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3D-Druck für die Orthopädietechnik

Start-up-Portrait
Eine digitale Werkstatt für ein klassisches Handwerk

Mit maßgeschneiderten Prothesen und Orthesen aus dem 3D-Drucker revolutioniert das 2016 gegründete Start-up Mecuris die Orthopädietechnik. Dafür nutzt das junge Unternehmen verschiedenste 3D-Technologien. Das Ziel ist es, dass Erwachsene und Kinder innerhalb weniger Tage das perfekt auf ihre funktionellen und optischen Ansprüche angepasste orthopädische Hilfsmittel erhalten.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Das ist mein Fuß, den gebe ich nicht mehr her!” Diesen Ausbruch der kleinen Emma, damals 3 Jahre alt, wird das Mecuris-Team nicht vergessen. Eigentlich hatten sie Emma, ihren Eltern und dem Orthopädietechniker erst einmal den ersten Prototypen eines 3D-gedruckten Kinderprothesenfußes zeigen wollen. Aber Emma war sich sicher und damit nicht mehr vom Fuß zu trennen. „Als Emma einige Monate später genervt und wütend ihren Fuß mit der Ferse gegen die Wand schlug, waren wir überrascht, welche Kraft das kleine Mädchen besitzt“, erinnert sich Carolin Taubmann. „Die Ferse bekam einen Riss – und wir merkten sofort: wenn es um Prothesen für Kinder geht, müssen wir andere Maßstäbe setzen.“ Dank der digitalen Prozesse, die zu den Produkten hinterlegt sind, war eine Anpassung des Modells zum Glück kein Problem. Die kleine Emma bekam kurz darauf ihren optimierten Prothesenfuß – direkt in ihrer Lieblingsfarbe: Blau. Mittlerweile trägt Emma ihren dritten Firstep, immer individuell angepasst auf ihre aktuellen Maße und ihre Design-Vorlieben.

Carolin Taubmann arbeitet bei Mecuris, das über die eigens entwickelte Mecuris Solution Platform die Herstellung individueller 3D-gedruckter Prothesen und Orthesen ermöglicht. Die Firstep-Prothese für Kinder, wie Emma sie trägt, wird in Kürze die CE-Kennzeichnung erhalten. Damit kann das Münchner Start-up Prothesenfüße bereits für Kinder ab etwa einem Jahr auf dem europäischen Markt anbieten. Mit dem Wachstum ist eine stufenlose Anpassung der Parameter des Prothesenfußes millimetergenau möglich und somit auch der Übergang auf den Erwachsenenfuß Nexstep. Der individuelle, additiv gefertigte Prothesenfuß trägt bereits seit Anfang 2017 das CE-Zeichen.

Ursprünge im Umfeld der Hochschule und Kliniken

Aus der Taufe gehoben wurde Mecuris 2016 von insgesamt sechs Gründern, die sich im Umfeld der Münchner Hochschulen und Kliniken kennengelernt haben. Ausgangspunkt war ein Treffen beim 3D-Printing Cluster (heute Must 3D Printing). Es fand sich schnell ein Team zusammen, in dem alle erforderlichen Kernkompetenzen für die Gründung vereint waren: CEO Manuel Opitz ist Wirtschaftsingenieur mit Erfahrung in Marketing, Medizintechnik und additiver Fertigung, CFO Wolf-Peter Werner brachte als Bankkaufmann die Erfahrung im Bereich der Finanzierung mit. Der Designer Jannis Breuninger präsentierte 2007 die erste 3D-gedruckte Oberschenkelprothese der Welt und betreut die Konstruktionsarbeiten von Mecuris. Felix Gundlack ist Informatiker und im Unternehmen für die Softwareentwicklung zuständig. Der Wirtschaftswissenschaftler Frank Preuss hat bereits mehrere Start-ups gegründet und zeichnet bei Mecuris für den Vertrieb verantwortlich, und auch der Unfallchirurg und Medical Advisor, Dr. Simon Weidert, hat bereits Gründungserfahrung in der Medizintechnik.

