Bei Titanimplantaten gelten texturierte Oberflächen in allen Bereichen, die in den Knochen einheilen müssen, heute als Goldstandard. Sie sind an Implantaten für Hüftgelenke, Halswirbel- oder den Dentalbereich ebenso zu finden wie bei Knochenplatten. Forschungsprojekte zeigten den Zusammenhang zwischen Oberflächenrauheit und der Geschwindigkeit, mit der die Metallteile in den Knochen einheilen, sowie der Gefäßneubildung. Wie rau eine Oberfläche im Einzelfall und unter den jeweiligen Einsatzbedingungen sein sollte, wird allerdings noch einige Jahre lang ein Schwerpunktgebiet der Forschung bleiben.
Um raue Oberflächen zu erzeugen, wurde bisher vor allem das Sandstrahlen verwendet, das bei Bedarf mit dem Ätzen kombiniert wird. Das Sandstrahlen ist ein mechanisches Verfahren, bei dem harte Partikel (Sand, Salz, Keramik) mit hoher Geschwindigkeit gegen die zu behandelnde Oberfläche geschleudert werden. Partikelgröße, Geschwindigkeit und Aufprallwinkel haben dabei Einfluss auf die endgültige Rauheit der Oberfläche. Bei der Herstellung medizinischer Geräte ist der Prozess meist halbautomatisiert: Prozessdauer und Strahlwinkel werden über ein Robotersystem gesteuert.
Beim Ätzverfahren erodiert eine starke Säure – häufig Salz-, Salpeter- oder Schwefelsäure – die Oberfläche nach dem Sandstrahlen. Daraus ergeben sich Mikrostrukturen mit Durchmessern von 1 µm oder mehr. Ein Neutralisationsschritt, bei dem die Säure durch Zugabe einer Base reduziert wird, oder mehrere Waschzyklen mit entionisiertem Wasser schließen den Prozess ab. Das Ätzen ist ein zeit- und temperaturkritisches Verfahren und erfordert eine geeignete Infrastruktur, um mit den gefährlichen Chemikalien und Hilfsstoffen sicher umzugehen.
Sandstrahlen und Ätzen führen zu ungeordneten Oberflächen
Sowohl das Sandstrahlen als auch das Ätzen führen zu einer ungeordneten Verteilung des Oberflächenmaterials. Chemische Veränderungen der äußeren Titanschicht können ebenfalls auftreten. Die Wahl des Strahlmittels und der Prozessparameter (Dauer, Winkel, Größe, Strahlgeschwindigkeit) müssen ausgehend vom gewünschten Endergebnis erarbeitet werden. Sehr häufig handelt es sich bei dem Strahlmittel um ein Einweg-Verbrauchsmaterial, das fachgerecht entsorgt werden muss.
Flächen am Produkt, die glatt bleiben sollen, müssen vor dem Sandstrahlen oder Ätzen maskiert werden. Beim abschließenden Reinigen ist es häufig schwierig oder gar unmöglich, Rückstände des Sandstrahlens vollständig zu entfernen. Das gründliche Waschen kann ein mehrstufiger Prozess sein, der zusätzliche Zeit kostet und spezielle Ausrüstung erforderlich macht.
Laserstrukturieren als alternatives Verfahren
Für Hersteller medizinischer Geräte bietet sich mit dem Laserstrukturieren jedoch ein alternatives Verfahren an, mit dem sich texturierte funktionale Flächen nicht nur einfacher herstellen lassen, sonder das sogar mehr Design-Flexibilität bei den Oberflächeneigenschaften ermöglicht. Laserlichtimpulse werden – häufig in einer Stickstoff- oder Argon-Schutzgasatmosphäre – auf die Oberfläche des Werkstoffs gerichtet. Der Laser bringt in kurzen Pulsen Energie ins Metall ein, was zu einem lokalen Verdampfen des Materials führt. Die Impulsdauer, gemessen in Nano-, Pico- oder Femtosekunden, ist sehr kurz, und sowohl Wirkstelle als auch Wirkungsmuster werden exakt gesteuert.
