Zu den größten Risikofaktoren bei der medizinischen Versorgung zählen postoperative und nosokomiale Infektionen. Jährlich erkranken daran rund 4,1 Menschen in Europa und verursachen geschätzte 5,48 Mrd. Euro Kosten im Gesundheitswesen. Einen Lösungsweg zur Minimierung der Infektionsgefahr können sichere, flexible und schnelle Hygienesicherungsprozesse darstellen. Insbesondere thermolabile Mikrosysteme lassen sich derzeit mit bestehenden Verfahren allerdings nur sehr kosten- und zeitaufwendig sterilisieren.
Zudem kommen durch immer innovativere Verfahren bei der additiven Fertigung inzwischen individualisierte patientenspezifische Medizinprodukte, wie beispielsweise Hüft- und Knieprothesen, zum Einsatz. In diesen Implantaten wird zukünftig eine intelligente Sensorik für Informationen sorgen, die weitere Operationen vermeiden können. Die Vorteile für den Patienten liegen auf der Hand: Das Produkt ist auf ihn maßgeschneidert und wird vom Körper meist gut vertragen. Eine Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass diese Produkte steril sein müssen.
Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dreden haben nun ein Sterilisationsverfahren für 3D-Bauteile entwickelt, bei dem die Komponenten mit niederenergetischen Elektronen behandelt werden.
Elektronenstrahl sterilisiert schonend und zuverlässig
Mit dieser Elektronenstrahl-Behandlung werden die Bauteiloberflächen zuverlässig und schonend sterilisiert. Mit Hilfe eines Roboterarmes und einer adaptierten Softwaresteuerung kann die Elektronenstrahl-Sterilisation nun auch für komplexere Bauteile angewendet werden. Bisher war dies schwierig, da die niederenergetische Elektronenstrahl-Technologie nur die Oberfläche behandelt. Mit Hilfe eines 3D-Roboters lassen sich jetzt sogar sehr raue Oberflächen, Vertiefungen oder komplexe Schraubengewinde sicher sterilisieren.
Die Sterilisation mit Elektronenstrahlen kann direkt in den Endverpackungen erfolgen. Sie ist in-line-fähig und dadurch gut in den Herstellungsprozess integrierbar. Durch das Handling komplexer Komponenten mit dem 3D-Roboter ist dadurch eine produktspezifische Handhabung möglich.
Die Elektronenstrahlsterilisation eignet sich zudem für sensible Materialien, wie Polymere bis hin zu biologischem Gewebe oder Proteinbeschichtungen, die herkömmlichen Sterilisationsverfahren nicht standhalten würden. Auch für Elektronik, Mikrochips und Batteriesysteme ist das Verfahren gut anwendbar: Die Funktion bleibt erhalten, und auch gespeicherte Informationen, wie beispielsweise in einem Mikrochip, werden bei der Behandlung nicht zerstört.
Die Fraunhofer-Wissenschaftler wollen künftig gemeinsam mit Partnern aus der Industrie produktspezifische Handlingabläufe für die 3D-Elektronenstrahl-Sterilisation entwickeln. Dabei betreuen sie den Kunden von der Machbarkeitsstudie über die biologische und technische Prüfung seines Produktes bis hin zur Anlagenkonzeption und Integration der Anlagen in bestehende Prozessketten. Auch Lösungen zur Sterilverpackung und zum Prozess-Monitoring können auf Basis bereits erfolgreich abgeschlossener Projekte angeboten werden. (su)
Sterilisation mit beschleunigten Elektronen
Mithilfe von niederenergetisch beschleunigten Elektronen lassen sich auch Oberflächen von Medizinprodukten wie Implantaten und Geräten aber auch Verpackungen sterilisieren. Selbst empfindliche Materialien und Produkte werden mit der umweltfreundlichen und materialschonenden Technologie innerhalb von Millisekunden bis Sekunden effizient sterilisiert. Die Produkte können dabei unter Atmosphärendruck bearbeitet werden und behalten ihre Formstabilität sowie ihre produktspezifischen Eigenschaften. Der Elektronenstrahl kann dabei auch durch Verpackungen hindurch die Produktoberfläche sterilisieren, was Sterilisationsprozesse deutlich vereinfacht.
Im Gegensatz zu anderen Sterilisationsverfahren, die mit Bestrahlung arbeiten, benötigt die Sterilisation mit niederenergetischen Elektronen (bis maximal 300 keV) nur eine einfache, lokale Strahlungsabschirmung. Dies macht diese Technologie kompakt und deshalb leicht in bestehende Prozessketten in-line integrierbar. Auch die Desinfektion mit niederenergetisch beschleunigten Elektronen ist möglich.