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Medizinprodukt Einwegspritz: Geschichte und heutige Entwicklungen

Medizinprodukte-Porträt Einwegspritze
Spritze: Pieks und weg

Spritze: Pieks und weg
Heruntergeklappt schützt die Kappe vor Stichverletzungen (Bild: dule964/stock.adobe.com)
Einwegspritze | Ihrer Erfindung folgte ein Siegeszug durch alle Bereiche, von der Klinik über Privathaushalte bis hin zur Agrarwirtschaft. Der überwiegende Teil heute eingesetzter Spritzen sind Einwegspritzen. Ihr unschlagbarer Vorteil: Sie sind steril und sofort einsatzbereit. Herausfordernd ist hingegen immer noch ihre sichere Entsorgung.

Anke Biester
Wissenschaftsjournalistin aus Memmingen

Sie sind allgegenwärtig. Ärzte verwenden sie beispielsweise für Impfungen, medizinisches Personal nutzt sie, um bei Patienten Blut zu entnehmen. Diabetiker können sich mit ihnen selbst Insulin spritzen, Thrombosepatienten den Blutverdünner Heparin. Zur Wahrheit gehört leider auch: Drogenabhängige verwenden sie, um sich selbst Rauschgifte wie Heroin zu injizieren.

Der unschlagbare Vorteil von Einmalspritzen: Sie sind sofort einzusetzen und kommen steril aus der Verpackung. In so genannten Fertigspritzen sind sogar das Arzneimittel oder die Impflösung in der erforderlichen Menge enthalten. Da die Spritzen nach ihrer Verwendung gleich in entsprechende Sicherheitsbehälter entsorgt werden, sinkt die Gefahr, sich an ihnen zu verletzen. Das ist ein wichtiger Punkt, denn selbst mit diesen Maßnahmen gehören Nadelstichverletzungen immer noch zu den häufigsten Arbeitsunfällen bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Die größte Gefahr dabei: Sind die Spritzen mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten kontaminiert, können sich die Betroffenen anstecken, zum Beispiel mit Hepatitis- oder HI-Viren.

Die Spritze – ein Mehrwegartikel

Spritzen, die sich selbst blockieren

Der gleichen Gefahr setzen sich Menschen aus, die bereits verwendete Spritzen ohne ausreichende Sterilisation erneut benutzen. Damit Einwegspritzen nicht wieder verwendet werden können, setzte sich die Weltgesundheitsorganisation WHO in den 1980er Jahren dafür ein, Spritzensysteme zu entwickeln, die sich selbst blockieren oder zerstören, sogenannte AD („Auto-disable“) Spritzen. Verschiedene Mechanismen verhindern bei ihnen, dass sie sich wieder aufziehen lassen, zum Beispiel durch Sollbruchstellen am Kolben, Einwegventile oder irreversibel einrastende Federsysteme. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) führt seine Impfaktionen nur noch mit AD-Spritzen durch.

Schutz vor Stichverletzungen

Darüber hinaus sind zum Schutz vor Stichverletzungen viele Einwegspritzen inzwischen mit unterschiedlichen Mechanismen ausgestattet, die nach der Verwendung automatisch die Kanüle umhüllen. Für sie gilt die Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe TRBA 250. Das heißt unter anderem, dass der Sicherheitsmechanismus Bestandteil des Systems sein muss und der Sicherheitsmechanismus sich selbst auslöst oder einhändig erfolgen kann.

Aber ob nun mit oder ohne Schutz: Spritzen gehören nach ihrer Verwendung in durchstichsichere Behälter – zumindest die Kanülen. Sind sie nicht kontaminiert, können sie in diesem Behälter im normalen Müll entsorgt werden. Bisher werden sie nicht recycelt.

