Herr Greiser, wie geht es Atmos Medizintechnik aktuell in der Krise?
Da wir über eines der größten Portfolios an Medizinischen Absaugsystemen verfügt, darunter auch Geräte für die trachiale Absaugung beatmeter Patienten und Thoraxdrainagen, hatten wir zu Beginn der Pandemie einen sehr umfangreichen Auftragseingang zu bewältigen. Zu dem Zeitpunkt war die Situation ja für alle völlig neu. Es gab einen Run auf intensivmedizinische Geräte – fast ein bisschen so, wie im Supermarkt auf das Klopapier. Ungefähr ab Mai ließ das allmählich wieder nach. Gleichzeitig wurden unsere anderen Produktlinien wieder verstärkt an- und nachgefragt. Unser ausgewogenes medizinisches Produktportfolio behauptet sich als krisensicher. Wir verzeichnen bisher keine Umsatzeinbrüche.
Ausgefallene Messen, ausgesetzte Kundenbesuche… wie beeinflusst dies Ihre Arbeit?
Da es sich um eine weltweite Pandemie handelt, trifft es alle gleichermaßen. Es spielen schließlich alle auf dem gleichen Platz das gleiche Spiel. Atmos ist mit eigenen Niederlassungen in 15 Ländern und einem Netzwerk von Handelspartnern in über 130 Ländern dieser Erde hervorragend international vertreten. Dies erlaubt es uns, auch ohne Messen und Kongresse, den Kontakt zu unseren Kunden weltweit auf einer täglichen Basis zu halten und auszubauen.
Gab es Lieferschwierigkeiten bei Ihren Lieferanten?
Ja, es gab Verzüge von internationalen Lieferanten. Aber: Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sichern den nachhaltigen Erfolg. Wir haben in all den Wirren dieser Zeit keinen einzigen Auftrag verloren. Die große Herausforderung lag in der Koordination zwischen Zulieferern, Logistik, Produktion und den Kunden. Als Motto galt und gilt: ‚Ob gute oder schlechte Nachrichten, die Realität wird so oder so eintreten‘.
Was waren und sind für Sie die größten Herausforderungen?
In der heißen Phase lag der Schlüssel zum Erfolg in der Koordination aller Zulieferer, der Synchronisation unserer vier Produktionsstandorte und eben dem offenen und ehrlichen Umgang mit unseren Kunden bezüglich realistischer Liefertermine. Den Kunden gegenüber auch unter erschwerten Bedingungen mit offenen Karten zu spielen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir haben Liefermengen abgestimmt, Teilmengen ausgehandelt, erklärt, warum wir vielleicht zum Wunschtermin nicht die volle Menge liefern können und wann der Rest der Charge kommen wird. Das hat alles sehr gut geklappt. Doch wenn etwas nach außen einfach wirkt, ist es innerhalb des Systems immer komplex: Sämtliche Bereiche im Unternehmen haben für all das perfekt zusammengearbeitet – das ganze Atmos-Team macht einen Wahnsinns-Job!
Welchen Stellenwert hat das Thema Digitalisierung in Ihrem Unternehmen und wie hat es sich in den letzten Monaten entwickelt?
Auf Produktebene hat dieses Thema seit mehreren Jahren Priorität. Unsere Produkte und Lösungen lassen sich vollumfänglich in die Krankenhaus-Informationssysteme integrieren. Unternehmensintern haben wir viele Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt und eine Bereichstrennung eingeführt. Wir mussten – wie fast alle Unternehmen – über Nacht auf neue Medien wie Webkonferenzen zurückgreifen. Das haben wir relativ rasch innerhalb von ein bis zwei Wochen geschafft. An dieser Stelle möchte ich zwar die Sinnhaftigkeit der Digitalisierung unterstreichen, jedoch ersetzt die digitale Welt niemals den persönlichen Kontakt. Wenn ich wegen eines möglichen Auftrages nach China reise, habe ich eine 99-prozentige Chance, den Auftrag zu bekommen. Wenn ich dem Kunden stattdessen eine Videokonferenz anbiete, habe ich eine 99-prozentige Chance, den Auftrag zu verlieren.
Fertigen Sie aktuell Produkte, die bislang nicht zu Ihrem Portfolio gehörten, aber in der jetzigen Situation benötigt werden?
Ja, das tun wir. Um das medizinische Personal bestmöglich zu schützen, entwickelten wir sehr schnell die Atmos Protection Line. Hintergrund war, dass ein Kunde von uns, ein HNO-Arzt, gefragt hatte, ob wir nicht unsere Stirnleuchte mit einem Visier versehen können. Mein Bruder und ich waren sofort von der Idee überzeugt und haben es auch als gesellschaftliche Verpflichtung gesehen, einen Gegenpol zu explodierenden Preisen für persönliche Schutzausrüstung zu schaffen, die über Nacht sehr knapp geworden war. Wir haben es relativ schnell geschafft, das Produkt, das nie auf Profit für das Unternehmen ausgelegt war, zu designen. Die große Herausforderung war es, einen Zulieferer zu finden, der uns eine Visierfolie liefern kann, die hochtransparent ist, sprich: glasklar. Dabei war es von großer Hilfe, dass wir eines der ersten Unternehmen in der Pandemie waren, das von der Bundesregierung Systemrelevanz attestiert bekam. Somit konnten wir in der Priorität der Belieferung weiter nach vorn rücken. Die Atmos Protection Line umfasst mittlerweile neben Face Shields mit und ohne Stirnleuchte auch Shields für Mikroskope und Endoskope.
Wo setzen Sie aktuell Schwerpunkte?
Schon lange vor der Pandemie haben wir erkannt, dass die Hygiene einen immer stärkeren Stellenwert in die Medizintechnik erhält. Deshalb haben wir bereits unseren Premium-HNO-Arbeitsplatz mit dem Werkstoff Corian ausgestattet, einem Material mit geschlossener Oberfläche. Dieser Werkstoff erlaubt Bakterien, Viren und Keimen kein Wachstum und eliminiert sie ohne Zutun innerhalb von 24 Stunden fast komplett. Seit 2018 haben wir Atmos Interieur in der Unternehmensgruppe, welche uns in die Lage versetzt, Praxen und Kliniken mit diesem und anderen Materialien komplett zu designen und auszustatten – und zwar RKI-konform.
Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Da kann ich nur sagen, dass der Schlüssel zum Erfolg ein perfektes Team in Verbindung mit zuverlässigen globalen Partner- und Tochtergesellschaften ist. Gute Unternehmen können in Krisen wachsen und stärker werden. Ausgeklammert davon sind aber natürlich Branchen, die der Corona-Pandemie und den Maßnahmen dagegen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, wie etwa die Gastronomie.
Welche Perspektiven sehen Sie für die nächsten Monate?
Alle Unternehmer schauen aktuell in die gleiche Glaskugel. Und egal wie sehr man sie auch schüttelt und dreht, das Bild wird nicht unbedingt klarer. Wir sind unseres eigenen Schicksals Schmied. Oberstes Ziel – und das war schon immer eine Maxime bei uns – ist die Arbeitsplatzsicherheit. Wir sind fest davon überzeugt, alle vor uns liegenden Klippen erfolgreich umschiffen zu können.
Kontakt zum Unternehmen:
Atmos Medizintechnik
Ludwig-Kegel-Str. 16
79853 Lenzkirch
www.atmosmed.de