Durch die Vereinigung dieser unterschiedlichen Kompetenzen entstand eine gemeinsame Vision: Die Herstellung individuell angepasster orthopädischer Hilfsmittel, die so einzigartig sind wie ihre Träger. Zudem geht es dem Unternehmen darum, den bislang sehr handwerklich geprägten Bereich der Orthopädietechnik auf dem Weg ins digitale Zeitalter zu unterstützen. Dabei wurde von den Gründern großer Wert darauf gelegt, dass alle Prozesse wie Datenverarbeitung, Produktkonfiguration, virtuelle Anpassung und Prüfung von Anfang an über eine digitale Werkstatt erfolgen. Das Zentrum aller Produkte und Prozesse ist damit die Mecuris Solution Platform, die auch das Portal zu den Kunden bildet.

Heute beschäftigt das junge Unter-
nehmen bereits 37 Mitarbeiter, gut zwei Drittel davon sind fest angestellt. Eine von ihnen ist Carolin Taubmann, die nach ihrem Studium der Medizintechnik als eine der ersten zu Mecuris kam. Sie baute die Bereiche Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung auf und ist zuständig für die Produktqualität und -zertifizierung. Prothesen und Orthesen sind Medizinprodukte der Risikoklasse I. Neben Last- und Funktionstests, die auf Maschinen sowie in von Mecuris und Partnern entwickelten virtuellen Prüfungen durchgeführt werden, ist für ein jedes Produkt eine Technische Dokumentation zu erstellen, um die CE-Konformität erklären zu können.

Jede Prothese wird individuell an den Patienten angepasst

„Die additive Fertigung bietet neue Konstruktionsmöglichkeiten. Gemeinsam mit Experten und Anwendern werden die Produkte entwickelt und auf individuelle Bedürfnisse angepasst“, erklärt Carolin Taubmann. „Dann überprüfen wir die erstellten Produkte mittels Computersimulationen und Optimierungstools.“

Jedes Hilfsmittel entsteht aus den jeweils individuellen Daten der Patienten, die in Zusammenarbeit mit Ärzten oder Orthopädietechnikern erfasst werden. Das kann beispielsweise durch einen CT-, MRT- oder 3D-Scan geschehen. Die Daten werden über die Mecuris Solution Platform an die Konstruktionsmodelle übergeben, um diese anhand der Patientenparameter individuell anzupassen. Neben geometrischen Daten zählen hierzu auch das Gewicht und der Aktivitätsgrad des jeweiligen Trägers. Anhand von Finite- Elemente-Analysen werden die individuellen Hilfsmittel virtuell geprüft. Stimmt alles, wird das digitale Modell an ein zertifiziertes 3D-Druckzentrum gesendet. Im Anschluss an die Fertigung werden die additiv gefertigten Produkte von Mecuris physisch geprüft, bevor sie an die Anwender ausgeliefert werden.

Mehr Lebensqualität für die großen und kleinen Trägerinnen und Träger durch 100-%-maßgeschneiderte Orthesen und Prothesen ist das übergeordnete Ziel des Münchner Start-ups. Optimierte Workflows und damit mehr Zeit für den Patienten sind die Vorteile, welche Orthopädietechniker durch die Digitalisierung ihrer Prozesse schätzen. Dieses Zusammenspiel zu unterstützen, ist die Vision, an der das Team von Mecuris jeden Tag arbeitet.


Zum Start-up Mecuris

Unternehmen: Mecuris GmbH, München

Gegründet: 2016 als Spin-off des Klinikums der Universität München (LMU)

Geschäftsführung: Manuel Opitz, Wolf-Peter Werner

Produkt: Mecuris Solution Platform – Vereinigung von verschiedensten 3D-Technologien in einer intuitiven Umgebung zur Verwirklichung individueller orthopädischer Hilfsmittel

Finanzielle Unterstützung: Seed und Series A

Auszeichnungen: Start-up des Jahres (2017), Ort im Land der Ideen (2017), 3D Pioneers Challenge (2017)

Weitere Informationen: www.mecuris.com

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