Das Wettbewerbsklima in China wird rauer für ausländische Hersteller von Medizintechnik. Umso mehr kommt es darauf an, dort das richtige Produkt auf den Markt zu bringen, sagt Stefan Kracht, Managing Director des Beratungsunternehmens Fiducia Management Consultants in Hongkong.
Bettina Gonser
Freie Journalistin in Stuttgart
Herr Kracht, China ist ein riesiger Markt für hochwertige Medizintechnik: Die kommt überwiegend aus dem Ausland. Jetzt will die Volksrepublik den Anteil der Produkte „Made in China“ deutlich steigern. Lohnt sich für europäische Unternehmen noch der Markteintritt?
Die Konkurrenz in China ist deutlich größer geworden, nicht nur im unteren oder mittleren Bereich. Es gibt immer bessere chinesische Firmen, und manche Unternehmen, wie United Imaging, spielen schon im High-Tech-Bereich mit. Ob sich der Einstieg lohnt, ist eine Frage des Produkts. Als Faustregel könnte man sagen: Je mehr Fachwissen und Technologie darin steckt, desto höher sind auch die Chancen, dass es im chinesischen Markt Erfolg haben wird.
Womit habe ich noch Chancen?
Gute Marktchancen haben Sie mit Nischenprodukten wie etwa Gefäßprothesen oder auch Endoskopie: Da ist die Konkurrenz weiterhin nicht lokal, sondern kommt aus Deutschland oder Japan. Je mehr Sie sich in einer Nische differenzieren können, desto höher sind Ihre Chancen. Und die sind nach wie vor sehr gut, da einerseits der Gesundheitsmarkt weiterhin stark wächst und anderseits das chinesische Haushaltseinkommen jährlich steigt.
Wie hoch sind die Hürden für europäische Unternehmen, die ihre Produkte in China auf den Markt bringen wollen?
Die Registrierungsbedingungen bei der CFDA, der China Food & Drug Administration, wurden vor allem in 2014 deutlich verschärft: sowohl von den Auflagen als auch in Bezug auf die Kosten. Prinzipiell haben sich die Gebühren mehr als verdoppelt, wobei man fairerweise sagen muss, dass sie eher dem internationalen Niveau angepasst wurden. Für Klasse-III-Produkte, zum Beispiel Implantate, werden vermehrt klinische Tests verlangt. Auch für Klas-se II, zu der etwa Inhalatoren gehören, sind immer öfter klinische Tests nötig. Doch auch ohne klinische Tests müssen Sie für Klasse-II-Produkte mit einem Minimum von rund 40 000 Euro Registrierungsgebühren rechnen. Als Faustregel gilt: Zehn Prozent Ihres China-Budgets sollten Sie für den Registrierungsprozess einplanen. Und die Regularien werden sich weiter verschärfen.
Was sollten europäische Unternehmen beachten, bevor sie den Schritt nach China unternehmen?
Gerade als kleinere Firma muss man sich auf Grund der teuren Registrierung bewusst sein: Welches Produkt bringe ich auf den Markt? Und daher kann es Sinn machen, vorab die Absatzchancen durch eine Marktrecherche zu beziffern. Sobald Sie Gewissheit haben, dass Ihr Produkt genug Potenzial hat, sollten Sie mit dem Registrierungsprozess starten und parallel dazu möglichst strukturiert nach passenden Distributoren suchen. Essenziell ist aber, dass Sie die Zulassung Ihrer Produkte nicht von Ihrem Distributor durchführen lassen, weil Sie sonst Gefahr laufen, von diesem abhängig zu werden. Weiterhin sollten Sie davon absehen, Ihrem Händler exklusiven Vertrieb zu gewähren, da nur sehr wenige Distributoren den gesamten chinesischen Markt abdecken können. Bei der Wahl eines falschen Partners könnte der Markt auf Jahre verloren sein.
Wie gehe ich auf Nummer sicher?
Sie können Ihre Erfolgschancen, am chinesischen Markt zu bestehen, deutlich erhöhen, wenn Sie erstens Zulassung und Distribution trennen und zweitens mit Hilfe eines Beraters oder durch eigene Recherche herausfinden, ob Ihr Produkt Potenzial hat. Inzwischen ist es möglich, den Agenten für die Registrierung und den Distributor zu trennen. Das heißt natürlich im Umkehrschluss, dass Sie vielleicht die Kosten für die Registrierung selbst tragen, aber dafür Hoheit über die Zertifikate haben. Und wie immer gilt: Man muss in China Ressourcen und Zeit investieren.
Wie nähert sich ein neues Unternehmen dem Markt an?
Oft ist der erste Schritt: Sie verkaufen direkt, etwa aus Deutschland heraus, an einen Distributor, und die Rechnungslegung läuft von Deutschland nach China. Hierbei verfügen Sie natürlich über am wenigsten Einsicht, was hinter den Kulissen passiert. Die zweite Option, und sehr beliebt bei unseren Kunden, ist der Verkauf über Hongkong. Sie verkaufen zwar noch immer nicht direkt in China, sondern weiter über einen Distributor, aber durch eine lokale Präsenz gewinnen Sie an Glaubwürdigkeit und können bessere Preise erzielen. Hongkong bietet auch steuerliche Vorteile, aber das Hauptargument ist sicherlich, dass sich die Abwicklung über Hongkong deutlich effizienter gestaltet. Sogar Firmen mit Niederlassung in China verkaufen oft weiter über Hongkong, und die Tochtergesellschaft in China übernimmt dann zum Beispiel den Import und After-Sales-Service.
Was sehen sie als wichtige Trends und Treiber des Marktes?
Compliance. Die Anti-Korruptions-Kampagne der chinesischen Regierung läuft weiterhin auf Hochtouren und versucht die Korruption zurückzutreiben. Dies hat auch große Auswirkungen auf den Pharma- und Medizintechniksektor. So wird derzeit versucht, das Ausschreibungsverfahren transparenter zu machen – zwar mit mäßigem Erfolg, aber immerhin ein Fortschritt. Darüber hinaus gibt es aus unserer Sicht noch eine weitere nennenswerte Entwicklung: das neue Two-Invoice-System. Bis zum Endkunden dürfen in Zukunft maximal zwei Rechnungen gelegt werden. Dadurch werden Subdistributoren aus dem Markt gedrängt, welche die Preise bisher in die Höhe getrieben haben. Für europäische Firmen ist dies von Vorteil, da deren Produkte nun günstiger zum Endkunden gelangen werden. Gerade Unternehmen ohne Direktvertrieb können davon profitieren, weil nun weniger Raum für Korruption bleibt.
Fiducia unterstützt seit mehr als 30 Jahren internationale Firmen in ihren China-Aktivitäten. Was ist wichtig, um in China beruflich erfolgreich zu sein?
Sie sollten vorab eine klare Eintrittsstrategie festlegen und diese dann konsequent umsetzen. Hierfür ist es kritisch, die nötigen Ressourcen zu investieren, vor allem Zeit. Zusätzlich müssen Sie sich auch der chinesischen Mentalität anpassen und Ihre Ideen der Unternehmensführung und -kultur klar kommunizieren sowie vorleben. Wenn Sie sich an diese einfachen Ratschläge halten, haben Sie bereits wichtige Schritte zum ersehnten Erfolg in China getan.
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