Als Spezialist für Knochentransplantationen hat Denis Dufrane jahrelang einen Mangel verwaltet: Nach Tumoroperationen oder komplizierten Brüchen wird viel mehr menschliches Knochenersatzmaterial gebraucht als sich durch manuelle „Produktion“ herstellen lässt. Mehr als zwei Knochen pro Tag lassen sich von Hand nicht verarbeiten, und pro Knochen – meist ein Stück vom Oberschenkelkopf – werden im Durchschnitt zwei würfelförmige Ersatzstücke gewonnen, die auch als „Allografts“ bezeichnet werden. So kann viel von dem wertvollen menschlichen Knochenmaterial gar nicht verwertet werden. Auch können bei der manuellen Bearbeitung Kontaminationen eingetragen werden. All das wollte Denis Dufrane mit einer vollautomatisierten Anlage überwinden.
Knochen wird für Allografts geschickt geteilt
Mehr als zehn Jahre hat es dafür gebraucht, denn die komplexen Vorgaben für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten waren einzuhalten. Aber nun betreibt die Texere Biotech SPRL – so heißt das von Dufrane gegründete Unternehmen – im Südwesten Belgiens, in Frasnes-Lez-Gosselies, eine solche Anlage. Sie ist vollständig in einem hermetisch abgeschlossenen 40“-Container untergebracht und kann pro Jahr 5000 Hüftköpfe verarbeiten. Weil sie die Knochen sorgfältig vermisst und optimal zerteilt, entstehen daraus im Schnitt fünf Blöcke sowie Knochenchips und -pulver, die ebenfalls für den Knochenaufbau eingesetzt werden.
Roboter bringt den Knochen zum Wasserstrahlschneiden
In der Bearbeitungslinie sind an sechs Stationen baugleiche Roboter vom Typ TX60 Stericlean im Einsatz. Der erste nimmt den Hüftkopf von einem Tray und führt ihn zu einer Bildverarbeitung, die unter anderem die Größe des Kopfes erfasst und typisiert. Auf dieser Basis werden die Schnittlinien für den folgenden Prozessschritt festgelegt. Hier übernimmt der zweite Roboter die Zuführung des Materials an der gekapselten Wasserstrahl-Schneidanlage. Auch das eine Innovation, wie Dufrane erklärt: „Bisher wurden die Köpfe manuell mit einer Bandsäge zerteilt. Wir arbeiten mit einem 5000-bar-Wasserstrahl.“ Dabei entstehen keine hohen Temperaturen, so dass weder Strukturen zerstört noch Zusatzstoffe eingebracht werden.
Roboter Nummer Drei entnimmt die würfelförmigen Allografts und legt sie auf einem Tray ab. Die folgenden beiden Roboter sind für das Handling zur chemischen Behandlung und Sterilisierung der Würfel verantwortlich. An Station Sechs legt der Stericlean-Roboter die Allografts jeweils in einer Ampulle ab. Die unter Vakuum verschlossenen und individuell gekennzeichneten Ampullen werden tiefgekühlt gelagert und dann ausgeliefert.
Jeder Knochen, aus dem Allografts werden, bekommt ein Kit bereitgestellt
An das Handling von natürlichen Implantaten werden hohe Anforderungen hinsichtlich Reinraumtauglichkeit, Dynamik, Präzision und Zuverlässigkeit gestellt. So wird für jeden Hüftknochen ein separates „Kit“ mit Ampullen, Label und Greifern bereitgestellt. Und noch bevor der erste Roboter installiert war, wurden alle Bewegungsabläufe in Simulationen erprobt.
Ein Schlüsselelement war die Auswahl der Roboter. Laut Dufrane wurden, gemeinsam mit Texeres Partner für die Automatisierung, der ebenfalls in Frasnes-Lez-Gosselies ansässigen 123 Automation Engineering & Development, verschiedene Hersteller angesprochen. Dabei habe sich „die Stericlean-Baureihe von Stäubli schnell als die beste Lösung für uns erwiesen – vor allem wegen der einzigartigen Hygienestandards und der zahlreichen Referenzen in der Medizintechnik, sogar in OP-Umgebung.“
Die Stericlean-Roboter wurden für solche Anwendungen entwickelt, sind sorgfältig gekapselt, beanspruchte Teile werden aus Edelstahl gefertigt. Die Oberflächenbehandlung erhöht die Korrosionsbeständigkeit. All dies führt dazu, dass alle Stericlean-Sechsachser den GMP-Richtlinien entsprechen.
Aus Sicht von Dufrane haben sich der Aufwand und die Investition in die Anlage gelohnt. Zu den Ergebnissen gehören
- eine deutlich bessere Ausbeute,
- Sicherheit vor Verunreinigungen und Kreuzkontaminationen,
- die Rückverfolgbarkeit jedes Blocks.
„Damit bieten wir nun den Goldstandard für Knochenimplantate“, sagt Dufrane. Dokumentiert wird das durch das GMP-Zertifikat, das – so der Gründer – bei manuell arbeitenden Anlagen dieser Art prinzipiell nicht erteilt werden kann.
Über den Roboterhersteller:
www.staubli.com
Kontakt zum Roboteranbieter:
StäubliI Tec-Systems GmbH Robotics
Theodor-Schmidt-Strasse 19/25
95448 Bayreuth
(Bild: Stäubli)
Allografts: Menschliches Knochenersatzmaterial ist gefragt
Knochenersatzmaterial kann aus patienteneigenen Knochenstücken entstehen, die auch als Autografts bezeichnet werden. Häufig verzichten Chirurgen aber auf die Entnahme des Materials, um den Patienten nicht weiter zu schwächen.
Die Alternative ist menschliches Knochenmaterial, das aber eben nicht vom Patienten selbst stammt, sondern von einem anderen Menschen, und das als Allograft bezeichnet wird. Diese würfelfömigen Ersatzstücke werden aus Oberschenkelknochen hergestellt, die bei Hüft-OPs entnommen werden.
Dieses Material wird zumeist im Auftrag von Knochenbanken zerteilt und so aufbereitet, dass nur noch das mineralische Grundgefüge übrig bleibt. Der mikroporöse Block in der standardisierten Größe eines Zuckerwürfels enthält keine Stammzellen. Daher ruft er kein Abstoßungsreaktionen hervor. Direkt vor dem Implantieren werden die Blöcke mit Eigenblut des Patienten gespült, was das Einwachsen deutlich beschleunigt.
Weitere Informationen
Über das belgische Unternehmen Texere Biotech:
Auf der Messe Medica im November in Düsseldorf: Halle 15, Stand C16