Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed), Dr. Meinrad Lugan, hat bei der Vorstellung der Herbstumfrage ein abgestimmtes Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stärkung des Medizintechnik-Standorts Deutschland gefordert. Lugan verwies auf die dramatischen Kostensteigerungen und die zunehmenden regulatorischen Hemmnisse, unter denen die Innovationskraft der Medizintechnik-Branche in Deutschland leide. „Wir müssen hier insbesondere unsere KMU besser unterstützen, sonst werden mehr und mehr Produktion, Forschung und Entwicklung abwandern“, so Lugan.
Leichtes Umsatzplus, aber Gewinn und Innovationsdynamik sinken
Die Umsatzentwicklung der Medizintechnik-Branche zeigt sich nach den Ergebnissen der Herbstumfrage mit einem prognostizierten Plus von 3,3 % gegenüber dem Vorjahr zwar leicht erholt. Die Gewinne der Branche werden 2022 jedoch aufgrund steigender Kosten bei den Transport-, Rohstoff- und Energiepreisen sowie den regulatorischen Mehraufwand durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) insgesamt zurückgehen, sagt BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Dies führe zudem zu einem Rückgang der Innovationsdynamik der Branche. Der Innovationsklima-Index der Medtech-Branche ist mit 3,6 auf einer Zehnerskala auf einem Tiefstwert. An der Herbstumfrage nahmen 120 Mitgliedsunternehmen des BVMed teil.
Mehr Geld für Produktion, weniger für Forschung
Nur noch 11 % der Medtech-Unternehmen erwarten in diesem Jahr Gewinnsteigerungen. 62 % gehen von einer Verschlechterung der Gewinnsituation aus. Trotz des erheblichen Drucks auf die Branche erhöhen über ein Viertel der Unternehmen auch in diesem Jahr ihre Investitionen am Produktionsstandort Deutschland. Bei knapp der Hälfte bleibt die Höhe der Investitionen unverändert. Nur noch 18 % der befragten BVMed-Unternehmen geben an, die Investitionen in Forschung erhöhen zu können.
Fachkräftemangel und MDR belasten die Branche
Als große Stärken des Standorts Deutschland nennen die befragten Medtech-Unternehmen vor allem die gut ausgebildeten Fachkräfte sowie die gute Infrastruktur. Die Werte sind aufgrund der Krisenauswirkungen mit steigenden Kosten und des spürbaren Fachkräftemangels aber um über 10 % niedriger als im Vorjahr. Bei den größten Hemmnissen für die Unternehmensentwicklung in der deutschen Medizintechnik sind 2022 zu den zuvor dominierenden MDR-Themen die dramatischen Kostensteigerungen hinzugekommen. Weitere Faktoren sind der Fachkräftemangel und Unsicherheiten bei Zulieferern und Lieferketten.
Innovationsklima auf dem Tiefpunkt
Auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten die Unternehmen das Innovationsklima für Medizintechnik in Deutschland im Durchschnitt nur noch mit 3,6. Das ist seit BVMed-Erhebung des Indexes 2012 der absolute Tiefstwert und zeige die Dramatik der Herausforderungen für die KMU-geprägte Medtech-Branche auf, so Möll. Als innovativste Forschungsbereiche schätzen die Unternehmen die Kardiologie und die Onkologie ein.
Gute Berufsaussichten für Fachkräfte
Trotz der multiplen Krisen und dramatisch steigenden Kosten schafft die Medizintechnik-Branche in Deutschland weiter zusätzliche Arbeitsplätze. 40 % der Unternehmen, die sich an der BVMed-Herbstumfrage 2022 beteiligten, erhöhen die Zahl der Mitarbeitenden gegenüber dem Vorjahr, 43 % halten die Zahl der Stellen stabil. Die Berufsaussichten für Fachkräfte in der Medtech-Branche sind nach wie vor ausgezeichnet. 92 % der Unternehmen halten die Berufsaussichten für unverändert gut beziehungsweise besser. Gesucht werden vor allem Ingenieure, Naturwissenschaftler und Medizintechniker. Nach Bereichen betrachtet, suchen die Medtech-Unternehmen Personal vor allem im Vertrieb, in der Produktion, für Regulatory Affairs und Qualitätsmanagement. Die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind dabei auch in der Medizintechnik stark spürbar. So geben beispielsweise 53 % der Unternehmen an, dass sie Probleme haben, die offenen Stellen im Vertrieb zu besetzen.
Themen politischer Forderungen: MDR, Bewertungsverfahren und Mehrwertsteuer
Bei den politischen Forderungen der Branche stehen nach wie vor MDR-bezogene Themen klar an der Spitze. 80 % der Medtech-Unternehmen fordern einen pragmatischen Umgang des MDR-Systems mit Bestandsprodukten – beispielsweise durch Anerkennung klinischer Praxis und Registerdaten sowie Zertifikaten unter Auflagen. Neben dem vorherrschenden Thema MDR stehen auf der gesundheitspolitischen Agenda eine Verkürzung der Dauer der Bewertungsverfahren und eine generell ermäßigte Mehrwertsteuer für Medizinprodukte. Das Fazit von BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll: „Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Medizintechnik-Branche. Diese Zahlen unserer Herbstumfrage bestätigen, dass wir jetzt die im Koalitionsvertrag angekündigte Stärkung des Medizintechnik-Standorts Deutschland angehen müssen und eine Entlastung der Unternehmen von starker Bürokratie dringend benötigen.“
Zu den Ergebnissen der BVMed-Herbstumfrage: www.bvmed.de/ergebnisse-herbstumfrage2022
Kontakt zum Branchenverband:
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