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Zum Glück kam niemand zu Schaden, als 2015 in der Küche der Neonatologie des Kantonsspitals Aarau (KSA) ein Feuer ausbrach. Der Brand war schnell unter Kontrolle, doch für David Selinger, damals Vizekommandant der KSA-Betriebsfeuerwehr, war anschließend klar: Bei einem größeren Brand wäre die Evakuierung der Säuglinge ein großes Problem gewesen. Der Einsatz der so genannten Fluchthauben für die Rettung der gefährdeten Patienten und Krankenhausangestellten ist bei Kleinkindern erst ab einem Alter von rund 15 Monaten möglich. Wie aber bekommt man die kleinsten Patienten ohne Gefahr durch den Rauch?
Gemeinsam mit Kollegen entwickelte Selinger die Idee einer Rettungsbox mit einer Luftflasche für Säuglinge. Im Herbst 2018 wurde die Neorescue GmbH mit Sitz in Unterentfelden von fünf Mitarbeitern des Kantonsspitals Aarau gegründet, die der Betriebsfeuerwehr, dem Sicherheitsdienst, der Medizintechnik, der Pflege und der Schreinerei angehörten. David Selinger, selbst Vater von vier Kindern, übernahm die Funktion des CEO.
Start-up: Erfolgreich mit einem funktionierenden Netzwerk
Zur Industrialisierung der Rettungsbox setzte das Start-up auf das Know-how des Erdmann Design Teams, das seit über 40 Jahren über Design- und Branding-Erfahrung in der Medizintechnik verfügt und Start-up-Unternehmen mit der Dienstleistung Human Centered Design sowie als Investor, Entwickler und im Verwaltungsrat unterstützt. Die Erdmann Design AG aus Brugg übernahm die Aufgabe, das passende Material für die Box auszuwählen. Über ein Netzwerk für prototypische Produktionen und in der eigenen Werkstatt wurde ein erstes Gerät mit Isolation und Luftversorgung gebaut, das Neorescue in Kliniken vorstellen konnte. Nach zwei Jahren intensiver Entwicklungszeit wurde die Lifebox, wie das Transportsystem genannt wird, auf der Compamed 2019 vorgestellt. Aktuell erschwert die Coronakrise die Suche nach einem Investor, doch Selinger und sein Team sind zuversichtlich: Kliniken weltweit, auch aus Kalifornien und Australien haben bereits Interesse bekundet.
Coaching und Investitionen
für Start-ups
Für Start-ups wie Neorescue bietet die Schweizer Gründungslandschaft perfekte Bedingungen: Ein innovatives Instituts- und Forschungsumfeld, aus dem Ausgründungen entstehen können, eine hohe Investitionsbereitschaft in Start-ups, die laut Statista bei über 2,29 Mrd. Schweizer Franken liegt, sowie Wirtschafts- und Innovationsförderer wie die Innosuisse. Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung unterstützte beispielsweise 2019 mit fast 12 Mio. Schweizer Franken Start-ups mit einem Angebot an Coachings, Training-Camps und Messen. Die Nachfrage ist laut Annalise Eggimann, Direktorin von Innosuisse, groß: 355 Start-ups wurden im vergangenen Jahr gecoacht, fast 3500 Teilnehmer nutzen das Start-up-Training-Programm. Aber auch der Medizintechnik-Verband Swiss Medtech, die in Basel gegründete Startup Academy sowie die Organisation Smarter Healthcare Startups (SHS) aus Zürich widmen sich der Förderung junger Healthcare-Start-ups in der Schweiz, die mit ihren innovativen Ideen das Gesundheitswesen stärken.
