Forscher entwickeln nach dem Vorbild der Pflanzen einen künstlichen, aber komplett biologischen Stoffwechselweg, der Kohlendioxid aus der Luft mit 20 Prozent höherer Effizienz bindet, als das Pflanzen schaffen.
Eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit ist der Klimawandel. Seit Beginn der industriellen Revolution ist die Konzentration an Kohlendioxid (CO2) in der Luft durch den Menschen stetig angestiegen. Um die ökologische, aber auch soziale Herausforderung des Klimawandels zu meistern, „müssen wir also neue Wege finden, um das überschüssige CO2 nachhaltig aus der Luft zu entfernen und in etwas Nützliches umzuwandeln“, betont Tobias Erb, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.
Theoretisch könnte man das Problem mit einer höheren land- und forstwirtschaftlichen Produktivität angehen. Denn Pflanzen fixieren über die Fotosynthese Kohlendioxid aus der Luft. Aus dem CO2 produzieren sie über einen schrittweisen Prozess, den sogenannten Calvin-Zyklus, Zucker für ihre Ernährung. Jeder einzelne biochemische Schritt hin zum Zucker wird von einem eigenen Enzym, einem Biokatalysator angestoßen beziehungsweise beschleunigt. Die verschiedenen Enzyme sind dabei genau aufeinander abgestimmt, damit sie zusammenarbeiten können. Doch es gibt ein Problem: Das CO2-bindende Enzym des Calvin-Zyklus in Pflanzen, in Fachkreisen RuBisCo genannt, ist vergleichsweise langsam. Außerdem irrt es sich häufig: Bei jeder fünften Reaktion schnappt sich RuBisCo statt eines CO2– ein Sauerstoffmolekül.
Fehlerfrei und mit Turbo
„Da gibt es in der Natur CO2-fixierende Enzyme ganz anderer Qualität“, betont Erb. Solche Enzyme, die schneller und effizienter sind als die RuBisCo in Pflanzen, arbeiten natürlicherweise im Stoffwechsel von Mikroorganismen. Eines dieser Enzyme, mit dem unaussprechlichen Namen „Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase“, hat Erb selbst aus einem Bakterium isoliert. Dieses Enzym irrt sich so gut wie nie – und arbeitet zudem gewissermaßen mit einem Turbo, denn es funktioniert zwanzigmal schneller als sein Gegenstück aus der Pflanzenwelt.
Doch es kann nicht einfach in den Calvin-Zyklus eingebaut werden, weil dessen Biokatalysatoren nicht zum Turbo-Enzym passen. Also suchten die Forscher nach neuen Enzymen und fügten sie zu einen komplett neuen „robust funktionierenden, optimierten Zyklus“ zusammen, den sie auf den Namen CETCH tauften (für Crotonyl-CoA/Ethylmalonyl-CoA/Hydroxybutyryl-CoA). Dieser künstliche Zyklus bindet CO2 mit 20 % höherer Effizienz als der Calvin-Zyklus der Pflanzen.
Zyklus lässt sich beliebig verändern
Erbs Modell-Zyklus zieht seine Energie derzeit aus einer chemischen Reaktion und nicht aus Licht wie bei der Fotosynthese der Pflanzen, und am Ende kommt dabei die sogennante Glyoxalsäure heraus. „Der CETCH-Zyklus“, sagt der Marburger, „kann aber so verändert werden, dass dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen.“ Oder ein Antibiotikum oder viele andere Substanzen. Auf diese Weise würde das atmosphärische Treibhausgas nutzbringend umgewandelt.
Der CETCH-Zyklus könnte sich aber auch an Solarzellen koppeln lassen und die Elektronen, die diese liefern, zur Umwandlung von CO2 in nützliche chemische Verbindungen verwenden. Tobias Erbs sagt: „Unser Traum ist es, mithilfe von maßgeschneiderten Enzymen einen synthetischen Metabolismus 2.0 zu erschaffen, der jede beliebige Verbindung aus CO2 herstellen kann.“
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