert, um es für unterschiedliche Fehlerklassen zu sensibilisieren. Mittlerweile ist es Scansonic gelungen, die Detektionsgenauigkeit des neuronalen Netzwerks auf über 98 % zu steigern. „Durch den KI-Einsatz können wir Poren und Splitter von weniger als 0,5 mm Größe sehr zuverlässig detektieren“, erklärte Scansonic-KI-Experte Dr. Michael Ungers im November 2023 auf der AI for Laser Technology Conference am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen. Nun wird das Unternehmen das Verfahren auf das Laserschweißen und auf eine höhere Vielfalt von Materialien übertragen. Die ersten Erfahrungen damit sind laut Ungers vielversprechend.
KI-Modelle liefern ein genaueres Bild vom Laserprozess
Auch die Precitec GmbH & Co. KG trainiert neuronale Netze mit gelabelten Bilddaten und Befunden aus zerstörenden Schweißnahtanalysen. „Mit modernen KI-Modellen lassen sich Informationen extrahieren, mit denen sich unsere Kunden ein noch genaueres Bild von ihren Laserprozessen und den Ursachen etwaiger Qualitätsschwankungen verschaffen können“, sagt Dr. Markus Kogel-Hollacher, Leiter Forschung und Entwicklung. „Bei der Anwendung ist nach und nach die Frage gereift, ob wir am Ende akkurate physikalische Aussagen beispielsweise über Schweißverbindungen treffen können. Also ob wir zum Beispiel aus den optischen Daten Rückschlüsse auf die Zugfestigkeit oder sogar auf den elektrischen Übergangswiderstand einer Schweißverbindung ziehen können. Falls dem so ist, wäre das ein großer Schritt in Richtung robuster und fehlerfreier Prozesse. Genau auf diesem Weg befinden wir uns aktuell.“
Trumpf-Manager Zimer bestätigt: „Die Herausforderung besteht darin, dass die KI viele Daten benötigt – und zwar gute und schlechte Beispiele, sodass neuronale Netze auch wirklich lernen können, daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.“
In Zukunft nur noch wenige Bediener an der Laseranlage
„Der KI, die on the fly, also im laufenden Betrieb, lernt, gehört ganz klar die Zukunft. Denn die Fabrik der Zukunft wird mehr und mehr autonom betrieben – mit nur noch wenigen Maschinenbedienern“, ist auch Dr. Jonathan Spitz überzeugt, CEO des Leonberger Start-ups Gauss Machine Learning GmbH. Im Industrial AI Podcast zeigte er sich überzeugt davon, dass mit Hilfe von KI auch beim Laserschneiden von großen Blechen künftig eine Inline-Prozessüberwachung mit einer Rückkoppelung an den Prozess möglich sein wird. Spitz sagt: „Während des Schneidprozesses verändern sich zum Beispiel die Temperaturen des Metalls. Heute kann eine Maschine die Einstellungen nicht im Prozess verändern, dafür braucht es autonomere Funktionen.“
Precitec-Manager Kogel-Hollacher aber warnt vor zu viel Euphorie: „Ob es jemals eine universelle Lasermaschine gibt, die autonom vom ersten Durchlauf an fehlerfreie Bauteile fertigt, das ist gegenwärtig eher eine Forschungsfrage.“
KI zeigt Zusammenhang zwischen Einstellungen und Qualität beim Laserschneiden
Gauss Machine Learning hat damit begonnen, Laserschneidmaschinen intelligenter zu machen, dann folgten Schweißroboter. Dabei geht es immer darum, die Maschinen optimal einzustellen. „Wir haben bei allen großen Herstellern zumindest eine Laserschneidmaschine mit unserer Software Optimizer optimiert“, verriet Spitz im Podcast. Und weiter: „Die Performance einer Maschine hängt zum Großteil von den richtigen Einstellungen ab. In den meisten Fällen ist es das Ziel des Anwenders, so schnell wie möglich mit einer sehr guten Qualität zu schneiden – um vielleicht sogar nachgelagerte Prozessschritte überspringen zu können. Unsere KI versteht den Zusammenhang zwischen den Maschineneinstellungen und der Qualität des Bauteils.“
Ein erfahrener Maschinenbediener habe für das Einstellen ein paar Faustregeln im Kopf. Zum Beispiel: Bei einem bestimmten Gasdruck und einer bestimmten Schnittgeschwindigkeit bildet sich ein Grat X an der Schnittkante an der Unterseite des Metalls. Dann passt der Maschinenbediener Parameter an und schaut, wie der Zusammenhang zwischen den Parametern und der Gratbildung ist. „Regelbasierte Ansätze, wie man sie heute von Maschinen kennt, funktionieren nach den gleichen Prinzipien“, so Spitz.
