Die Corona-Krise beeinflusst auch in Österreich das Leben vieler Menschen. Ein wichtiger Bereich, der davon betroffen ist, sind Arztbesuche. Termine werden verschoben, wenn es keine Notfälle sind. Oder die ärztliche Betreuung findet vermehrt über (Video-)Telefonate statt. Hilfe bei der Betreuung von Diabetikern bietet beispielsweise die Tagebuch-App Mysugr des Wiener Start-Ups Mysugr GmbH: Blutzuckerwerte können in die App manuell eingegeben werden, mit manchen Blutzuckermesssystemen funktioniert die Übertragung der Werte sogar automatisch. Zusätzlich ist es möglich, weitere Gesundheitsdaten spielend leicht auf dem Smartphone zu erfassen und als PDF per E-Mail mit dem behandelnden Arzt zu teilen, der die Therapie entsprechend anpasst. Wegen der einfachen Bedienbarkeit kommt die App auch bei älteren Menschen gut an. Ein Markt, den das Unternehmen, das inzwischen zur Roche- Gruppe gehört, im Blick hat.
Staatliche Förderung für Start-ups
Die Gesundheitsindustrie steht in Österreich, wie in anderen europäischen Ländern auch, vor zahlreichen Herausforderungen. Sei es der Wandel der Gesellschaft, die Digitalisierung, der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen oder der Klimawandel und nicht zuletzt die Corona-Pandemie – mit seiner Lage im Herzen Europas hat sich der österreichische Life-Science-Sektor in den letzten Jahren aber zu einem wichtigen Akteur im globalen Wettbewerb entwickelt.
Was das Alpenland zu einem interessanten Standort für die Gesundheitsindustrie macht, sind die enge Verknüpfung von akademischer Forschung und medizinischer Praxis, der Zugang zu qualifizierten Beschäftigten in Wissenschaft und Industrie, eine aktive Start-up-Community. Aber auch ein effektives staatliches Fördersystem für Unternehmen und eine Clusterpolitik, die die Kooperation der Wirtschaft mit einer Vielzahl von innovativen Köpfen in unterschiedlichen Forschungseinrichtungen unterstützt.
Nach Angaben des Life Science Report Austria 2021 von der AWS Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH, Wien, waren 2021 über 980 Unternehmen in den Bereichen Medizintechnik sowie Biotechnologie und Pharma tätig. Neben Ausgaben für neue Werke investiert die Branche vor allem in Forschung und Entwicklung.
Forschungskompetenz und Spezialisierung auf Nischen
Die starke wirtschaftliche Entwicklung der Life Sciences in Österreich wird durch ein dichtes Netz an international anerkannter Forschungskompetenz unterstützt. Insgesamt arbeiten an 17 Universitäten, 13 Fachhochschulen und 25 außeruniversitären Forschungsinstituten mehr als 24 000 Beschäftigte in den Life Sciences und bilden damit das innovative Fundament des österreichischen Life-Science-Sektors.
Die österreichischen Medizintechnikunternehmen haben sich zumeist auf Nischen spezialisiert und weisen, auch aufgrund des kleinen Binnenmarktes, sehr hohe Exportquoten von bis zu 98 % auf. Die Mehrheit der Hersteller sind KMU, ihre Tätigkeitsfelder sind vielfältig: Sie reichen von Blutzuckertests bis zu Rollstühlen, von CT-Scannern bis zu Spritzen – Medizintechnikunternehmen in Österreich finden sich in allen Fachbereichen des Gesundheitswesens. Zu ihnen gehört beispielsweise der Spezialist für Hörimplantate, Med-EL Elektromedizinische Geräte Gesellschaft m.b.H. in Innsbruck. Aber auch internationale Konzerne nutzen den starken Forschungs- und Entwicklungsstandort Österreich und profitieren vom Know-how der gut ausgebildeten Fachkräfte sowie von der Nähe zum osteuropäischen Markt. Die Ottobock SE & Co. KGaA, die in Wien an Hightech-Prothesen arbeitet, wie auch die Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA, die ebenfalls in Wien ihr F&E-Zentrum eröffnet hat, sind seit Jahren im Alpenland aktiv.
E-Health-Akzeptanz wächst in der Pandemie
Der Marktzugang ist vor allem für deutsche Unternehmen einfach, da keine Sprachbarriere besteht und Österreich Mitglied der Europäischen Union ist. Ein großer Treiber der Entwicklung ist die Digitalisierung, die zu neuen Produkten und neuen Businessmodellen führt. Etwa die Hälfte der Newcomer ist in diesem Segment tätig, und Start-ups wie Mysugr machen international von sich reden.
