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Neue Richtlinie für Reinheit von Medizinprodukten

Reinheit von Medizinprodukten
VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 hilft beim Thema Reinheit

VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 hilft beim Thema Reinheit
Dr.-Ing. Markus Rochowicz vom Fraunhofer IPA in Stuttgart be‧schäftigt sich mit Fragen der Reinigungstechnik aus verschiedenen Branchen und hat an der neuen VDI-Richtlinie mitgearbeitet (Bild: Fraunhofer IPA)
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Die VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 beschreibt einen risikobasierten Ansatz, um biotische, filmisch/chemische und partikuläre Verunreinigungen auf Medizinprodukten zu bewerten und mit geeigneten Prüftechniken zu bestimmen. Dr. Markus Rochowicz vom Stuttgarter Fraunhofer IPA erläutert, was sie den Herstellern nützt.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Dr. Rochowicz, wie entstand die Idee zur VDI-Richtlinie 2083 Part 21?

Schon vor etwa vier Jahren hatte sich in einem Workshop zur Reinheit von Medizinprodukten die Notwendigkeit gezeigt, das Thema in einem übergeordneten Standard zu regeln. Mehrere engagierte Hersteller von Medizinprodukten haben in der Folge in einer Industriekooperation die neue Richtlinie erarbeitet. Durch das große Spektrum der hier vertretenen Medizinprodukte sowie Unternehmen sehr unterschiedlicher Größe ist es gelungen, die VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 sehr allgemeingültig zu formulieren. Diese befindet sich bis Ende November in der Offenlegungsphase – Anfang 2019 soll der Weißdruck veröffentlicht werden.

Was soll die Richtlinie bewirken?

Generell gilt seit vielen Jahren, dass ein Inverkehrbringer von Medizinprodukten dafür verantwortlich ist, dass von seinen Produkten keine Gefahr für Patienten ausgeht. Das schließt die Reinheit ein – allerdings gab es bisher kein Regelwerk, das beschreibt, wie ein Hersteller hier zu Akzeptanzkriterien kommen kann, die auch für eine Benannte Stelle nachvollziehbar sind. Diese Lücke soll die neue Richtlinie schließen. In einem weiteren Schritt soll transparent gestaltet werden, wie Prüflabore zu einer Prüfstrategie kommen, mit der sich die Reinheit bestimmen lässt.

In welchem Verhältnis steht die Richtlinie zu Pharmakopöe, VDA 19, MDR oder auch der Norm DIN ISO 13485?

In der aktuellen MDR und DIN ISO 13485 sind explizit Partikel als Verunreinigung genannt, die zumindest für bestimmte Produktgruppen mit betrachtet werden müssen. Dazu werden für Partikel-Verunreinigungen häufig Prüfmethoden herangezogen, die in den Pharmakopöen beschrieben sind. Diese sind aber weder von den Prüfgerätschaften noch von der Prüfmethodik auf dem Stand der Technik. Um dieses Problem zu lösen, wurden in der neuen VDI Richtlinie bewährte Ansätze, wie sie in der VDA 19.1 für die Automobilindustrie beschrieben sind, auf die Medizintechnik übertragen. Das heißt, dass Partikel als mögliche kritische Verunreinigung zukünftig wesentlich zuverlässiger geprüft werden können.

Was bedeutet die neue Richtlinie für die Hersteller und ihre Zulieferer?

Wenn der Hersteller auf Grundlage der neuen Richtlinie Akzeptanzkriterien für die Reinheit im Fertigungsprozess ableitet, betrachtet diese unter verschiedenen Aspekten. An erster Stelle ist die Patientensicherheit zu nennen. Weder durch Partikel noch durch chemische Rückstände oder Keime dürfen Menschen zu Schaden kommen. Aber auch technische Gründe können zu Anforderungen an die Reinheit führen. Beispielsweise können Partikel im Bereich einer Endoskoplinse, selbst wenn sie für den Patienten ungefährlich sind, die Funktion des Gerätes beeinträchtigen. Auch Fertigungsprozesse wie Kleben oder Beschichten von Oberflächen, spielen eine Rolle. Wie all das zu berücksichtigen ist, zeigt die neue Richtlinie. Und wenn Hersteller auf Reinheitsaspekte stoßen, die zugekaufte Teile betreffen, haben eventuell auch Zulieferer mit dem Regelwerk zu tun. In der Richtlinie geht es übrigens ausdrücklich nicht um die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten.