KI „denkt“ an ungewöhnliche Zusammenhänge
Sie bilden somit das nach, was im Kopf eines Maschinenbedieners vorgeht. Die KI könne jedoch mehr, nämlich den Zusammenhang zwischen den Maschineneinstellungen und der Performance verstehen, indem sie auch Maschineneinstellungen erkunde, die sie vorher noch nicht auf der Karte hatte – und an die ein Bediener somit nie gedacht hätte. „Das führt mitunter zu sehr guten Ergebnissen“, sagt Spitz. Dafür verwendet die Software von Gauss Machine Learning laut Spitz eine sehr fortgeschrittene Version der Bayes‘schen Optimierung. Im Unterschied zu den üblichen neuronalen Netzen liefert diese Methode für jede Einstellung gleich eine Erwartung, wie sicher oder unsicher das Modell bezüglich der Vorhersage ist.
Bei seinem Ansatz sammelt das Unternehmen allerdings nicht stunden- oder wochenlang so viele Sensor- und Maschinendaten Daten wie möglich, um die KI einzulernen. Spitz erläutert: „An einer Laserschneidmaschine haben wir beispielsweise einen Datensatz erzeugt, der nicht einmal im Kilobyte-Bereich lag, eigentlich waren es nur 120 Zahlen in einem Datensatz.“ Man konzentriere sich auf wenige Parameter – und den Maschinenbediener, der beurteilt, wie gut der Schnitt war.
„Unsere KI macht einen Vorschlag für die Einstellungen für einen Schneidprozess“, sagt Spitz. „Diesen Vorschlag transferiert der Maschinenbediener vom Tablet oder Laptop auf die Maschine und vergibt Sterne für die Schneidqualität: Fünf Sterne für sehr gut, drei Sterne für akzeptabel und so weiter. Das heißt, wir nutzen subjektive Daten als Feedback.“
Parameter für das Lasern mit KI schneller setzen – mit menschlicher Sensorik
Ein ähnliches KI-System, das sozusagen menschliche Sensorik und Machine Learning miteinander verknüpft, hat die Schweizer Bystronic Laser AG für ihre Laserschneidmaschinen entwickelt. Der Parameter Wizard beschleunigt den zeitaufwändigen, manuellen Prozess der Parameterfindung so: Im ersten Schritt werden fünf Proben geschnitten, die der Maschinenbediener mit Sternen bewertet. Der Parameter Wizard analysiert automatisch die Ergebnisse der Bewertungen und erstellt einen neuen, verbesserten Satz von fünf Schnittbedingungen, und der Prozess der Bedienerbewertung wird fortgesetzt. Dieser Vorgang wird maximal fünf Mal wiederholt, wenn kein Unterschied zwischen der Fünf-Sterne-Probe und der Vier-Sterne-Probe besteht. Dr. Christoph Rüttimann, CTO von Bystronic, zeigte sich auf dem International Laser Technology Congress im April 2024 überzeugt, dass KI unerfahrene Nutzer automatisch zu optimalen Prozessparametern führt.
„Die Fabrik der Zukunft wird mehr und mehr autonom betrieben – mit nur noch wenigen Maschinenbedienern“, bestätigt CEO Dr. Spitz. Deshalb bereite Gauss Machine Learning seine Software darauf vor, dass die KI künftig auch nur noch wenig subjektives Feedback vom Bediener erhalten wird. „Feedback wird dann von Sensoren in der Maschine kommen. Unsere KI wird eine Art intelligente Komponente bei der Entscheidungsfindung darüber sein, wie die Maschine laufen soll.“
Medizintechnikhersteller müssen beim Einsatz von KI bei der Laserbearbeitung allerdings eines beachten: „Fertigungsprozesse, die für die Performance des Medizinprodukts kritisch sind und deren Ergebnisse nicht zerstörungsfrei am Produkt überprüft werden können, müssen validiert werden“, mahnt Bernd Block, Branchenmanager Medizintechnik bei Trumpf. „Wenn Parameter, Verfahrbewegungen oder Positionierungen durch eine KI gewählt werden, müssen die für den Prozess notwendigen möglichen Kombinationen auch entsprechend qualifiziert werden.“
KI in der Medizin: Was Medical Device Regulation und der Artificial Intelligence Act fordern
Weitere Informationen
Zum Maschinenbauer Bystronic:
www.bystronic.com
Zum Maschinenbauer Trumpf:
www.trumpf.com
Zum Maschinenbauer Coherent:
www.coherent.com
Zum Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT:
www.ilt.fraunhofer.de