Künstliche Muskeln sind eine Zukunftstechnologie, die es Robotern eines Tages ermöglichen könnte, wie lebende Organismen zu funktionieren. Sie kommen zum Einsatz in Geräten, die wir wie Kleidungsstücke anziehen und uns im Alltag unterstützen oder im Alter mobiler machen, bis hin zu Rettungsrobotern, die auf der Suche nach Vermissten durch Trümmer navigieren. Wie vielseitig die Roboter der Zukunft sein werden, beeinflussen die künstlichen Muskeln, aus denen sie gebaut sind – das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch einen großen Einfluss auf die Umwelt haben müssen.
Nachhaltige Muskeln für Roboter
Denn das Thema Nachhaltigkeit rückt auch in der Soft-Robotik immer mehr in den Fokus. Daher haben Forschende nun einen vollständig biologisch abbaubaren, hochleistungsfähigen künstlichen Muskel entwickelt, der aus Gelatine, Öl und Biokunststoff besteht. Dazu arbeiteten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart zusammen mit Forschenden der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz, Österreich und der University of Colorado (CU Boulder) in Boulder, USA. Das Team zeigt in seiner Forschungsarbeit, wie sie einen Greifarm mit mehreren solcher künstlichen Muskeln ausgestattet haben. Ein Video gibt es dazu auf Youtube. Sind die Muskeln irgendwann beschädigt oder funktionieren nicht mehr richtig, können sie in der Biotonne entsorgt werden. Unter kontrollierten Bedingungen bauen sich die künstlichen Muskeln innerhalb von sechs Monaten vollständig ab.
„Wir sehen einen dringenden Bedarf an nachhaltigen Materialien im Bereich der Soft-Robotik. Biologisch abbaubare Komponenten bieten eine nachhaltige Lösung, insbesondere für Einweganwendungen bei medizinischen Behandlungen, für Such- und Rettungseinsätze und beim Umgang mit gefährlichen Substanzen. Anstatt am Ende der Produktlebensdauer auf Mülldeponien zu landen, enden die Roboter der Zukunft auf dem Kompost“, sagt Ellen Rumley. Sie ist Gast-Wissenschaftlerin der CU Boulder und forscht in der Abteilung für Robotik-Materialien am MPI-IS in Stuttgart.
Mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel als Muskel
Bei dem entwickelten elektrisch angetriebenen künstlichen Muskel namens Hasel handelt es sich um mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel, die auf beiden Seiten des Beutels mit Elektroden ausgestattet sind. Wenn eine Hochspannung zwischen den Elektroden angelegt wird, bewirken die elektrostatischen Kräfte, dass sich das Pflanzenöl im Inneren des Beutels verschiebt. Indem das Öl hin- und hergeschoben wird, zieht sich der Beutel zusammen – ähnlich wie ein echter Muskel. Wichtigste Voraussetzung, dass die Verformung der Hasels klappt, ist, dass alle Materialien den hohen elektrischen Spannungen standhalten können.
„Indem wir die herausragende Leistung dieser neuen Materialien zeigen, bieten wir anderen Forschenden einen Anreiz, biologisch abbaubare Materialien für den Bau von Robotern in Betracht zu ziehen“, sagt Ellen Rumley. „Die Tatsache, dass wir mit Biokunststoffen so gute Ergebnisse erzielt haben, motiviert hoffentlich auch andere aus unserem Forschungsbereich, nachhaltig zu denken.“ Die Verwendung biologisch abbaubarer Materialien für den Bau künstlicher Muskeln ist schon einmal ein wichtiger Schritt hin zu nachhaltigeren Robotern.
Kontakt:
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme
Ellen Rumley
E-Mail: rumley@is.mpg.de
https://doi.org/10.1126/sciadv.adf5551
www.youtube.com/watch?v=qoqePU0qRC8&t=3s
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