Das kleine Irland beeindruckt mit einem starken internationalen Medizintechnik-Cluster. Dr. Barry Heavey von der irischen Wirtschaftsförderungsagentur IDA Ireland erklärt, weshalb sein Land bei ausländischen Investoren so beliebt ist.
Herr Dr. Heavey, Irland ist nur ein kleines Land, aber es produziert Medizinprodukte für den Weltmarkt. Führende Medizintechnikunternehmen haben sich angesiedelt. Was macht Irland zum interessanten Standort?
US-Unternehmen investieren gerne in Irland, weil wir ein englischsprachiges Mitglied der Euro-Zone sind, zudem haben wir sehr gut ausgebildete und flexible Arbeitskräfte. Unternehmen wissen es auch zu schätzen, dass Irland offen gegenüber dem internationalen Geschäft ist: Wir versuchen, es ihnen so einfach wie möglich zu machen, sich hier zu entwickeln. Und wir haben einen sehr wettbewerbsfähigen Körperschaftssteuersatz von 12,5 Prozent.
Welche Vorteile bringt es für internationale Medizintechnikunternehmen, vor allem aus der Europäischen Union, in Irland zu produzieren?
Irland ist ein attraktiver Standort für europäische Unternehmen, weil wir ein großes Cluster auf engem Raum haben. Es gibt fast 300 Medizintechnikunternehmen im Land. Das Cluster besteht aus großen Unternehmen aus Übersee und auch kleinen irischen Unternehmen. Wir haben unter anderem sehr erfahrene Manager, Ingenieure, Geschäftsleute oder Juristen, die die Medizinprodukte-Industrie auf globaler Ebene sehr gut verstehen. Eine Firma, die international expandieren will, kann hier viele gute, erfahrene Leute finden und sich sehr gut mit anderen Unternehmen vernetzen. Iren reden gerne, das ist ideal fürs Networking. Irland hat auch einen sehr guten Ruf für Null-Fehler-Fertigung und exzellente operative Leistungen.
Wie leicht oder schwer ist es für EU-Unternehmen, in Irland eine Produktionsstätte einzurichten? Wo gibt es Unterstützung?
IDA würde behaupten, es ist relativ leicht, eine Produktion in Irland zu etablieren. Wir müssen das sagen, nicht wahr? Aber wir helfen auch wirklich. IDA ist einer der größten Grundbesitzer in Irland, und wir können Unternehmen beim Erwerb von Immobilien – von uns oder anderen Anbietern – beraten. Wir bauen moderne Fabriken und unterstützen Unternehmen dabei, Produktionsstätten und komplette R&D-Teams aufzubauen. Wir können ihnen bei Fragen rund um Zulassungen oder Baugenehmigungen behilflich sein oder auch dabei, sich mit anderen Unternehmen zu vernetzen. Eine andere Regierungsbehörde, die viel mit Medizintechnik zu tun hat, ist die National Standards Authority of Ireland, NSAI. Sie ist auch die nationale Zertifizierungsstelle für die CE-Kennzeichnung. Wir können Unternehmen mit Universitäten zusammenbringen, die Know-how in der Medizintechnik haben, so gibt es etwa in Galway ein Forschungszentrum für Medizintechnik, das Cúram-Zentrum. Die Irish Medical Device Association, IMDA, ist auch ein guter Ansprechpartner für Unternehmen.
Die USA sind der führende Hersteller von Medizinprodukten in Irland. Wo liegen die Chancen für EU-Produzenten?
Wenn EU-Unternehmen nach Irland kommen, stärkt dies das Cluster und auch die EU-Unternehmen, weil sie näher an den US-Unternehmen dran sind und netzwerken können. Und ich denke, das kann nur positiv sein. Medizintechnik ist einer unserer Schwerpunktbereiche, und je größer das Cluster wird, umso attraktiver wird es. Wir sehen eine große Chance für Business-to-Business-Zusammenarbeit zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen. Das können sowohl europäische Unternehmen sein, die ihre eigenen medizinischen Geräte – wie einen neuen Stent oder eine neue Hüfte – entwickelt haben. Oder es kann ein deutsches Maschinenbau-Unternehmen sein, das eine neue Technologie für den 3D-Druck entwickelt hat, die es vielleicht an ein US-Unternehmen verkaufen kann.
Ist es kein Problem, wenn Unternehmen auf engstem Raum zusammenkommen, die auch Wettbewerber sind?
Wettbewerb ist gut. Er wirkt sich positiv auf das Verhalten aus und steigert den Ehrgeiz. Wenn Sie ein großes, wachsendes Cluster wie das der Medizintechnik in Irland haben, können Sie die Regierungspolitik positiv beeinflussen. Ein gutes Beispiel ist das Biotechnologie-Cluster. Vor zehn Jahren hatten wir nur ein Biotech-Unternehmen, jetzt gibt es 20. Im Jahr 2006 forderte die Industrie die Regierung dazu auf, in ein Forschungs- und Ausbildungszentrum für Biotechnologie zu investieren. Und die Regierung investierte 60 Millionen Euro in den Aufbau des National Institute for Bioprocessing Research and Training, NIBRT. 2015 bildete es 4000 Menschen aus, und es wird als Hauptgrund dafür angeführt, weshalb Unternehmen weiter in Irland investieren. Wir regen jetzt ein ähnliches Zentrum für moderne Fertigung, vor allem im Bereich der Medizintechnik, an. So werden wir das Cluster stärken und weiter wachsen lassen.
Welche Produkte aus dem Ausland sind in Irland besonders gefragt?
Ein guter Teil der hochwertigen medizinischen Produkte für den irischen Markt wird hier hergestellt, wie etwa Stents, Katheter, Linsen, orthopädische Implantate oder diagnostische Verbrauchsmaterialien. Auf der anderen Seite werden größere Investitionsgüter wie diagnostische Bildgebungssysteme importiert. Aber alles in allem ist der Gesundheitsmarkt in Irland relativ klein. Interessanter sind die Importe von Unternehmen. Hersteller von Medizintechnik haben großes Interesse an fortschrittlicher Automatisierungstechnik, Robotik, moderner Fertigungstechnik wie Metall oder Kunststoff-3D-Druck oder moderner Inspektionstechnik und Lösungen für die Industrie 4.0.
Die irische Wirtschaft hat in den vergangenen zehn Jahren starke Höhen und Tiefen erlebt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in der Medizintechnik-Branche? Und was ist Ihre Prognose?
Jeder weiß, dass Irland eine enorme finanzielle Herausforderung erlebt hat. Aber in den Jahren, in denen Irland im EU-Rettungsprogramm war, hatten wir ausländische Rekordinvestitionen. Und auch im vergangenen Jahr hatten wir dies wieder. Die Wirtschaft ist 2014 um 5,2 Prozent und 2015 um 7,8 Prozent gewachsen, und die Exporte stiegen im ersten Halbjahr 2015 um 14 Prozent. Die Situation ist sehr positiv und die Prognose sehr gut. Wir werden weiterhin Investitionen in Medizintechnik dazugewinnen und wir versuchen, uns auf zwei Dinge zu konzentrieren: Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Kosten wettbewerbsfähig zu halten, und in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wir wollen sicherstellen, dass wir in Irland nicht selbstgefällig werden. Wir glauben, dass Medizintechnik, Technologie und Pharmazeutika Wachstumsbranchen sind. Irland konzentriert sich sehr auf sie. Und wenn wir konzentriert bleiben, werden wir auch wettbewerbsfähig bleiben.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
„Wir werden das Cluster stärken und weiter wachsen lassen“
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