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In Kanada ist hochwertige Medizintechnik gefragt

Marktentwicklung in Kanada
Kanada: Nachfrage nach hochwertiger Medizintechnik für ein weites Land

Verglichen mit den USA ist Kanadas Markt für Medizintechnik eher klein: Doch er wächst seit Jahren. Europäische Hersteller können sich durch das Freihandelsabkommen CETA günstiger und schneller positionieren.

Bettina Gonser
Freie Journalistin in Stuttgart

Per Flugzeug zum Facharzt: Für viele Patienten in Kanada ist das kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Das zweitgrößte Land der Erde ist ein Flächenstaat. 70 Prozent der 37 Millionen Kanadier leben in einem schmalen Streifen entlang der Grenze zu den USA. Der Rest verteilt sich auf die ganze Weite des Territoriums.

Es sei schwierig, überall eine gute ärztliche Versorgung anzubieten, sagt Yvonne Denz, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer in Toronto. Doch selbst in Toronto müsse man mitunter lange auf einen Termin beim Spezialisten warten. „MRT-Geräte laufen 24 Stunden am Tag: Wundern Sie sich nicht, wenn Sie einen Termin nachts um zwei bekommen.“

Kanada hat ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem, das die medizinisch notwendigen Behandlungen abdeckt. Private Versicherungen kommen unter anderem für Medikamente, Zahnbehandlungen oder Zusatzleistungen wie Akupunktur auf. Nachdem jahrelang nur geringe Investitionen getätigt wurden, soll es nun einen Schub nach vorne geben.

Vorschriften in Kanada bremsen E-Health aus

2018 ist der kanadische Markt für Medizintechnik das dritte Jahr in Folge gewachsen. Von 2016 auf 2017 gab es einen Zuwachs um knapp 8 % auf 7,1 Mrd. US-Dollar. Die Gesundheitsausgaben machen inzwischen rund 11,5 % am Bruttosozialprodukt aus. Pro Einwohner lagen sie zuletzt bei 4753 US-Dollar, knapp halb so hoch wie beim Weltmeister USA.

Wo der Weg zum Arzt oft zur Herausforderung wird, sind virtuelle Sprechstunden gefragt. Auch lange Wartezeiten beleben das Interesse an E-Health und Telemedizin – doch anders als in den USA kommt der technologische Fortschritt in Kanada nur gemächlich voran. Bestehende Regelungen und Vorschriften könnten die Einführung intelligenter Gesundheitstechnologien verlangsamen oder sogar unterdrücken, konstatiert eine Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos.

Zudem stellen die Provinzen, bei denen die Versorgungspflicht und das Management der Gesundheitsleistungen liegen, nach Einschätzung der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest bislang noch wenige bis keine Mittel für telemedizinische Angebote zur Verfügung. Yvonne Denz dämpft zu hohe Erwartungen allgemein: So habe die neue Provinzregierung Ontario – der bevölkerungsreichsten Provinz – einen strengen Sparkurs verordnet, auch bei Healthcare. „Es gibt immer noch gute Chancen, aber in Ontario würde ich momentan nicht so viel an konkreten Projekten erwarten.“

Freihandelsabkommen mit Kanada erleichtert den Markteinstieg

Für exportierende Unternehmen gilt Kanada trotzdem als insgesamt interessanter Markt. Die alternde Gesellschaft führt zu einem steigenden Bedarf an medizinischen Leistungen. Und obwohl die heimische Produktion von Medizintechnik (2017: plus 15 %) schneller wächst als die Importe (plus 4,5 Prozent), kauft das Land derzeit noch 75 % der benötigten Medizintechnik im Ausland ein.

Rund 42 % aller Einfuhren kommen aus den USA. Deutschland lag 2017 mit 4,5 % auf Platz vier hinter China und Mexiko. Durch das 2016 zwischen Kanada und der EU unterzeichnete Freihandelsabkommen CETA können sich europäische Unternehmen günstiger und schneller am Markt positionieren.

