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Schuldenberg im Land der Götter

Wachstumseinbruch: Griechenland ist auch für die Medtech-Branche zum Sorgenkind geworden
Schuldenberg im Land der Götter

Schuldenberg im Land der Götter
(Bild: refresh(PIX)/stock.adobe.com)
Asklepios blickt traurig vom Olymp herab und schüttelt das bärtige Haupt: Was haben die Sterblichen nur aus dem Land der Götter gemacht? Häufen Milliardenschulden an und wollen sich nicht an EU-Spielregeln halten. Griechenland ist auch für die Medtech-Branche ein Sorgenkind.

Die Zahlen waren vielversprechend. Allein zwischen 2005 und 2009 wuchs der griechische Markt für Medizintechnik jährlich um etwa 13 %. Und da das Land am Peloponnes fast alle benötigten Branchenprodukte importiert, ergaben sich interessante Perspektiven für ausländische Hersteller – ganz besonders, wenn deren Produkte das Siegel „Made in Germany“ tragen. 15 % der nach Griechenland eingeführten Medizintechnik sind deutscher Provenienz.

Ein interessanter Markt. Daher plante Bayern International, die Bayerische Gesellschaft für Internationale Wirtschaftsbeziehungen in München, ab 2008 auch eine erste gemeinsame Beteiligung bayerischer Firmen aus den Bereichen Medizintechnik und medizinische Dienstleistungen für die Medic Expo in Athen 2010. „Als wir die Messe ins Programm aufgenommen haben, haben uns dann zeitgleich und danach die Negativ-Schlagzeilen ereilt“, sagt Torsten Wagner, Messe-Referent für den Bereich Medizintechnik, Health Care und Life Science.
Das Land der Griechen vor dem Staatsbankrott. Geschönte Zahlen und Milliardenschulden – nicht zuletzt bei den Herstellern von Medizintechnik. Martin Knapp, der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen, sprach gegenüber dem Manager Magazin von Außenständen der Krankenkassen und staatlichen Stellen bei Unternehmen in Höhe von 6,2 Mrd. Euro im Sommer 2009. Tendenz weiter steigend. Hinzu kommt, dass der öffentliche Sektor bei der Beschaffung von Medizintechnik europäische Spielregeln missachtet. Immer wieder weisen Krankenhäuser CE-zertifizierte Angebote zurück und verstoßen damit gegen geltendes EU-Recht. Die Europäische Kommission hat daher den Europäischen Gerichtshof darum ersucht, Griechenland eine Strafe von täglich rund 7000 Euro aufzuerlegen – und zwar zurückdatiert auf ein Urteil im März 2009.
Griechenland war im Gesundheitsbereich auf einem guten Weg, jetzt heißt es: Sparen. Das gilt nach Angaben von Germany Trade and Invest (GTAI), der Bundesgesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, nicht nur für den öffentlichen Bereich: Auch der private Gesundheitssektor halte sich bei den Investitionen zurück, um gesunkene Patientenzahlen und niedrige Behandlungspreise zu kompensieren. Im Vergleich zum Vorjahr schrumpfte der Markt für Medizintechnik 2009 um 6,7 % auf ein Volumen von knapp 850 Mio. Euro. Neue Vorhaben, die der Branche Impulse bringen könnten, sind laut aktuellem GTAI-Bericht kaum geplant. Dabei besteht Investitionsbedarf, viele Hospitäler sind veraltet, es fehlt Personal und oft mangelt es sogar an der medizinischen Grundausstattung. „Ersichtlich sind die Probleme im ganzen Land, in einigen abgelegenen Regionen ist jedoch nicht einmal die Grundversorgung der Patienten gewährleistet“, konstatiert die GTAI.
Vielen Kranken nützt es da wenig, wenn die nackten Zahlen gar nicht so schlecht aussehen. So gab es laut OECD-Bericht in den vergangenen zehn Jahren in Griechenland ein starkes Wachstum, was die Verfügbarkeit modernerer Diagnosetechnik anbelangt. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind hier beispielsweise mehr Computertomographen oder Magnetresonanztomographen installiert als im OECD-Durchschnitt. Bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren liegen die elf Millionen Hellenen gut im Rennen – und mit sechs praktizierenden Ärzten pro tausend Einwohner ist Griechenland sogar OECD-Spitzenreiter. Der Gott der Heilkunst könnte sich freuen, müsste er nicht aufs Pflegepersonal verzichten – denn das ist rar.
Mit einem Anteil von 40 % sind die privaten Gesundheitsausgaben vergleichsweise hoch. Im privaten Bereich erkennt Martin Knapp, der Chef der Deutsch-Griechischen IHK, denn auch die besten Chancen. Hier sei das Risiko überschaubar, der Staat habe kein Geld. Deutsche Medizintechnikanbieter bedienen den griechischen Markt in der Regel über Händler oder Distributoren. So auch die Otto Bock HealthCare GmbH. Beim Spezialisten für Technische Orthopädie sieht man Griechenland aufgrund der volkswirtschaftlichen Situation als eine Herausforderung. Mittelfristige Prognosen schienen derzeit unsicher, heißt es in Duderstadt.
Neben Problemen mit der Zahlungsmoral erkennt Fresenius Medical Care die bürokratischen Hürden als Hindernis. Für den Dialysespezialisten aus Bad Homburg ist daher der private Bereich zunehmend interessant. „In Griechenland wächst die Zahl privater Dialysezentren, mit denen wir umfassende und langfristige Vereinbarungen treffen können, weil wir dabei nicht an die Ausschreibungsmodalitäten des Griechischen Staats gebunden sind“, teilt das Unternehmen mit. Es vertreibt seine Dialyseprodukte über einen exklusiven Distributor.
Götter können bekanntlich Wunder wirken. Vielleicht hatte ja Asklepios seine Hand im Spiel, als die National Bank of Greece Ende 2010 eine Schenkung über 30 Mio. Euro an das staatliche Evangelismos-Hospital in Athen unterzeichnete. Und bewog göttliche Einsicht die griechische Regierung im vergangenen Jahr dazu anzukündigen, wie sie den Schuldenberg der öffentlichen Krankenhäuser abtragen will? Doch Gottes Mühlen mahlen langsam, und bei Bayern International ist nach dem mäßigen Erfolg beim zweiten Anlauf 2011 fürs Erste kein weiterer Auftritt auf der Medic Expo geplant. Torsten Wagner zeigt sich aber verhalten optimistisch. „Es gibt einiges an Strukturumwandlungsprozessen, und wenn die greifen, gibt es hier wieder ein großes Potenzial.“

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