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Das Leben schreibt die besten Geschichten, heißt es – und bringt manchmal auch die besten Innovationen hervor. Die Tochter des Laserwissenschaftlers Dr. Alfredo E. Bruno stand vor einer kieferchirurgischen Behandlung, bei der Knochen durchtrennt werden mussten. Der Vater informierte sich intensiv über die OP-Methoden und stieß dabei auf Prof. Dr. Dr. Hans-Florian Zeilhofer, Leiter der Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsspitals Basel und des Kantonsspitals Aarau. In persönlichen Gesprächen wurde die Frage erörtert, warum derartige Eingriffe immer noch mit mechanischen Werkzeugen durchgeführt werden, wenn doch die Kombination von Lasern und Robotern eine viel höhere Präzision ermöglicht.
Prof. Zeilhofer arbeitete seit Jahrzehnten genau daran, aber die richtigen Laser fehlten, Dr. Bruno wiederum erwähnte, dass er sich mit einer geeigneten Lasertechnologie beschäftigte. Das war 2010, und es war die Geburtsstunde eines neuen Medizintechnik-Unternehmens, der Advanced Osteotomy Tools AG, kurz AOT. Das Produkt, in dem die Ideen von Zeilhofer und Bruno umgesetzt wurden, bekam den Namen Carlo, als Akronym für Cold Ablation, Robot-guided Laser Ostetome.
OP-Roboter soll die Knochenchirurgie verbessern
„Unser Ziel war es, die Ergebnisse der Knochenchirurgie radikal zu verbessern, indem mechanische Schneideinstrumente durch berührungslose ‚kalte‘ Laser-Photoablation und Medizinroboter ersetzt werden“, erläutert Bruno, heute Chief Scientific Officer (CSO) und Verwaltungsratsmitglied bei AOT. Für Zeilhofer versinnbildlicht Carlo die Zukunft der Chirurgie: Softwaregeführt lassen sich damit äußerst präzise Schnitte mit einem beliebigem Muster durchführen. Der Chirurg habe sehr viel mehr Möglichkeiten als mit bisherigen Verfahren. Bislang gab es auch keine Lösung, um das Knochengewebe im Bereich von Laser-Schnittflächen intakt und vital zu erhalten. „Es eröffnet sich eine neue Dimension, was einen Paradigmenwechsel in der Chirurgie bedeutet“, sagt Bruno.
Carlo nutzt die noch junge „kalte“ Lasertechnik – wobei der Strahl von einem kleinen und leichten, taktilen Roboter geführt wird, der für die direkte Zusammenarbeit von Mensch und Maschine konstruiert wurde. Ergänzt wird das System durch eine komplexe 3D Planungs-, Navigations- und Kontrollsoft- und Hardware. Es lässt sich im normalen Operationssaal einsetzen, arbeitet autonom, lässt dem Chirurgen aber jederzeit die volle Kontrolle über den Eingriff.
Industrieroboter dürfen die Aufgabe nicht übernehmen
Der Laser ist präzise, das Navigationssystem ist es auch – aber Präzision muss ebenso der Roboter bieten, der die einprogrammierten Schnitte millimetergenau ausführt. Und da Industrieroboter für den Einsatz in der Medizin nicht zugelassen sind, musste für Carlo ein spezieller Roboter gefunden werden. „Der Roboter sollte leicht sein, aber mehrere Kilogramm tragen können, um den Ablationslaser einschließlich ausgeklügelter Optiken, Sichtkameras und Scanner aufnehmen zu können. Außerdem war eine hohe Sensitivität gefordert”, fasst Bruno zusammen.
Diese Anforderungen führten AOT zum Leichtbauroboter LBR Med, den der Augsburger Hersteller Kuka entwickelt hat. „Er erfüllt alle unsere Anforderungen und ist momentan das beste Tool, das es auf dem Markt gibt“, sagt der CSO. „Und da er bereits für die Integration in ein Medizinprodukt zertifiziert ist, erspart er uns Zeit bei der Zulassung.“
Zusammenarbeit von Start-up und Konzern
Nicht nur der Roboter, auch das Unternehmen passt zu AOT. „Die Chemie hat vom ersten Treffen an gestimmt“, freut sich Zeilhofer. „Kuka war sehr kritisch, konstruktiv und lösungsorientiert, das hat uns schnell vorangebracht.” Und wie funktionierte die Kooperation zwischen Start-up und Konzern? „Sehr gut“, lobt Dr. Bruno. „Wir haben immer Gas gegeben, wollten schnell sein. Auch bei Kuka haben wir wirklichen Innovationsgeist gesehen.“
Bevor Carlo im Operationssaal schneiden kann, wird sein Navigationssystem mit den Daten der präoperativen Planung gefüttert, die der Arzt anhand von CT-Daten erstellt. Der Roboter führt den Eingriff dann selbstständig durch. Läuft etwas nicht wie geplant, muss der Arzt den Roboter nur leicht berühren, und das mit feinen Sensoren ausgestattete System hält sofort an – „schneller, als man einen Assistenten stoppen kann“, sagt Zeilhofer. Dann geht der Roboter in eine Warteposition und setzt, sobald das Okay erfolgt, die Intervention genau an der Position fort, an der er gestoppt wurde.
Noch ist das System in der Zulassungsphase
Noch ist der Eingriff selbst allerdings Zukunftsmusik, da derzeit die Zertifizierung zum Medizinprodukt läuft. „Da Carlo das erste System seiner Art ist, stellen die Aufsichtsbehörden verständlicherweise sehr hohe Anforderungen an die Sicherheit“, erläutert Dr. Bruno. Kein Wunder angesichts die geplanten Einsatzgebiete: Muss beispielsweise aufgrund eines Tumors ein Stück Knochen entfernt werden, wird für die Wiederherstellung ein Stück aus einem anderen Knochen entnommen. Das eingesetzte Stück muss belastungsstabil sein, wofür eine Fixation mit einer Platte und Schrauben sorgt. „Machen wir aber einen Schnitt wie einen Schwalbenschwanz, können wir aus einer lasttragenden eine lastverteilte Situation machen. Das heißt, wir sind weniger invasiv, benötigen weniger Fremdmaterial, haben weniger Reibungsfläche sowie in der Regel eine kürzere Operations- und Heilungszeit“, fasst Mediziner Zeilhofer zusammen.
Die AOT AG entwickelt bereits die zweite Generation von Carlo mit weiteren Sicherheits- und Leistungsmerkmalen.
Weitere Informationen
Auf der Messe Medica ist Carlo am Stand von Kuka zu sehen (Halle 10, Stand B44)
Mehr über die Medizintechniker von AOT:
aot.swiss