Legosteine sind aus Kinderzimmern auf der ganzen Welt nicht wegzudenken. Mehr als 700 Milliarden der bunten Bausteine wurden bislang produziert. Aus Plastik. Daran muss Lego nun etwas ändern, denn die Kunden fordern auch vom Spielwarenhersteller mehr Nachhaltigkeit. 2020 kündigte der Konzern bereits an, 400 Mio. US-Dollar in seine Nachhaltigkeitsprojekte und die Suche nach einem Ersatzmaterial für den aus Erdöl hergestellten Kunststoff zu investieren. Zunächst soll bis 2030 der Anteil der aus recyceltem Plastik produzierten Teile auf 80 % steigen, bei 20 % der Teile aus biologisch abbaubarem Material. Dabei muss sich der Legostein der Zukunft nahtlos mit einem vor über 60 Jahren hergestellten Baustein zusammenstecken lassen.
Für das dänische Unternehmen ist es nicht der erste Schritt in eine nachhaltige Produktion: Bereits 2018 wurde begonnen, Elemente aus Bio-Polyethylen (Bio-PE) – einem weichen, langlebigen und flexiblen Kunststoff aus brasilianischem Zuckerrohr – herzustellen. Und 2020 präsentierte Lego einen ersten Prototypen für einen Baustein aus wiederverwertetem Kunststoff, der aus den entsorgten PET-Flaschen entstand.
Nachhaltigkeit muss Verbrauch von Ressourcen verringern
Wenn in vielen Branchen schon getestet wird, wird in der Medizintechnik meist noch geredet. Dabei werden heute bereits mehr als die Hälfte aller Medizinprodukte weltweit aus Kunststoff gefertigt oder haben einen Kunststoffanteil. „Wäre der globale Gesundheits- und Lifesciences-Sektor ein Land, wäre er der fünfgrößte Emittent von Treibhausgasen. Denn durch die hohen Anforderungen an die Qualität von Arzneimittel- und Medizinprodukte-Verpackungen und die vielen Einmalartikel fallen große Mengen Müll an“, sagt Christoph Eisenhardt, einer der Gründer des Beratungs- und Coachingunternehmens Eisenhardt & Wolf aus Mannheim und Mitglied im Netzwerk Healthcare Shapers. Die Umverpackung müsse häufig die Sterilität von Produkten sicherstellen. Daher ist sie aus einem Materialmix gefertigt, der ein Recycling praktisch unmöglich mache. Und wenn Einmalprodukte nach Gebrauch durch Blut- und Körperflüssigkeiten des Patienten kontaminiert sind, dürfen sie nicht einfach wie Haushaltsmüll recycelt werden.
Nachhaltige Medizinprodukte – besser für den Patienten
„Häufig bestehen Produkte im medizinischen Bereich aus unterschiedlichsten Komponenten und Materialien, die nicht sortenrein erfasst und recycelt werden können. Dadurch ist der Verbrauch an Ressourcen groß“, sagt auch Dr. Anja Segschneider, Nachhaltigkeitsexpertin beim Johner Institut. Dabei hat die Wahl der Materialien einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit eines Medizinprodukts. „In vielen Fällen sorgen nachhaltigere Materialien sogar für bessere Verträglichkeit beim Patienten, weil beispielsweise weniger schädliche Stoffe bei der Herstellung eingesetzt werden.“ Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen sind Biopolymere wie Polyhydroxyalkanoate (PHA), die keine allergischen Reaktionen auslösen und im Körper abbaubar sind, sowie Polylactid (PLA).
