Wie wird eigentlich Grippeimpfstoff produziert? Die verblüffende Antwort: Er wird vereinfacht gesagt in Hühnereiern gezüchtet. Diese Methode ist seit Jahrzehnten bewährt, aber erst seit Neuestem kommen dabei Roboter zum Einsatz. Ein chinesischer Vakzin-Hersteller produziert auf zwei hoch automatisierten Linien mit jeweils neun Stäubli Robotern 30 Millionen Impfdosen pro Saison.
Die Herstellung und Handhabung von pharmazeutischen Produkten ist eigentlich ein ideales Aufgabenfeld für die Robotik – vor allem an den “End-of-Line”-Prozessschritten. Kleine Einheiten (Ampullen, Fläschchen, Phiolen…) müssen in großer Stückzahl und mit hoher Präzision zugeführt, abgefüllt, verschlossen, inspiziert, gruppiert und verpackt werden.
Gesucht: “Pharma-Roboter” für die sterile Produktion
Dass die Automation hier dennoch nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Bereichen, hat einen einleuchtenden Grund. Beim Produzieren, Abfüllen und Verpacken von Pharmazeutika müssen höchste Anforderungen an die Hygiene berücksichtigt werden – bis hin zur Sterilität. Das bedeutet auch: Regelmäßige und intensive Reinigungsprozesse aller Anlagenkomponenten sind Pflicht, und darauf sind konventionelle Roboter keinesfalls eingerichtet.
Eine Ausnahme bilden die Stericlean Roboter von Stäubli. Dank ihrer gekapselten Bauweise und wegweisender, weiterer Konstruktionsmerkmale können sie selbst unter aseptischen Umgebungsbedingungen arbeiten. Zudem sind sie mit ihrem Hygienedesign Wash Down-fähig und überstehen die täglichen Reinigungsprocedere in der Pharmaindustrie klaglos.
Damit wird die Voraussetzung für den Einsatz von Robotern in der Pharmaproduktion geschaffen, und die Branche nutzt diese Möglichkeit intensiv. Ein aktuelles und besonders interessantes Beispiel ist die Produktion von Impfstoffen bei einem chinesischen Pharmahersteller.
Produktion von Grippeimpfstoff: ein “Saisongeschäft”
Das 1950 gegründete Wuhan Institute of Biological Products Co., Ltd. hat sich auf die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen z.B. gegen Grippe und Enzephalitis spezialisiert. Für den Grippeimpfstoff gilt die Besonderheit, dass er jedes Jahr, rechtzeitig vor der Erkältungssaison, an die vorherrschende Virusvariante angepasst werden muss. Das heißt: Bei der Entwicklung, Zulassung und Produktion geht es auch um Geschwindigkeit.
Die seit Jahrzehnten bewährte Methode zur Herstellung des Grippe-Vakzins ist die Vermehrung in Hühnereiern: Die Eier werden mit einer geringen Dosis des Wirkstoffs „geimpft“ und 48 bis 72 Stunden lang in einer Brutkammer gelagert. Dann wird der vervielfältigte Impfstoff entnommen – natürlich unter strengen hygienischen Bedingungen, zu denen auch eine gründliche Inspektion jedes Eies gehört.
Das Wuhan Institute of Biological Products ist ein führender Hersteller dieser biobasierten und gezüchteten Impfstoffe. Jetzt hat das Institut den gesamten Prozess aus naheliegenden Gründen automatisiert.
Automation: klare Entscheidung für die “große Lösung”
Bei der Planung der Automation entschied sich die Institutsleitung für die „große Lösung“ – und ging damit kein großes Risiko ein, denn jeden Herbst werden 30 Millionen Dosen Impfstoff produziert. Da rechnen sich automatisierte Anlagen schnell. Außerdem wurde mit Wuhan Xinhao Intelligent Technology ein erfahrener Lösungsanbieter für die hochautomatisierte Pharmaproduktion beauftragt, der bei solchen Aufgaben aus den bereits genannten Gründen grundsätzlich Stäubli Roboter einsetzt.
Die Ingenieure von Xinhao projektierten zwei identische automatisierte Produktionslinien mit je neun Sechsachsrobotern in Stericlean Ausführung: fünf Stäubli TX200 und vier RX160L mit verlängertem Arm. Beide Modelle gehören zu den größten Robotern im Stäubli Portfolio: Der TX200 erreicht eine Reichweite von 2.594 mm bei einer Traglast von bis zu 130 kg. Dank ihrer hervorragenden Antriebstechnik überzeugen die Roboter mit einer beeindruckenden Dynamik bei gleichzeitig sehr ruhiger Bahnführung – eine Eigenschaft, die sich besonders beim Handling von zerbrechlichen Eiern bemerkbar macht.
Zunächst transportieren die Roboter die Trays mit den Eiern zu einer ersten Prüfstation. Die Embyronen werden dort auf Verwendbarkeit geprüft und gegebenenfalls manuell ausgetauscht. Dann transportieren FTS die Trays in den Impfraum, wo die Viren injiziert werden.
„Ernte“ des Impfstoffs mit Hilfe von Robotern
Nachdem das Virus in den Eiern vermehrt wurde, übernehmen vier Roboter gemeinsam das Screening, die Handhabung und den Transfer der Eier. Der erste Schritt findet im “Ernteraum” statt: Zwei Roboter transportieren die Eier zur Produktionslinie, wo die vermehrte Virusflüssigkeit mit einer Nadel extrahiert wird.
Hier und auch bei den anderen Prozessschritten sind neben Hygiene, Sterilität und Geschwindigkeit noch zwei weitere Faktoren entscheidend: Bahngenauigkeit und Laufruhe. Den Grund dafür nennt Han Xixin, stellvertretender Direktor des Geschäftsbereichs Grippeimpfstoffe: „Jede Erschütterung bei Transport und Handhabung könnte die Eizellen beschädigen.”
Alle Ziele erreicht
Die beiden Linien mit insgesamt 18 Stäubli Robotern im Hygienic Design sind bereits in Betrieb und helfen dabei, 30 Millionen Dosen Grippeimpfstoff pro Jahr zu produzieren. Nach Ansicht der Produktionsexperten des Instituts haben sie die angestrebten Ziele erreicht, wie Han Xixin erläutert: „Wir gewährleisten eine hygienische, sichere und effiziente Impfstoffproduktion und entlasten unsere qualifizierten Mitarbeiter von anstrengenden Wiederholarbeiten. Die Effizienz wird erheblich verbessert, ebenso die Gefahr des Eintrags von Kontaminationen in den Prozess.“
Außerdem minimiert das Handling per Roboter das Risiko einer Beschädigung der Eizellen. Somit leisten die Stäubli Roboter einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor Atemwegserkrankungen.