Bakterien auf Implantaten führen häufig zu Komplikationen – mit zum Teil schwerwiegenden Risiken für den Patienten. NTTF Coatings hat eine diamantähnliche Kohlenstoffbeschichtung entwickelt, mit der sich die Biofilmbildung reduzieren lässt.
Bakterienbiofilme bestehen aus einer Ansammlung verschiedener Mikroorganismen. Sie sind in einer Matrix aus Stoffwechselprodukten und verschiedenen, vom biologischen Umfeld abhängigen, weiteren Bestandteilen eingebettet. Dieser mehrschichtige Aufbau sorgt für den Schutz der im Biofilm liegenden Bakterien vor Angriffen durch Zellgifte. Die Bekämpfung der meist stark haftenden Bakterienbiofilme mit Antibiotika wird so extrem erschwert. Einmal gebildet, schränken diese Filme dann nicht nur die Funktion des Implantats ein, sondern stellen auch einen Herd immer wiederkehrender Infekte dar. Großes Augenmerk wird daher auf die Entwicklung bakterienabweisender Implantatoberflächen gerichtet.
Katheter und Harnleiterschienen zählen zu den meist verwendeten urologischen Implantaten. Die Harnleiterschienen, so genannte Stents, werden zur Sicherstellung des ungehinderten Harnabflusses zwischen Niere und Blase in den Harnleiter gelegt. Neben den allgemeinen Unverträglichkeiten wie mechanischer Reizung oder allergischer Reaktionen treten trotz aller Routine häufig Komplikationen auf, deren Ursache sich schnell an der Implantatoberfläche festsetzende Bakterien sind. Innerhalb weniger Stunden bildet sich so ein organischer Biofilm, der durch Einlagerung anorganischer Salze zum kristallinen Bakterienbiofilm (Inkrustation) werden kann. Unmittelbare Folge sind zum Teil schwerwiegende Begleiterkrankungen wie beispielsweise Entzündungen des Harntrakts und Funktionsminderung der Nieren. Im schlimmsten Fall verhindert der Bakterienbiofilm die Wirkung verabreichter Antibiotika, woraus sich schwer zu behandelnde multiresistente Harnwegsinfektionen ergeben, die, bei Harnrückstau durch Implantatversagen, bis hin zu einer lebensbedrohenden Urosepsis eskalieren können. Zur Vorbeugung müssen die Stents bei ersten Anzeichen von Komplikationen gewechselt werden, was im Extremfall zu Liegezeiten von nur wenigen Tagen führen kann. Für Langzeitanwendungen wird eine Liegedauer von mindestens sechs Monaten als wünschenswert angesehen. Faktisch sind die mittleren Liegezeiten bei geplanter Langzeitanwendung jedoch deutlich kürzer.
Mit materialwissenschaftlichen Ansätzen wird versucht, die Ausbildung solcher Beläge zu hemmen und auch die allgemeine Implantatverträglichkeit zu erhöhen. So finden derzeit verschiedene auf Körperverträglichkeit eingehend geprüfte Biomaterialien, wie beispielsweise PU, Silikon und Tecoflex Verwendung. Doch auch die zusätzlichen Oberflächenmodifikationen wie Silber, Heparin und Phosphorylcholin führten bisher nicht zu den erhofften Resultaten.
Die Klasse der diamantähnlichen amorphen Kohlenstoffschichten, auch als „Diamond- like Carbon“ bezeichnet, umfasst eine Vielzahl von Kohlenstoffverbindungen, die in Plasmadepositionsverfahren abgeschieden werden. Ausschlaggebend für den diamantähnlichen Charakter der amorphen Kohlenstoffschichten ist der Anteil an sp3-Bindungen im metastabilen amorphen Netzwerk aus sp2- und sp3-gebundenen Kohlenstoff-atomen (Diamant = 100 % sp3, Graphit = 100 % sp2).
