Herr Schmidl, Österreich gilt als interessanter Standort für internationale Unternehmen aus dem Bereich der Life Sciences. Worauf führen Sie das zurück?
Es ist das ganze Klima, das die Unternehmen hier vorfinden. Das reicht von wirtschaftsorientierten Rahmenbedingungen über staatliche Unterstützungsmaßnahmen für Forschung und Entwicklung in steuerlicher Hinsicht und in der Projektfinanzierung bis hin zu den Clustern: Sie stellen die Interaktion zwischen den Betrieben und zwischen Betrieben und Forschungseinrichtungen sicher. Es geht ja nicht darum, punktuell ein Förderprogramm auf die Beine zu stellen, sondern ich brauche ein Gesamtpaket. Das ist wie ein Puzzle: Wenn mir da ein Stück fehlt, dann nutzt es nichts.
Wie sehen die Anreize für Forschung und Entwicklung aus?
Die Forschung wird bei uns auf zwei Ebenen gewürdigt: einmal auf der steuerlichen Ebene mit einer Forschungsprämie von 14 Prozent. Das heißt, dass Sie von der Summe, die Sie für Forschung und Entwicklung ausgeben, im Folgejahr 14 Prozent vom Finanzamt refundiert bekommen. Diese Prämie ist unabhängig vom Gewinn. Zu den Forschungsaufwendungen zählen auch Personalkosten oder Immobilien – alles, was mit der Forschung zu tun hat.
Und was ist der zweite Anreiz?
Wenn Sie als österreichisches Unternehmen innerhalb der Europäischen Union einen Forschungspartner haben, bekommen Sie 14 Prozent dieser Aufwendungen – begrenzt bis zu einer Million Euro – ebenfalls refundiert. Das ist die steuerliche Würdigung, parallel dazu gibt es die so genannte projektbezogene Förderung. Und wir erheben keine Gewerbesteuer. Die einzige Steuer auf Gewinne ist die Körperschaftssteuer mit 25 Prozent. Wir haben auch eine Zuzugsregelung für ausländische Forscher: Sie erhalten einen auf fünf Jahre befristeten Freibetrag von 30 Prozent auf in- und ausländische Einkünfte aus der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Womit kann Österreich sonst noch bei ausländischen Investoren punkten?
Das alles würde nichts nützen, wenn wir nicht so eine gute Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hätten. Die Bereitschaft der Forschungseinrichtungen, mit der Wirtschaft zu kooperieren, ist ausgeprägt. Die Universitäten sind bei uns selbstständig, sie erhalten einen gewissen Sockelbetrag von der Republik, den Rest müssen sie in Form der Drittmittel einwerben. Das ist der eine Vorteil. Der zweite Vorteil ist, dass wir mit den Höheren Technischen Bundeslehranstalten einen besonderen Schultypus haben. Da fangen die Buben und Mädeln mit 15 Jahren an und wenn sie dann mit 19 das Abitur machen, sind sie fix-fertige Ingenieure. Das ist genau der Mittelbau, den die Unternehmen benötigen: Sie haben einen kontinuierlichen Zufluss an Personal.
Welche Rolle spielen die eingangs erwähnten Cluster?
In Österreich gibt es vier Medizin-Cluster, darunter einen sehr starken Medizintechnik-Cluster in Oberösterreich mit 194 Mitgliedern, darunter elf deutschen Partnern. Die arbeiten grenzüberschreitend und sind sehr innovativ und kreativ. Das wichtigste Merkmal der Cluster besteht darin, dass sie die Betriebe aktiv zueinander führen und auch die Kontakte zu den Forschungseinrichtungen herstellen.
Was sollten ausländische Unternehmen beachten, wenn sie in Österreich eine Niederlassung gründen wollen?
Ich kann nur wirklich jedem raten, vorsichtig und klein zu beginnen und dann organisch zu wachsen. Das Wichtigste ist, dass man versucht, die österreichische Mentalität und den Geschäftsverkehr zu verstehen. Man kennt Österreich vom Urlaub, das heißt aber noch lange nicht, dass ich die Geschäftsusancen kenne. Das ist hier viel persönlicher, man redet mehr miteinander, man will den anderen kennenlernen, damit eine Vertrauensbasis hergestellt wird. Die persönliche Beziehungspflege ist das A und O, nicht nur in Österreich. Das ist genauso in Tschechien, in der Slowakei, in Ungarn und am Balkan noch viel ausgeprägter.
Apropos: Österreich gilt als Drehscheibe nach Südosteuropa. Wie schätzen Sie das ein?
Wir haben eine wachsende Bevölkerung, vor allem durch Zuzug aus den ehemaligen Monarchiegebieten. Und damit haben wir nicht nur die sprachliche Kompetenz, man versteht hier auch die Mentalität und die Kultur dieser Länder. Wenn Betriebe diese Märkte bearbeiten wollen, dann finden sie in Österreich das passende Personal.
Wie unterstützt die Austrian Business Agency interessierte Unternehmen aus der Medizintechnik-Branche?
Wir strukturieren mit dem Unternehmer alle Schritte, die notwendig sind, um seine Idee in Österreich umzusetzen. Wir organisieren, wir koordinieren und wir moderieren alle Termine. Unsere Dienstleistungen sind immer kostenfrei. Die Beratungen, die ich durchführe, sind meist interkulturell: Wie geht man in Österreich miteinander um, wie bahne ich Geschäfte an, wie sind die Netzwerke in Österreich strukturiert, wie komme ich in die Netzwerke hinein, wie kann ich diese nützen? Mir ist es am liebsten, wenn wir bereits in der Frühphase der Gedankenbildung mit eingebunden werden, weil wir den Unternehmer dann so leiten können, dass er nicht in eine Sackgasse gerät.
Wie könnte so eine Sackgasse aussehen?
Wenn ich die falschen Rechtsberater erwische, die nur genau das machen, wofür sie beauftragt worden sind. Das wird immer mehr, dass Firmen hier eine Niederlassung gründen und nachher haben sie Schwierigkeiten mit der Behörde, weil sie die österreichischen Systeme nicht verstanden haben. Wir machen eine Gesamtberatung. Wir kennen die Systeme hier, wir kennen die Denkweise, und wir kennen das deutsche System.
Wie viele Firmen begleiten Sie im Jahr auf ihrem Weg nach Österreich?
Meine Kollegen und ich begleiten im Jahr 100 bis 130 deutsche Firmen bei der Ansiedelung in Österreich.
Sie kennen den Markt für Medizintechnik seit vielen Jahren: Wie hat er sich verändert?
Es ist viel offener geworden, aufgeschlossener. Früher haben die Betriebe sich abgeschottet, waren nicht bereit, mit anderen zu kooperieren oder gemeinsam zu entwickeln: Das hat sich gewandelt. Und die Spirale dreht sich immer schneller. Die Wissenschaft muss helfen, gemeinsam mit den Betrieben Lösungen zu finden. Sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen – die Zeiten sind vorbei.
Weitere Informationen
2016 begleitete ABA – Invest in Austria 319 internationale Unternehmen bei der Ansiedlung in Österreich. Diese investierten 705 Mio. Euro und schufen mehr als 2600 Arbeitsplätze. Die Austrian Business Agency sowie die Medizin-Cluster sind vom 13. bis 16. November auf der Medica in Düsseldorf.