Hersteller, die nach Kanada exportieren, profitierten nicht nur von der Abschaffung von Zöllen, erklärt Dr. Markus Keussen, Geschäftsführer des Tuttlinger Medizintechnikunternehmens Simeon Medical. Sie könnten sich direkt auf öffentliche Aufträge bewerben, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Provinzen und Kommunen. „Doppelte Prüfverfahren für Waren, langwierige Zollverfahren und hohe Rechtskosten fallen weg, was Zeit und Geld spart.“

Nur noch Zertifizierungen nach dem MDSAP-Stadard

Keussen sieht Kanada als reifen, technologisch fortgeschrittenen Markt, der hochwertige Medizinprodukte nachfragt. Die Simeon Medical GmbH & Co. KG vertreibt ihre Produkte für die OP-Ausstattung – wie LED-Leuchten, Tragarm- und Kamerasysteme oder OP-Tische – über die US-Vertriebsgesellschaft Simeon Medical USA sowie eine regionale Vertretung.

Die vor kurzem erfolgte Zertifizierung nach dem Medical Device Single Audit Program (MDSAP) ermöglicht dem Unternehmen auch in Zukunft den Zugang zum kanadischen Markt: „Sie geht deutlich über jene der europäischen DIN EN ISO 13485 hinaus“, sagt Keussen.

Seit Januar 2019 akzeptiert Kanada für die Beantragung oder Verlängerung der Zulassung von Medizinprodukten nur noch Zertifizierungen nach dem MDSAP-Standard. Der Vorteil: Hersteller können im Rahmen eines QM-Audits die regulatorischen Anforderungen der teilnehmenden Länder Kanada, USA, Australien, Brasilien und Japan zusammenzufassen. Der Nachteil: Alle nationalen Anforderungen der fünf Teilnehmerländer müssen vom Zertifizierungsbereich abgedeckt sein.

„Der durch CETA erhoffte erleichterte Markteintritt erlebt durch MDSAP einen Dämpfer – insbesondere für KMU aus der Medizintechnikbranche“, sagt Claudia Röttger-Lanfranchi, die Geschäftsführerin der Wilamed GmbH. Das Unternehmen aus dem mittelfränkischen Kammerstein, Hersteller von medizinischen Geräten und Zubehör für die invasive und nicht-invasive Beatmung, arbeitet mit einem Händlernetzwerk aus Ontario zusammen.

Vorhandene FDA-Zertifizierung erleichtert den Markteintritt in Kanada

Als Importmarkt mit steigenden Gesundheitsausgaben bleibe Kanada für europäische Hersteller interessant, sagt Röttger-Lanfranchi: „Auf der anderen Seite zeigen sich viele Unternehmen angesichts des relativ kleinen Marktes und des Wettbewerbspreisdrucks zurückhaltend, den Schritt in den kanadischen Markt zu wagen.“ Auch Hürden bei der Einführung neuer Produkte spielten eine Rolle.

Kanadas regulatorische Anforderungen für Medizinprodukte ähneln denen der FDA. Mit der neuen Medical Device Regulation seien auch in Europa strengere Anforderungen aufgekommen, etwa hinsichtlich des Risikomanagements und der Unique-Device-Identification, sagt Dr. Matthias Schier, Geschäftsführer des Medizintechnik-Netzwerks Forum Medtech Pharma in Nürnberg: „Hersteller, die bereits nach der FDA zertifiziert sind oder der MDR Folge leisten, haben eine gute Basis für den Markteintritt in Kanada.“

Positiv sieht Schier unter anderem die offene Entwicklungs- und Erprobungskultur: Der Fokus auf Forschung und Entwicklung schaffe gute Rahmenbedingungen für klinische Studien. Gleichzeitig gelangten Produkte frühzeitig in die Anwendung. „Im Vergleich zum europäischen Markt gibt es jedoch eine erhöhte Anzahl an Rückrufen“, betont Schier. Die Haftung sei aber herstellerfreundlicher geregelt als im Nachbarland: „Klagen in Millionenhöhe wie in den USA sind in Kanada kaum zu befürchten.“

Kontakt zum Serviceanbieter:

Deutsch-Kanadische Industrie und Handelskammer
480 University Avenue, Suite 1500
Toronto, ON M5G 1V2, Canada
Tel.: +1 (416) 598–3355
Mail: info.toronto@germanchamber.ca


Weitere Informationen

Zur AHK Kanada:

www.kanada.ahk.de

Zum Hersteller Simeon Medical:

www.simeonmedical.com

Zum Hersteller Wilamed:

www.live.wilamed.de

Zum Forum Medtech Pharma:

www.medtech-pharma.de

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