Aktuell betreut Erdmann Design rund 10 Start-up-Projekte
Dass Start-ups dabei aber auch oft einen langen Atem brauchen, bis ihr Produkt am Markt ist, zeigt das Beispiel von Naviswiss, einer neuen Navigationstechnologie für Hüftgelenkersatzoperationen: Hier zog sich die Entwicklung über zehn Jahre in die Länge. Dennoch schaffte es das Unternehmen nicht, den Markt, also die Mediziner, von seinem Produkt und der entwickelten Marker-Technologie zu überzeugen. Schließlich ging dem Start-up das Geld aus und eine gute Idee drohte im Sande zu verlaufen. Das Unternehmen bat auch Raimund Erdmann um Unterstützung. Erdmann, der aktuell rund zehn Start-up-Projekte betreut, stieg als Mitinvestor gemeinsam mit anderen Geldgebern bei Naviswiss ein und kümmerte sich um die Neuausrichtung des Unternehmens. In Brugg wurden Räume angemietet, neue Mitarbeiter für den Vertrieb eingestellt und das ganze Projekt gecoacht. „Durch viele klinische Tests haben wir erkannt, dass eigentlich gar nicht die Marker-Technologie das Problem war, sondern die Handhabung des Geräts.“
Nicht nur Produkt-Entwicklung sondern auch Marktbeobachtung
Damit beschreibt Erdmann ein häufiges Problem der Start-ups: Sie kommen aus der Wissenschaft, sind technikaffin – und schaffen es deshalb oft nicht, ihre Idee zu verkaufen. „Unsere Dienstleistung ist es dann zu prüfen, ob das Start-up als Team fähig ist, sein Produkt auf den Markt zu bringen oder ob es nur die Entwicklungsseite bedient und zusätzlich einen Partner benötigt, der den Bedarf des Marktes oder des Mediziners erarbeitet.“ Heute hat Naviswiss die CE-Kennzeichnung und seit kurzem auch die FDA-Zulassung, war bei fast 1000 Operationen im Einsatz und ist neben Europa auch in Japan, in Australien sowie in den USA auf dem Markt. Weitere Navigationsgeräte für die Orthopädie sind geplant.
Wie die Zukunft der Start-ups verläuft, ist schwer vorauszusagen. Einen globalen Markt aus der Schweiz heraus zu bedienen, ist nach Meinung von Raimund Erdmann schwer, da den jungen Unternehmen dafür häufig Zeit und Geld fehlen: „Meist ist es sinnvoller, den Vertrieb des Produktes in die Hände eines großen Marktplayers zu legen, der durch seine Distributionskanäle die innovative Idee zeitnah an den Markt führen kann.“
Blick auf die Start-up-Szene Schweiz
Nach der jüngsten Erhebung von Statista Research Department, Hamburg, vom Juni 2020 wurden im Jahr 2019 in der Schweiz rund 44 600 Unternehmen gegründet. Dies waren etwa 3,3 % mehr als im Vorjahr mit rund 43 180 Neugründungen. Doch nicht jede neu gegründete Firma ist auch ein Start-up. Als solche gelten Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind sowie ein innovatives Geschäftsmodell verfolgen.
Zu dieser speziellen Gruppe gibt es laut Statista bislang keine vollständig repräsentativen Erhebungen, sondern nur Stichproben. Diese zeigen eine klare Tendenz auf: Viele Start-ups sind in hoch innovativen Branchen tätig, insbesondere in den Bereichen Software (14 %) und Life Sciences (12 %). Im Durchschnitt beschäftigt ein Start-up in der Schweiz 13,5 Mitarbeiter, hinzu kommen 2,6 Gründer. Die Mitarbeiterstruktur ist meist international zusammengesetzt: Nur 41,9 % sind Schweizer, die Mehrheit stammt mit 53,2 % aus EU-Ländern. Fast alle Start-ups (97 %) finanzieren sich wenigstens zum Teil durch ihre Gründer (57 %). Mit zunehmender Größe gewinnen externe Finanzierungsformen wie Business Angels und Venture Capital (Risiko-/Wagniskapital) an Bedeutung. So steigt die Summe der vergebenen Venture-
Capital-Investitionen seit Jahren an und erreichte 2019 ein Volumen von über 2,29 Mrd. Schweizer Franken.
Kontakt zum Experten für Human Centered Design:
Erdmann Design
Im Stahlrain 2
CH-5200 Brugg