Da die Bahn und Intensität des Lasers in der Steuerung hinterlegt ist, ist das Endergebnis reproduzierbar und nicht vom Urteilsvermögen des Bedieners abhängig. Das Metall wird nur in geringem Maße oder gar nicht chemisch verändert, und es werden keine Partikel freigesetzt. Verbrauchsmaterial wie Strahlmittel oder Säuren, Basen und Waschmittel sind nicht erforderlich, und auch die sekundäre Behandlung entfällt. Wo die Oberfläche strukturiert sein soll, lässt sich ohne das Abdecken von Teilen festlegen – und auch eine 100%ige Endprüfung der Produkte ist nicht erforderlich.
Eine Oberfläche kann auf diese Weise auch mit einem präzisen, wiederholbaren Muster strukturiert werden. Produktdesigner und Hersteller profitieren von diesen Möglichkeiten und können anspruchsvollere Rauheitsvorgaben erfüllen.
Verschiedene Strukturen
am selben Teil sind möglich
Mehrere verschiedene Strukturen können an ein und demselben Teil oder Produkt angebracht werden – auch Elemente wie 2D-Strichcodes oder eindeutige Kennzeichnungen (UDI) lassen sich mühelos integrieren. Hersteller, die eine Fälschung ihrer Produkte verhindern möchten, können proprietäre Texturen verwenden, ebenso Logos oder verborgene Muster hinzufügen, die auch noch Jahre später die Herkunft des Produkts eindeutig kenntlich machen. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen ebenfalls, dass sich mit exakt gesteuerten, laser-erzeugten Nanostrukturen funktionale Oberflächen mit antibakteriellen Eigenschaften herstellen lassen.
Die Parameter für die Laserstrukturierung, wie Impulsdauer, Leistung und Texturierungsmuster, richten sich nach den Wünschen der Hersteller. Laser mit einer Impulsdauer im Nanosekundenbereich ionisieren das Metall und erwärmen die behandelte Oberfläche lokal. Das Ergebnis ist eine Oberfläche, die – im Vergleich zum Einsatz von Femtosekundenlasern – höhere Sdr-, Vvc- und Vvv-Werte aufweist. Impulse im Femtosekundenbereich sind viel kürzer, sodass eine Wärmeeinflusszone meist gar nicht erst entsteht, was zu einer Oberfläche mit geringeren Abweichungen führt. Beide Technologien haben ihre Vorzüge: welches Verfahren ein Hersteller wählt, richtet sich nach dem gewünschten Endergebnis für die jeweilige Oberfläche.
Die meisten texturierten Flächen sind nicht flach, sondern besitzen komplexe, gekrümmte Geometrien. Wie gut eine Lösung zur Laserstrukturierung ist, hängt daher auch davon ab, ob das System gekrümmte Oberflächen richtig kompensiert. Die Lösungen von GF Machining Solutions ermöglichen dank moderner Software, auch komplexe Oberflächen mit der gewünschten Struktur zu versehen.
Was für strukturierte Oberflächen spricht
In den 1980er Jahren feierte Titan seinen Durchbruch als bevorzugter Werkstoff für implantierbare Medizinprodukte, die im Umfeld von Knochengewebe Halt finden sollten. Die Eigenschaften von Titan bei der Osseointegration wurden in vielen Studien untersucht. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass texturierte funktionale Flächen bei der Osseointegration eine positive Wirkung hatten: Das Einheilverhalten texturierter Oberflächen im Knochen und folglich die Implantatstabilität fiel im Vergleich zu glatten, klassisch bearbeiteten Oberflächen besser aus. Darüber hinaus fördert die strukturierte Oberfläche das Wachstum von Stützgewebe und kann sogar eine antibakterielle Wirkung haben.