Zahlreiche Untersuchungen mit verschiedenen Zelltypen wie Fibroblasten, Keratinozyten, Osteoblasten und Körperflüssigkeiten, insbesondere Blut, haben die Biokompatibilität amorphen Kohlenstoffs nachgewiesen. Daher ist die Anwendung dieser Schichten auch auf urologischen Implantaten naheliegend.
DLC auf Katheter soll Biofilme verhindern
Die vorgestellten Schichtsysteme werden auf Harnleiterschienen aus unbehandeltem Polyurethan in einem speziell für die Beschichtung temperaturempfindlicher Implantate entwickelten Plasma-Depositionsverfahren aus Acetylengas abgeschieden. Bei der Kondensation an der Oberfläche bilden sich konforme wasserstoffhaltige amorphe Kohlenstoffschichten (a-C:H), die sowohl sp2- als auch sp3-Bindungsanteile besitzen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Elastizität und geringe Haft- und Gleitreibung aus.
Abhängig von ihren Herstellungsbedingungen können die nur 30 bis 200 nm dicken Schichten in Dichte und Aufbau variiert werden. Durch Einbau von Fremdatomen können sie darüber hinaus gezielt in ihren physikalischen und chemischen Oberflächeneigenschaften modifiziert werden. Auch eine Ausstattung mit so genannten Ankermolekülen, an denen Wirk- beziehungsweise Funktionsmoleküle kovalent gebunden werden können, ist möglich. Damit stehen vielfältige Möglichkeiten offen, die Substratoberflächen durch eine geeignete Beschichtung so zu modifizieren, dass die Gefahr der Ausbildung von kristallinen Bakterienbiofilmen deutlich zurückgeht.
Weniger Biofilm auf Harnleitschienen
Mit der speziell auf die Bedürfnisse im Harntrakt hin entwickelten Cardient-FMC-Schicht (Flexible Medical Carbon) werden beachtliche klinische Erfolge erzielt. Bisher wurden insgesamt 10 000 FMC-beschichtete Harnleiterschienen insbesondere bei bereits „austherapierten“ oder hochgradig empfindlichen Patienten eingesetzt. Auch in diesen komplizierten Fällen wurde eine Reduktion der kristallinen Bakterienbiofilmbildung und eine Verlängerung der komplikationsfreien Liegezeiten um im Mittel den Faktor 2 beobachtet. Beides erhöht die Lebensqualität des Patienten deutlich.
Am Beispiel in-vivo versprödeter, weil „vergessener“ Harnleiterschienen wird deutlich, dass die hinzugefügten Weichmacher aus dem Polymer diffundieren. Die freigesetzten Chemikalien können das Urothel schon nach kurzer Liegezeit reizen und hartnäckige Entzündungen hervorrufen. Da FMC auch als dauerhafte Diffusionsbarriere für Weichmacher wirkt, eignen sich FMC-beschichtete Implantate besonders für empfindliche oder bereits entzündungsgeplagte Patienten.
Auch auf Leber-Stents entstanden weniger Biofilme
FMC ist damit ein vielversprechender Lösungsansatz, um Inkrustationen auf urologischen Implantaten zu vermeiden. Auch in anderen Gebieten der Medizin kann die Entwicklung individuell an die Anforderungen angepasster FMC-Schichten die Biofilmbildung auf Implantaten mit unterdrücken und den Patienten zu mehr Lebensqualität verhelfen. Gute Erfahrungen mit FMC wurden bereits mit Leber-Stents gemacht. Auch hier hemmt die Schicht in-vivo die Bildung kristalliner Ablagerungen und erhöht damit die komplikationsfreie Implantatliegezeit. Aktuell werden Untersuchungen zur Eignung von FMC für den Einsatz auf gastroenterologischen Stents sowie Sonden für die enterale Ernährung durchgeführt.
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Norbert Laube
NTTF Coatings, Rheinbreitbach
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