Passgenaue Implantate, gewichtsoptimierte Flugzeug- und Autobauteile – in vielen Industriezweigen wird der 3D-Druck heute bereits routinemäßig eingesetzt. Höchste Zeit, dass auch die Architektur davon profitiert, meint Dr. Klaudius Henke vom Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion an der Technischen Universität München (TUM): „Die additive Fertigung wäre für das Bauwesen extrem attraktiv: Sie erlaubt eine große Formenvielfalt – und auch bei kleinen Stückzahlen – hohe Wirtschaftlichkeit.“
Gedruckter Beton – so gut wie gegossen
Auf dem Schreibtisch des Forschers steht der Prototyp eines mit 3D-Druck gefertigten Bauteiles: eine 20 cm hohe, dünnwandige Betonröhre, in deren Innerem sich filigrane Verstrebungen befinden, die das Gebilde stabilisieren. „Vorbild für den Entwurf waren Vogelknochen, die sehr dünn und leicht, aber trotzdem stabil sind“, berichtet Henke. Materialuntersuchungen haben gezeigt, dass die Röhre Kräften von 50 N/mm² standhält. Damit ist das gedruckte Material genauso stabil wie herkömmlicher, gegossener Beton.
Schicht für Schicht, Punkt für Punkt
Mit klassischem Betonguss, bei dem die Mischung aus Sand, Zement und Wasser in einer Schalung aushärten muss, wäre die Röhre mit ihren dünnen Verstrebungen kaum herstellbar. Das Team hat für die Fertigung ein noch neues additives Verfahren eingesetzt: das „selektive Binden“. Dünne Sandschichten werden Lage für Lage genau an den Punkten, an denen die massive Struktur entstehen soll, mit einem Gemisch aus Zement und Wasser getränkt. Nach dem Abbinden aller Schichten lässt sich der überschüssige Sand entfernen, übrig bleibt die gewünschte Betonstruktur.
Derzeit entwickelt das Team mit Partnern aus der Industrie einen 3D-Drucker, dessen Druckkopf mit mehreren tausend Düsen ausgestattet sein soll. Mit dem Gerät können dann erstmals Bauteile von etwa zehn Kubikmetern gefertigt werden. „Das reicht, um freigeformte, geschosshohe Bauteile zu fertigen“, kündigt Henke an. Die ersten Probeläufe starten voraussichtlich 2018.
Aus Strängen werden Wände
Eine Alternative zum selektive Binden ist das Extrusions-Verfahren, mit dem sich schon fertig gemischter Beton verarbeiten lässt. Auch diese Methode des 3D-Drucks haben die TUM-Forscher untersucht und optimiert: „Der Vorteil liegt hier vor allem in der hohen Baugeschwindigkeit. Durch die Wahl der Materialkomponenten und durch die Ausbildung von inneren Hohlraumstrukturen lassen sich multifunktionale Bauteile herstellen“, erklärt Henke. Die Zugabe von Holzspänen, die viel Luft enthalten, beispielsweise sorgt für integrierte Wärmedämmung, die ein Gebäude im Winter vor dem Auskühlen schützt und im Sommer ein Aufheizen verhindert.
Maßgeschneiderte Baustoffe
Mit Hilfe des Extrusions-Verfahrens konnte das TUM-Team bereits einen 1,5 m breiten und 1 m hohen Prototypen aus Holz-Leichtbeton fertigstellen. Dieser ist genauso belastbar und wärmedämmend wie handelsüblicher Gas-Beton. Einziger Nachteil: eine raue Oberfläche – man erkennt deutlich die Stränge, aus denen die Wände aufgebaut sind. „Diese Struktur lässt sich als Gestaltungselement einsetzen oder nachträglich bearbeiten“, sagt Henke: Der Holz-Leichtbeton lässt sich leicht sägen, fräsen und bohren.
„Der 3D-Druck wird die Architektur verändern“, davon ist der Forscher überzeugt: „Die Technik erlaubt nicht nur eine freiere Formgebung, sondern auch mehr Vielfalt, weil jedes Bauteil individuell gestaltet sein kann, ohne dass dies zusätzliche Kosten erzeugt.“
www.youtube.com/watch?v=q6Z4R6xm9LI
www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34334/