Trotz aller Herausforderungen: Die Schweiz bleibt ein führender Markt für medizinische Technologien. Der demografische Wandel und die Zunahme chronischer Krankheiten bedingen ein gut ausgebautes Gesundheitssystem, das wiederum das Marktwachstum antreibt. Laut OECD haben die Schweizer 2022 etwa 8049 US-Dollar pro Kopf für ihre Gesundheit ausgeben. Damit belegt das Land weltweit den zweiten Platz hinter den USA und vor Deutschland.
Die Schweizer Medizintechnik zeichnet sich durch einen hohen Spezialisierungsgrad und ein traditionelles Verständnis von Präzision und Qualität aus. Die Nähe zu Start-ups, Global Playern und führenden Hochschulen machen das Land zu einem attraktiven Standort.
75 % der Medizinprodukte gehen ins Ausland
Wie der Branchenverband Swiss Medtech mitteilt, erwirtschafteten 2021 rund 67 500 Beschäftigte einen Umsatz von 20,8 Mrd. SFR. Die Branche ist stark exportorientiert: Rund 75 % der Medizinprodukte werden im Ausland verkauft. Wichtigste Zielmärkte sind die Europäische Union, die USA und Asien. Rund die Hälfte der Exporte geht in die EU. Unter den Mitgliedstaaten ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Schweizer Medtech-Industrie.
Die Schweiz ist bekannt für ihre Innovationskraft, die sich auch in der Medizintechnikbranche zeigt. Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten intensiv an neuen Technologien wie KI, Robotik und E-Health. Auch die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle: Vernetzte Geräte, elektronische Patientenakten und telemedizinische Dienstleistungen sind Beispiele dafür, wie die Digitalisierung die Branche verändert. Diese Entwicklungen bringen aber auch Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit und Datenschutz mit sich, die es zu bewältigen gilt.
Zudem führt die EU-MDR zu mehr Bürokratie und Hürden bei der Zulassung. Dies verunsichert Unternehmen beim Export von Medizinprodukten in die Schweiz. Durch das Scheitern der Verhandlungen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreements, MRA) gelten unterschiedliche Zulassungsanforderungen. Um den regulatorischen Mehraufwand zu bewältigen, suchen die Unternehmen neues Personal. Der Fachkräftemangel macht es aber auch in der Schweiz schwierig, Experten zu finden. Trotz dieser Herausforderungen bietet der Schweizer Medizintechnikmarkt viele Chancen. Die Innovationskraft und die Exportorientierung sind beste Voraussetzungen für weiteres Wachstum.
(Bild: Swiss Medtech)
NACHGEFRAGT
Seit Juni ist Adrian Hunn neuer Direktor von Swiss Medtech. Warum die Schweizer Unternehmen zu den wichtigen Global Playern gehören und welche Prioritäten der Schweizer Branchenverband setzt, erklärt Hunn im Interview.
Herr Hunn, was sind für Sie die wichtigsten Stärken der Schweizer Medizintechnik-Industrie?
Ihre lange Tradition in der Präzisionsmechanik. Sie ist eine solide Basis für die Entwicklung hochinnovativer Medizinprodukte. Zudem ihre Exportorientierung. Die Schweizer Medtech-Unternehmen müssen von Anfang an global denken, weil der Heimatmarkt klein ist. Des Weiteren unser Ausbildungssystem. Die Kombination von exzellenten Universitäten und einem dualen Bildungssystem mit Fachhochschulen sorgt für gut ausgebildete und praxisnahe Fachkräfte. Ferner Eigenschaften wie Qualitätsdenken und Zuverlässigkeit, was das Vertrauen der globalen Märkte in Schweizer Medizinprodukte und Zulieferteile stärkt. Und schließlich die Innovationskraft unseres Landes.
Können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre Prioritäten und Ziele bei Swiss Medtech geben? Welche Schwerpunkte möchten Sie in Ihrer Amtszeit setzen?
Aus Sicht Organisationsentwicklung werden ich einen Schwerpunkt darauf legen, Swiss Medtech zu einem nationalen Verband zu etablieren. In der Deutschschweiz und im Tessin sind wir gut aufgestellt. Demgegenüber müssen wir unsere Aktivitäten in der Romandie gezielt verstärken. In unserer Rolle als wichtige Akteurin im Gesundheitswesen machen wir uns prioritär stark für die Zulassung von FDA-zertifizierten Medizinprodukten in der Schweiz, damit die Patientenversorgung sichergestellt und der schnelle Zugang zu Innovationen gewährleistet ist. Als Wirtschaftsverband einer exportstarken Branche werden wir uns auf politischer Ebene mit Priorität für möglichst hindernisfreie Zugänge zu wichtigen ausländischen Märkten einsetzten.
Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für die Schweizer Medizintechnik-Branche?
Die hohe Regulierungsdichte und Komplexität ist eine der großen Herausforderungen. Nach der europäischen Medical Device Regulation (MDR) stehen bereits die Regularien zum European Green Deal, zum EU-Datenraum sowie zur Digitalisierung vor der Tür. Eine weitere Herausforderung ist die Stärkung der Lieferketten. Die Schweiz verfügt über ein großes Netzwerk von Zulieferfirmen, insbesondere im KMU-Sektor. Es ist wettbewerbsentscheidend, diese Lieferketten zu sichern und resilienter zu machen. Große Sorge bereitete zudem der Fachkräftemangel. Er zieht sich durch die gesamte Branche und betrifft akademische und produktionsnahe Berufe gleichermaßen.
Wie sieht Ihre Strategie aus, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Medizintechnik-Unternehmen auf dem globalen Markt zu stärken?
Indem wir zum Beispiel die Kernkompetenzen, welche die Schweizer Medtech-Branche auszeichnen, bekannt machen. Dazu gehört die Optimierung von Produktionsprozessen auf Effizienz. Anders könnten wir im Hochlohnland Schweiz gar nicht produzieren. Zudem setzten wir uns für internationale Standards ein. Würde die Schweiz FDA-Zertifikate anerkennen, wäre unser Land mitten in Europa ein noch attraktiverer Standort für international tätige Firmen als bisher.