Melken, Staubsaugen, Pflegeutensilien bringen oder als Exoskelett den Werker unterstützen: Die Zahl der Robotereinsätze steigt. Systeme für die Medizintechnik tragen einen großen Teil zum Umsatz bei, auch wenn die Stückzahlen überschaubar sind.
Ob große Industrieroboter in der Produktion, Serviceroboter im gewerblichen Umfeld oder Staubsauger- und Fensterputzroboter für den privaten Gebrauch: In fast allen Segmenten hat die Robotikbranche im Jahr 2014 weltweit deutlich zugelegt. Entsprechend positiv sind auch die Prognosen für die Jahre 2015 bis 2018. Dies sind die Ergebnisse des Jahrbuchs „World Robotics 2015“, das die International Federation of Robotics (IFR) Ende September in Frankfurt vorgestellt hat. „Die Nachfrage nach privat oder gewerblich genutzten Servicerobotern ist erneut gestiegen“, erklärt Martin Hägele, Leiter der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA und Autor des Bandes zur Servicerobotik. „Der Verkauf der Serviceroboter kletterte im Jahresvergleich zum zweiten Mal in Folge um 28 Prozent auf zuletzt drei Millionen Einheiten.“
Bei den Servicerobotern für gewerbliche Anwendungen, zu denen auch Medizinroboter zählen, wurden 2014 insgesamt rund 24 200 Einheiten verkauft. Verteidigungssysteme sind dabei mit einem Anteil von 45 % das größte Geschäftsfeld, gefolgt von der Landwirtschaft, die zum Beispiel Feld- oder Melkroboter orderte. Bei den Logistiksystemen setzt sich der Erfolgskurs des Vorjahres mit einem Zuwachs von 27 % ebenfalls fort. Die Logistiksysteme sind nicht nur in Produktionsumgebungen im Einsatz, sondern zunehmend auch in Einrichtungen wie Hotels, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, wo sie beispielsweise Materialtransporte durchführen.
Seit Mitte der 1990er-Jahre gilt die Medizinrobotik als eine der Erfolgsgeschichten gewerblicher Servicerobotiklösungen. Medizinroboter lassen sich drei Anwendungsbereichen zuordnen:
- Roboterarme oder Manipulatoren führen medizinische Diagnosesysteme und Sensoren mit hoher Präzision, wie zum Beispiel einen C-Bogen für hochgenaue Röntgenuntersuchungen. Zu den Diagnosesystemen zählt ebenso die Mikrorobotik: Wenn winzige Kameras in Kapseln integriert und vom Menschen geschluckt werden, lässt sich der Verdauungstrakt ohne aufwendige Eingriffe endoskopisch untersuchen. Neue Systeme werden dabei von außen über Spulenkörper aktiv gelenkt.
- Mit Systemen für roboterassistierte Chirurgie werden medizinische Geräte oder Kameras in den Körper eingeführt. So sind minimal-invasive Eingriffe mit sehr kleinen Wunden möglich.
- Rehabilitationssysteme dienen entweder der Unterstützung bewegungseingeschränkter Personen oder für therapeutische Zwecke. Hier gewinnt ein breites Spektrum unterschiedlicher Roboterlösungen für verschiedene Bereiche der Therapie und Rehabilitationsmedizin zunehmend an Bedeutung.
Der Absatz solcher Medizinroboter ist zuletzt nach Jahren starken Wachstums leicht zurückgegangen, von 1292 Einheiten im Jahr 2013 auf 1224 Einheiten im Jahr 2014. Der wichtigste Einsatzbereich sind nach wie vor Systeme für roboterassistierte Chirurgie, auf die 978 Einheiten entfallen. Bei einem Durchschnittspreis von insgesamt rund 1 Mio. US-Dollar pro System mit Nebenleistungen bilden diese Serviceroboter das teuerste Segment. Mit einem Verkaufswert von rund 1,3 Mrd. US-Dollar machen sie trotz der geringen Verbreitung beachtliche 35 % des Gesamtwerts unter den Servicerobotern für gewerbliche Einsätze aus. Hersteller bieten den Kunden daher als Finanzierungsoption auch Leasingmodelle an. Für die Jahre 2015 bis 2018 prognostizieren die Hersteller von Medizinrobotern einen kumulierten Umsatz von weiteren 7800 Systemen oder einen Umsatz von 6,2 Mrd. US-Dollar.
Den größten Anteil am Erfolg der Servicerobotik haben Staubsauger-, Rasenmäh- und Fensterputzroboter, die den Nutzern als lästig empfundene Aufgaben abnehmen. Von 2015 bis 2018 wird der kumulierte Absatz privat genutzter Serviceroboter auf 35 Millionen Einheiten prognostiziert. Die Haushaltsroboter haben mit 25 Millionen Einheiten daran den größten Anteil. Dazu kommen rund neun Millionen Unterhaltungs- und Freizeitroboter.
Ein großer Zukunftsmarkt zeichnet sich für Assistenzroboter ab, die Senioren zu Hause unterstützen. „Mit Blick auf die alternde Bevölkerung haben viele Länder Forschungsinitiativen aufgelegt, um mit High-Tech-Hilfen ältere und bewegungseingeschränkte Menschen zu unterstützen“, so Hägele.
Ein Markt für Exoskelette als Spezialfall der Robotik ist gerade im Entstehen. Diese körpergetragenen Systeme dienen im professionellen Umfeld in ersten Anwendungen als Kraftunterstützung und ermöglichen ergonomisches Arbeiten auch bei physisch anspruchsvollen Aufgaben. Das Fraunhofer IPA arbeitet in mehreren Projekten an der Entwicklung solcher Systeme.
Geographisch gesehen sind China, Japan, USA, Südkorea und Deutschland die größten Absatzmärkte für Industrieroboter. Auf diese fünf Märkte werden 70 % der bis 2018 prognostizierten Verkäufe von 400 000 Einheiten entfallen. Das ist nahezu eine Verdopplung im Vergleich zu 2014. Getrieben wird sie hauptsächlich vom Automobilsektor sowie der Elektro- und Elektronikindustrie. Die sprunghafte Automatisierung in China markiert hier eine einzigartige Entwicklung in der Robotergeschichte. Allein 2014 stieg dort die Zahl verkaufter Industrieroboter um 56 % gegenüber dem Vorjahr. In Europa hat Deutschland mit großem Abstand die Nase vorn. Im Jahr 2014 stiegen die Verkaufszahlen um 10 % auf rund 20 100 Einheiten, was der größte bisher registrierte Absatz binnen eines Jahres ist.
Die digitale Transformations- und Automatisierungswelle wird nach Einschätzung der Experten den Siegeszug der Industrieroboter bis 2018 weiter vorantreiben. Im Zuge von Industrie-4.0-Projekten steht beispielsweise die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) vor dem Durchbruch.
Dr. Karin Röhricht Fraunhofer IPA, Stuttgart
Weitere Informationen: Über World of Robotics: www.worldrobotics.org Über die Arbeit am Fraunhofer IPA: www.ipa.fraunhofer.de/roboter-_assistenzsysteme.html
Für Assistenzroboter, die Senioren zu Hause unterstützen, wächst der Markt
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