Herr Reininghaus, was ist besonders am Ultrakurzpulslaser?
Der Ultrakurzpulslaser ist ein Präzisionswerkzeug für feinste Strukturen im Mikrometerbereich. Das Besondere an der gepulsten Laserstrahlung ist die hohe Intensität. Das heißt, die optische Energie wird in einem sehr kurzen Zeitintervall im jeweiligen Werkstück deponiert. Deshalb spricht man bei der UKP-Lasermaterialbearbeitung auch von einer „kalten“ Ablation. Durch den geringen thermischen Einfluss kann man nahezu materialunabhängig arbeiten – egal ob mit Glas, Metall, Holz oder Kunststoffen.
Was heißt das genau?
Jeder Werkstoff reagiert anders auf einen Energieeintrag – bei der ultrakurz gepulsten Laserstrahlung mit Pulsdauern unter 10 Pikosekunden bis in den Femtosekundenbereich sind wir in einem Bereich, in dem aber noch kein Material thermisch auf die deponierte Energie reagiert. Bei der ultrakurz gepulsten Laserstrahlung wird die optische Energie direkt in eine Art Gas-Phase überführt und das Material verdampft sofort, ohne dass es den Weg über die schmelzflüssige Phase gehen muss. Dieser Vorgang nennt sich Sublimation. Er ist ausschlaggebend für die hohe Präzision der UKP-Lasermaterialbearbeitung.
Wo wird der UKP-Laser für die Materialbearbeitung eingesetzt?
Der UKP-Laser kommt in der Industrie überall dort zum Einsatz, wo hochpräzise feinste Strukturen im Mikrometerbereich gefragt sind. Die besonders schonende Art der Lasermaterialbearbeitung lässt sich für Prozesse wie dem Strukturieren, Abtragen, Bohren, Schneiden oder dem selektiven Dünnschichtabtragen nutzen. Anwendungen finden sich in verschiedenen Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Automobil- oder Halbleiterindustrie, Feinmechanik, Energietechnik, Elektronik und natürlich der Medizintechnik. Grundsätzlich kann man mit dem Ultrakurzpulslaser unglaublich viele Märkte erschließen, aber der Knackpunkt ist die Produktivität. Wir hören ganz selten von den Anwendern: Geht es auch präziser? Die Frage, die sich eher stellt, ist, wie kann ich produktiver werden? Dieses Thema treibt die Technologie an.
Und wie lässt sich die Produktivität des UKP-Lasers steigern?
Dafür gibt es zwei Ansätze: Zum einen kann ich die Pulsenergie erhöhen, das heißt jeder Puls bekommt mehr Energie. Wenn ich dann diese Pulsenergie in mehrere Teilstrahlen aufteile, also in mehrere Teilstrahlen oder Multistrahlen, dann hat jeder Teilstrahl noch ausreichend Energie, um den Bearbeitungsprozess effizient auszuführen. So kann die gesteigerte Energie effizient über das Bauteil verteilt werden.
Der zweite Ansatz ist über die Repetitionsrate. Wenn die Pulsanzahl pro Sekunde erhöht wird, spricht man von hochrepetierenden Lasern. Die Schwierigkeit besteht darin, die gepulste Laserstrahlung schnell genug zu bewegen und die aufeinanderfolgenden Pulse räumlich zu trennen. Dies erfordert schnelle Ablenksysteme und kann die Akkumulation von Wärme im Werkstück verhindern.
Wie lässt sich beim Multistrahlkonzept ein Laserstrahl in viele Teilstrahlen aufteilen?
Mit einem diffraktiven optischen Element (DOE) kann ein Laserstrahl zu einer Strahlmatrix mit vielen parallelen Teilstrahlen umgeformt werden. Die parallelen Teilstrahlen werden anschließend mittels Scannersystem und einer speziellen Optik auf ein Werkstück fokussiert und können in beliebigen Bahnen simultan über das Werkstück bewegt werden. Inzwischen können wir so mehr als 200 Teilstrahlen gezielt in der Mikro- und Nanostrukturierung einsetzen. Sie erreichen dabei eine Präzision im sub-Mikrometerbereich.
Wie funktioniert das diffraktive optische Element?
Das DOE ist eine strukturierte Glasoberfläche, an der Lichtwellen gebeugt werden. Die Oberflächenstruktur wird durch ein nasschemisches Ätzverfahren äußerst präzise in das Glas eingebracht. Dadurch ist die statische Strahlverteilung beim DOE wesentlich genauer und widerstandsfähiger als das dynamische Strahlformungskonzept auf Basis von Flüssigkristallmodulatoren.
Wo setzen Sie das Multistrahlverfahren ein?
Das Verfahren bewährt sich zum Beispiel beim Bohren von Präzisionsfiltern aus 10 bis 50 Mikrometer dicken Metallfolien. Konventionelle Verfahren wie das Ätzen erfordern hier Vor- und Nacharbeiten, die beim Laserbohren entfallen. Das Multistrahlverfahren funktioniert für periodische Strukturen und setzt ebene Oberflächen voraus. Dann können wir Bohrungen mit Durchmessern bis zu einem Mikrometer erzeugen. Der Abstand der Bohrungen lässt sich auf wenige Mikrometer reduzieren. Um den Durchsatz zu erhöhen, arbeiten wir mit einem DOE, das mehr als 200 Teilstrahlen erzeugt. Damit konnten wir bereits über 12 000 Bohrungen pro Sekunde mit einem Ausgangsdurchmesser von 1 bis 10 Mikrometer herstellen.
2018 wurde das Fraunhofer Cluster of Excellence Advanced Photon Sources CAPS gestartet, an dem das Fraunhofer ILT auch beteiligt ist. Woran arbeiten Sie?
Im Fraunhofer Cluster CAPS arbeiten unter der Leitung des Fraunhofer IOF in Jena und des Fraunhofer ILT in Aachen Experten aus elf weiteren Fraunhofer-Instituten unterschiedlicher Disziplinen seit mehr als drei Jahren zusammen. Aktuell startet gerade die zweite Phase. Gemeinsam entwickeln wir im Cluster beispielsweise Strahlquellen mit mehr Leistung. Aktuell stehen bei uns Strahlquellen mit 800 Watt, im Labor gezeigt wurden aber auch schon Strahlquellen mit 10 Kilowatt. In unserem Applikation-Labor können Kunden diese Strahlquellen für ihre Anwendungen testen. Ziel ist auch hier die Multistrahlbearbeitung zur Produktivitätssteigerung für unterschiedliche Fertigungsprozesse zur Verfügung zu stellen oder die Bearbeitung größerer Flächen oder mehrerer Bauteile gleichzeitig zu ermöglichen.
Welche Angebote bietet das Fraunhofer ILT darüber hinaus rund um die UKP-Technologie für Unternehmen?
Wir sind für die Unternehmen ein unabhängiger, anwendungsorientierter Entwicklungspartner, der neue Prozesse, Verfahren und Systemtechnik kundenspezifisch entwickelt. Dabei bilden wir das gesamte Leistungsspektrum des Entwicklungsaktivitäten ab. Unsere Unterstützung reicht von einer unabhängigen Beratung über Machbarkeitsstudien oder Kleinserien für die Lasermaterialbearbeitung, der Simulation von Prozessen oder der Entwicklung eines Maschinenkonzeptes bis hin zum Prototypenbau von Maschinenlösungen.
Kontakt zum Forschungsinstitut:
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
Steinbachstr. 15
52074 Aachen
www.ilt.fraunhofer.de