Recycling von Kunststoffen: Wo wir stehen und was noch fehlt
Die Möglichkeiten der Nischenprodukte Biokunststoffe sind längst nicht vollständig erfasst. Laut Branchenverband European Bioplastics e.V., Berlin, repräsentieren sie bislang nur rund 1 % der weltweiten Jahresproduktion von etwa 300 Millionen Tonnen. Dank immer anspruchsvollerer Materialien und Zusätze wächst ihr Markt aber kräftig: je nach Segment um 20 bis 100 % pro Jahr. Und auch wenn Biokunststoffe in der Medizintechnik bislang nur einen kleinen Teil ausmachen, können sie heute auch auf diesem Feld Verbesserungen herbeiführen: beispielsweise durch Nähte und chirurgische Schrauben, die im Körper abgebaut werden, nachdem sie ihren Dienst getan haben.
Nachwachsende Rohstoffe als Basis für Polyactid
Eine wichtige Basis für diese Errungenschaften bildet Polyactid (PLA). PLA ähnelt in seinen Eigenschaften anderen thermoplastischen Kunststoffen und hat eine besonders hohe Festigkeit. Sein Ausgangsstoff ist Milchsäure, die auch im menschlichen Körper vorkommt und darum von ihm resorbiert werden kann. Um diese Eigenschaft sowie die mechanische Stabilität sicherzustellen, wird PLA auch mit Hydroxylapatit zu einem Komposit gemischt. Das Mineral ist in Knochen bis zu einem Anteil von 40 % enthalten. Der Basisstoff von PLA sind nachwachsende Rohstoffe wie Glukose, die in Milchsäure und Dilactid umgewandelt schließlich zur Basis für die thermische Weiterverarbeitung als Kunststoff werden.
Leider ist der Einsatz nachhaltiger Materialien in der Medizintechnik nicht immer möglich. Denn: „Nachhaltige Alternativen müssen dieselben Kriterien wie das Ursprungsprodukt erfüllen, das heißt, sie müssen biokompatibel und stabil gegenüber mechanischen und thermischen Belastungen sein, sich leicht reinigen, desinfizieren und sterilisieren lassen sowie reproduzierbar gefertigt werden können“, sagt Nachhaltigkeitsexpertin Segschneider. Sind nachhaltige Materialien nicht sicher und leistungsfähig, sind sie keine echte Alternative für die Medizintechnik. Dennoch ließen sich in vielen Fällen für gängige und problematische Materialien nachhaltigere Varianten finden. Das können laut Segschneider Produkte mit einer per se besseren Öko- und Sozialbilanz sein, weil sie beispielsweise aus heimischen Pflanzen produziert werden. Oder Produkte, die nachhaltig angebaut und transportiert wurden, sowie auch recycelte Materialien.
Recycling reduziert den Kunststoffverbrauch
Seine Mehrwegfähigkeit macht beispielsweise Polycarbonat (PC) zu einem umweltfreundlichen Kunststoff – auch für die Medizintechnik. Die Covestro AG, Leverkusen, hat ein Konzept für einen Prototyp eines nachhaltigen Systems zur Verabreichung von Medikamenten entwickelt. Dafür verwendet der Werkstoffhersteller Polycarbonatlösungen, die jeweils speziell für medizinische Anwendungen entwickelt wurden.
„Der Autoinjektor löst mehrere Probleme gleichzeitig und besteht aus Teilen, die sowohl reibungsarm und langlebig als auch formstabil sind“, sagt Marketing-Managerin Healthcare Lauren Zetts. Bisher mussten die Systeme zur Medikamentenabgabe nach dem Ende ihrer Lebensdauer in ihre Einzelteile zerlegt und diese anschließend mühsam sortiert werden, da in den verschiedenen Komponenten eine Vielzahl von Stoffen zum Einsatz kam. Bei dem Autoinjektor, der nur aus Polycarbonat besteht, wird dieser Aufwand nun deutlich verringert. Am Ende der Lebensdauer kann die Einheit schnell und einfach zerlegt und dann zur leichteren Entsorgung oder Wiederverwertung in kontaminierte und nicht kontaminiere Komponenten sortiert werden. Dies trägt auch dazu bei, das Aufkommen an medizinischen Abfällen zu verringern.