Was ändert sich durch die Richtlinie im Umgang mit der Benannten Stelle?

Sowohl die Hersteller als auch die Fachleute bei der Benannten Stelle bekommen eine Hilfestellung an die Hand. Durch die vorgegebene Struktur und die ebenfalls enthaltene Checkliste gibt es eine einheitliche Basis für den Dialog. Das gilt übrigens auch für die Bewertung von Testverfahren, die von Prüflaboren vorgeschlagen werden. Deren Möglichkeiten und Grenzen sind in der Richtlinie ebenfalls ein Thema.

Was unterscheidet die Richtlinie vom Leitfaden aus dem Projekt Cleanmed?

Den Cleanmed-Leitfaden haben die Partner mit Blick auf Chirurgieinstrumente und konkrete Fragen zur Validierung des Reinigungsprozesses zusammengestellt. Die VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 bezieht sich auf Medizinprodukte im Allgemeinen. Es geht vor allem um die Punkte Reinheitsbewertung – genauer: die Ableitung von Akzeptanzkriterien – und Reinheitsbestimmung, also das Festlegen geeigneter Prüftstrategien für alle Arten von Verunreinigungen. Ich gehe daher davon aus, dass es zwischen der neuen Richtlinie und den Empfehlungen aus dem Leitfaden keine Widersprüche gibt.

Passt die neue Richtlinie zu mehr Prozesskontrolle oder gar Reinigung 4.0?

Um die Akzeptanzkriterien zur Reinheit sicher einzuhalten, sind natürlich gut überwachte und geregelte Reinigungsprozesse sehr hilfreich. Die Reinigungstechnik selbst ist aber kein Thema in der Richtlinie.

Was ist der wichtigste Aspekt für die Reinheit von Medizinprodukten?

Für Medizinprodukte stehen keine Probleme in der Reinigungstechnik im Vordergrund, sondern die fehlende Messlatte für die Bewertung eventuell vorhandener Rückstände, die im Übrigen nicht zwangsläufig kritisch sein müssen. Im Rahmen des Ansatzes, den die Richtlinie beschreibt, werden zunächst die möglichen Verunreinigungen durch Materialien, Halbzeuge, Fertigungsprozesse und die Umgebung gesammelt. Dann werden sie danach bewertet, wie man diese Verunreinigungen – etwa durch Reinigung – beherrschen kann und ob die Verunreinigungen kritisch sind, also unter einen bestimmten Wert, nämlich das Akzeptanzkriterium, abgereichert werden müssen.

Welche Perspektiven gibt es für die Reinheit von Medizinprodukten?

Derzeit arbeiten wir am Fraunhofer IPA an einem Kompendium, das die Medizinprodukte-Normen zusammenfasst, in denen konkrete Sauberkeitsvorgaben niedergeschrieben sind. Ein Hersteller, der gemäß ISO 13485 und der MDR die Reinheit betrachtet, kann sich daran orientieren. Wenn es also beispielsweise keine Vorgaben für seine speziellen Produkte gibt, die mit Blut in Kontakt kommen, kann er die Kriterien für die Reinheit von Infusionsgeräten heranziehen. Bei solchen Überlegungen soll das geplante Kompendium helfen, schneller die relevanten Normen zu finden.


Weitere Informationen

Die neue VDI-Richtlinie 2083 Part 21 ist im Bereich Reinraumtechnik angesiedelt. Sie liegt derzeit als Gründruck vor und befindet sich bis November in der Offenlegungsphase. Der Entwurf ist online über den Beuth-Verlag verfügbar.

http://hier.pro/KQI5v

Nächste Veranstaltung zur Richtlinie im September 2019

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