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Plasmasterilisation: Für Kunststoffprodukte interessant

Sterilisation
Plasmasterilisation ist für Produkte aus Kunststoff interessant

Plasmasterilisation ist für Produkte aus Kunststoff interessant
Ein künstliches Kniegelenk, umströmt von Elektronen und Ionen eines Plasmas – deren Aktivität dazu führen soll, dass das Produkt die Anlage in sterilem Zustand wieder verlässt Bild: Dr. Marcel Fiebrandt, RUB
Nein, der Einsatz von Plasma für die Sterilisation ist kein Allheilmittel und wird in der Mehrzahl der Fälle Autoklav und Co. ihren Platz nicht streitig machen. Für empfindliche Produkte aber ist die Plasmasterilisation eine gute Alternative.

Tim Schröder
Wissenschaftsjournalist in Oldenburg

Keimfreie medizinische Geräte sind lebenswichtig. Neben der Behandlung der Produkte im Autoklaven oder mit keimtötenden Substanzen macht seit gut zehn Jahren das Verfahren der so genannten Plasmasterilisation von sich reden.

Elektronen, Ionen und Radikale, wie sie im Plasma vorliegen, sind chemisch außerordentlich aktiv und reagieren mit allen möglichen Substanzen in ihrer Umgebung. Dass Plasmen sehr gut Keime töten, liegt daran, dass sie gleich mehrfach wirken. Die geladenen Teilchen sowie die Radikale reagieren mit der Oberfläche beziehungsweise der Membran der Bakterien und schädigen oder perforieren diese. Zudem können die Plasmen UV-Strahlung freisetzen, die das Erbgut der Mikroorganismen schädigen kann. Selbst Erreger, die gegen Antibiotika resistent sind, werden durch diese Behandlung getötet.

Kalte Plasmen verwenden – kein Problem für Kunststoffe

Da die verwendeten Plasmen kalt sind, können sie für die Sterilisation temperaturempfindlicher Materialien wie Kunststoffteile eingesetzt werden. Die Crailsheimer Groninger & Co. GmbH etwa nutzt seit einiger Zeit Plasma, um Tubs – Umverpackungen für Spritzenhüllen – vor dem Befüllen zu sterilisieren. Die Anlagen basieren auf Ideen, die in Bochum in der Grundlagenforschung entstanden sind. Dabei ging es zunächst darum, zu verstehen, wie Plasmasterilisation funktioniert und wie das Plasma idealerweise zu sein hat, um besonders wirksam zu sein, erläutert Dr.-Ing. Marcel Fiebrandt vom Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik (AEPT) der Ruhr-Universität Bochum. „Die Anlage von Groninger beruht auf einem Aufbau, der bei uns noch in der Forschung genutzt wird.“ Seine Kollegen haben die Entwicklung und Validierung der Anlage begleitet. „Wir hatten auch einen Prototypen der Anlage an der Uni stehen, um das Plasma zu vermessen und zu überprüfen, bevor es in den Validierungsprozess ging.“

Doch obwohl die Technik so vielversprechend ist, sind bislang kaum weitere Produkte zur Plasmasterilisation auf dem Markt. Das liegt laut Fiebrandt vor allem daran, dass es es keine klaren Normen gibt, nach denen die Wirksamkeit von Plasmasterilisationsanlagen getestet werden könnte. „Bei einem Autoklaven ist das relativ einfach“, sagt Fiebrandt. „Da kann man eine bestimmte Temperatur einstellen und dann die Zeit messen, bis die Erreger abgetötet sind. Das Plasma wirkt aber anders. Es muss direkt mit den Oberflächen in Berührung kommen, um Bakterien abzutöten.“

Liegen Gegenstände aufeinander, etwa Operationsbesteck in der Schublade eines Sterilisationsgerätes, dann sind bestimmte Teile verdeckt und für das Plasma nur schlecht erreichbar. Zwar kann es in Ritzen eindringen, doch dauert es länger, bis die Keime dort abgetötet sind. Die UV-Strahlung im Plasma wiederum wirkt zunächst vor allem auf jene Mikroorganismen, die direkt getroffen werden. Liegen Bakterien übereinander, sind die unteren ein wenig geschützt. Entsprechend länger muss eine Plasma-Anlage laufen, um auch die verdeckten zu schädigen.

Normung ist bei Plasma keine einfache Angelegenheit

„Es kommt also sehr auf die spezifische Anwendung an. Und das macht die Normung nach ISO-Standard so schwierig.“ Marcel Fiebrandt arbeitet vor allem mit Niederdruckplasmen, also Plasmen, die bei Drücken betrieben werden, die deutlich unter dem normalen Atmosphärendruck liegen. Zusammen mit seinen Kollegen hat er Sterilisationskammern entwickelt, die sehr gut funktionieren. „Wir haben in den letzten zehn Jahren regelmäßig Kontakt mit der Industrie, die sehr interessiert an dem Thema war und ist“, sagt der Wissenschaftler. Das Problem seien aber die hohen Kosten für die Validierung und die damit verbundenen Risiken, gerade für mittelständische Unternehmen. „Davor scheut man zurück. Denn ein Plasmasterilisator wird nie einen Autoklaven ersetzen, sondern nur in bestimmten Anwendungen das ideale Tool sein.“ Bei Kunststoffen könne Plasma seine Stärke zeigen, sagt Fiebrandt. „Denn hier scheiden alle Methoden aus, bei denen Hitze im Spiel ist.“