Biobasierte Kunststoffe im Spritzguss auf die Probe stellen

Die unterschiedlichsten Größen bei Spritzen

Die Größe einer Spritze ergibt sich zum Einen durch die Volumengröße ihres zylindrischen Hohlraums. Handelsübliche Größen reichen von 0,5 bis 100 ml Volumen. Zum Anderen sind die Nadellänge und der Durchmesser der Kanüle entscheidend. So erfordert die Einstichtiefe, Je nachdem, ob nur unter die Haut oder bis in die Blutbahn gespritzt wird, sind kürzere oder längere Nadeln im Einsatz. Der Durchmesser der Kanüle wird nicht nur in Millimetern angegeben: Gebräuchlich sind auch Gauge, das Pravaz-System oder Angaben in Charrière beziehungsweise French. Damit niemand bei dieser Vielfalt der Maßangaben umrechnen muss, gibt es eine farbliche Codierung nach EN ISO 6009. 1,2 mm, entsprechend 18 Gauge und 3,6 French sind zum Beispiel rosa. Die dünnsten Nadeln haben Dentalkanülen. Sie sind mit einem Durchmesser von 0,3 bis 0,4 mm so dick wie ein menschliches Haar.

Das Pravaz-System ist nach dem französischen Orthopäden Charles-Gabriel Pravaz benannt, der 1841 eine Vorform der heute üblichen Injektionsspritze aus Glas entwickelte. Nahezu gleichzeitig erfand, der irische Arzt Francis Rynd 1844 die Hohlnadel. Beide Entwicklungen kombinierte dann der schottische Arzt Alexander Wood 1853. Die Nadeln waren damals übrigens noch recht dick und mussten regelmäßig nachgeschliffen werden.

Von der Glas- zur Kunststoffspritze

Die erste Glaseinwegspritze entwickelte 1954 ein Medizintechnikunternehmen in den USA für die dortige Polio-Massenimpfung, mit der man der Kinderlähmung vorbeugen wollte. Bereits ein Jahr später produzierte ein anderes US-Unternehmen die erste Einwegspritze aus Kunststoff. Doch erst die vom Apotheker Colin Albert Murdoch aus Neuseeland 1956 entwickelte und patentierte Einwegspritze aus diesem Material überzeugte am Markt und ersetzte die Glasspritze.

64-fach Werkzeug für Einmalspritzen mit Luer-Lock-Gewinde

Um Einmalspritzen aus Kunststoff herzustellen, braucht es spezielles medizinisches Granulat mit einem hohen Reinheitsgrad. Die Kanülen bestehen aus einem rostfreien Edelstahlstreifen, der gewalzt, verschweißt, gezogen, geschnitten und geschliffen wurde. In Deutschland läuft die Produktion nahezu vollautomatisch. Die Sterilisation erfolgt mittels Gas erst ganz am Ende. Das Gas diffundiert dabei durch die Kartons und die Kunststoffverpackung hindurch.

Spritzen und Pipetten mit Vollheißkanal von Ewikon gefertigt

Wertvoller Totraum

Eine Spritze ist fast nie komplett leer. Denn selbst wenn der Kolben bei der Spritze durchgedrückt ist, verbleibt immer noch eine Rest der zu verabreichenden Flüssigkeit in dem Hohlraum der Nadel, dem so genannten Totraum. Feindosierungsspritzen wie zum Beispiel Insulinspritzen verfügen daher häufig über einen Spardorn. Dieser drückt in die Kanüle, um den Totraum zu verkleinern. In der Diskussion um gesparte Corona-Impfdosen im Jahr 2021 ging es um diese im Totraum verbleibenden Mengen.

Fertigspritzen besser herstellen und lagern

Angst vor Spritzen? Auch das gibt es, Mediziner rechnen sie zu der Gruppe der Blut-, Spritzen- und Verletzungsphobien. Dabei beschreibt Trypanophobie die Angst vor der Injektion als solcher, Belonophobie die Angst vor Nadeln, Aichmophobie die Angst vor spitzen Gegenständen und Vaccinophobie die Angst vor Impfungen. Genaue Zahlen zur Häufigkeit dieser Phobien gibt es nicht.

Alternative: Statt einer Spritze gibt der Saugnapf das Medikament an den Körper ab

Gut zu wissen ist, dass nur geschultes Personal Injektionen verabreichen darf. Gehört man nicht zu diesem Kreis, kann man aber einen so genannten „Spritzenschein“ machen.

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