Die Covid-19-Pandemie hat aber nicht nur die Entwicklung und den Einsatz neuer Digital-Health-Lösungen vorangetrieben. Sie hat auch gezeigt, wie wichtig digitale Strukturen sind, damit Unternehmen handlungs- und zukunftsfähig bleiben. Den so ausgelösten Digitalisierungsschwung hat Austromed, die Interessensvertretung der österreichischen Medtech-Unternehmen, nun zum Anlass genommen, den Themenkomplex E-Health genauer zu beleuchten. Datensicherheit, Cybersecurity, Arbeitsplatz- und Patientensicherheit stehen an oberster Stelle. Weitere Trends sind der Einsatz von Virtueller Realität, KI, Biosensoren und Wearables.
Task Force soll helfen, Diga zu finanzieren
Austromed-Präsident Gerald Gschlössl ist sich sicher: „So schrecklich die Pandemie auch ist, sie hat bestimmte Entwicklungen beschleunigt, insbesondere im Bereich Digitalisierung. Ich glaube, dass diese Entwicklung nachhaltig ist, denn die Patienten wollen nicht mehr zurück in die Zeit der Zettelwirtschaft. Wir müssen uns als Industrie und Handel an diese Wünsche anpassen.“ Dazu hat die Interessengemeinschaft eine Task Force Digitalisierung gegründet, so der Leiter Marketing und Vertrieb bei Lohmann & Rauscher Österreich. Die Gruppe erarbeitet unter anderem gemeinsame Positionen zur Finanzierung von digitalen Gesundheitsanwendungen, wie zum Beispiel Apps auf Rezept. Gschlössl: „Österreich hat die Chance, mit einem transparenten und planbaren Finanzierungsprozess eine international führende Stellung in der Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen einzunehmen.“
Weitere Informationen zum Austria Wirtschaftsservice: www.aws.at
Österreichs Life-Science-Industrie in Zahlen
Mit 982 Unternehmen, die in den Bereichen Biotechnologie, Pharma oder Medizinprodukte tätig sind, sind die Life Sciences ein wichtiger und stetig wachsender Teil der österreichischen Wirtschaft. Im Jahr 2020 waren 7 % mehr Unternehmen in Österreich ansässig als noch 2017. Diese Unternehmen waren für einen Umsatz von 25,1 Mrd. Euro verantwortlich. Gegenüber 2017 stieg der Umsatz deutlich um 12,1 %. Die Life-Science-Unternehmen beschäftigen auch einen großen Teil der österreichischen Arbeitskräfte. Im Jahr 2020 verdienten mehr als 60 000 Menschen ihren Lebensunterhalt in einem österreichischen Life-Science-Unternehmen, was einen Anstieg von 8,9 % im Vergleich zu 2017 bedeutet.
Die Life-Science-Branche in Österreich ist breit gefächert und besteht im Wesentlichen aus den zwei Teilsegmenten Biotechnologie und Pharma (405 Unternehmen) sowie Medizinprodukte (577 Unternehmen). Die Biotechnologie- und Pharmabranche erzielte im Jahr 2020 einen Umsatz von 16,03 Mrd. Euro, während der Umsatz in der Medizinprodukteindustrie bei 9,03 Mrd. Euro lag.
Quelle: Life Science Austria Report 2021
Medtech-Cluster in Österreich
Life Science Austria (Lisa)
Die Plattform ist Anlaufstelle für die branchenspezifische Unternehmens- und Projektförderung und Werkzeug der österreichischen Technologiepolitik & Standortförderung.
www.lifescienceaustria.at
Lisavienna
Rund 480 Unternehmen in Wien sind überwiegend in Biotech, Pharma und Medtech tätig. Lisavienna unterstützt dabei, Produkte, Dienstleistungen und Verfahren zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Cluster Life Sciences Tirol
74 Unternehmen, Institutionen und Hochschulen mit über 23 000 Mitarbeitern in den Betrieben nutzen den Cluster Life Sciences Tirol. Sie decken die Technologiefelder Biotechnologie, Pharma, Medizintechnik, Dienstleistungen, Forschung & Bildung ab.
Human.technology Styria
Rund 80 Partnerorganisationen des Humantechnologieclusters rücken die Kompetenzfelder pharmazeutische Verfahrens-, Prozess- und Produktionstechnologien, biomedizinische Sensortechnologien & Biomechanik sowie Biobank & Biomarkertechnologien ins Zentrum.
www.humantechnology.at
Medizintechnik-Cluster (MTC)
Der Cluster der oö. Wirtschaftsagentur Business Upper Austria ist mit rund 230 Partnern zentrale Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Medizin und Wissenschaft in Oberösterreich.
www.medizintechnik-cluster.at
Technopol Krems
Internationales Zentrum für Gesundheitstechnologien mit den Standorten Campus Krems und TFZ – Technologie und Forschungszentrum Krems.
www.ecoplus.at