Heute gebe es in der medizinischen Versorgung viele Einwegartikel aus Kunststoff, die weggeworfen werden,
weil sie sich nicht heiß sterilisieren ließen. „Mit einer kleinen Plasmaanlage, die man auf den Tisch stellen kann, wäre eine Sterilisation möglich, das Wegwerfen ließe sich vermeiden.“ Auch für die Sterilisation von Prothesen, die oft aus einem Materialmix und nicht nur aus Metall bestehen, wäre ein Plasma sehr gut geeignet.

Da die aktuellen DIN-Normen auf die bekannten Sterilisationprozesse zugeschnitten wurden, sind sie mit Plasmen nur sehr schwer einzuhalten – was der Begeisterung von Unternehmen für diese neue Technik Grenzen setzt. Marcel Fiebrandt sieht es nüchtern: „Für spezifische Anwendungen ist Plasmasterilisation tatsächlich ideal, aber eben nicht für alles.“

Sylvia Binder, Projektmanagerin für Innovative Produkte bei der Terraplasma GmbH in München, sieht die Vorzüge der Plasmasterilisation ähnlich. „Endoskope zum Beispiel bestehen zum Teil aus empfindlichen Komponenten wie optischen und mechanischen Bauteilen. Hier fördern der Autoklav oder die Behandlung mit Heißdampf den Verschleiß beziehungsweise die Alterung der Teile.“ Zudem müssen Endoskope und Schläuche aufwendig gereinigt werden.

Plasmasterilisation – keine Chemikalien, keine Abfälle

„Das Plasma hingegen dringt in jede Vertiefung und jeden Hohlraum ein und lässt sich, da es kalt ist, problemlos einsetzen.“ Die Münchener erzeugen das Plasma in ihren Anlagen durch ein elektrisches Feld bei Umgebungsdruck. Binder: „Im Grunde brauchen wir nur Luft und Strom, um das Plasma zu erzeugen. Wir benötigen keine Chemikalien und müssen daher auch keine Abfälle entsorgen.“

Terraplasma ist 2011 aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching ausgegründet worden. Zusammen mit interessierten Unternehmen entwickeln die Wissenschaftler und Ingenieure dort Plasmaanwendungen. In einem Projekt mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien der Bundeswehr etwa wurde eine Plasmakammer mit einem Volumen von rund 100 l entwickelt, in der sich auch große Gegenstände sterilisieren lassen.

„Mit dieser weltgrößten Kammer konnten wir zeigen, dass sich unsere Technologie hochskalieren lässt“, sagt Sylvia Binder. Doch noch müssen alle dieselbe Hürde überwinden: die fehlenden Normen, die einen verlässlichen Rahmen für den Einsatz der Plasmatechnik liefern könnten. Immerhin, sagt Sylvia Binder, liege derzeit beim DIN-Normungsgremium ein erster Entwurf für das Testen von Plasmageräten vor. Diese DIN-Spezifikation 91315 sei ein erster wichtiger Schritt für den künftigen Einsatz der Technik.

Generell sei die Sterilisationsbranche „sehr konservativ“, meint Fiebrandt – verständlicherweise, denn wenn ein System mal nicht funktioniere, könne es schnell um Menschenleben gehen. Um das Thema Plasmasterilisation voranzubringen, brauche es ein finanzstarkes Unternehmen, das bereit sei, ein finanzielles Risiko einzugehen und einen längeren Atem sowie die richtigen Kontakte habe, um auch bei der Normung besser voranzukommen.

„Von der wissenschaftlichen Seite ist mehr als ausreichend gezeigt, wie und warum Plasma funktioniert“, sagt er. Sollte der Markt für Kunststoffe in der Medizin weiter so wachsen wie bisher, könnte es für Unternehmen interessant sein, spezielle Plasmasterilisatoren zu bauen. „Ein Allheilmittel wird die Plasmasterilisation ganz sicher nicht werden“, resümiert Marcel Fiebrandt. „Aber es wird viele Nischen geben, wo sie ihre Stärken ausspielt.“

www.groninger.de
www.terraplasma.com/anwendungsbereiche


Über Plasma

Bei einem Plasma handelt es sich um ein Gas, das aus freien Ladungsträgern besteht, also aus Elektronen und Ionen. Es entsteht zum Beispiel, wenn Luft oder Gase starken elektrischen Feldern ausgesetzt werden. In der Natur treten Plasmen zum Beispiel bei Blitzen auf.

Je nach Verfahren können Plasmen technisch bei verschiedenen Drücken und Temperaturen erzeugt werden, unter anderem bei Atmosphärendruck. Letztlich werden die Luftbestandteile dabei stark angeregt und ionisiert.

Ein solches Plasma ist heiß. Für technische Anwendungen hingegen werden kalte Plasmen mit Temperaturen bis etwa 40 Grad Celsius eingesetzt, zum Beispiel in der Oberflächentechnik zur Hydrophilisierung.

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