Mit dem modularen Carrier-Board-Konzept hat Iftest eine gefragte Lösung auf den Markt gebracht. Was steckt konkret dahinter und wie kam es überhaupt zu dieser Neuentwicklung? Ein Gespräch mit Jürgen Schulz (JS), Leiter Entwicklung bei Iftest und Verkaufsingenieur Reto Amherd (RA).
Das Konzept vom modularen Carrier Board wurde 2017 bei Iftest geboren. Welche Anliegen oder Bedürfnisse des Marktes haben Sie beim Projektstart inspiriert und welches Ziel hatten Sie vor Augen?
JS: Zu dieser Zeit kamen Anfragen nach Geräten mit einem grafischen User Interface – wie man es von den Smartphones her gewohnt war – so richtig auf. Gefragt waren Geräte mit TFT-Displays und Touch Screen. Sehr schnell hat sich gezeigt, dass dafür viel Rechenleistung erforderlich ist. Die firmeninterne Programmierung war aufwändig, weil wenige leistungsfähige Tools zur Verfügung standen. Als gangbaren Weg betrachteten wir die Entwicklung auf der Basis von Linux mit seinen Bibliotheken und Tools. Beim ersten Board, das wir gebaut haben, war der ganze Prozessor mit dem Betriebssystem auf einem Board integriert. Wir haben damit für einen Kunden ein Muster gebaut, mussten aber nach einem halben Jahr feststellen, dass das Betriebssystem schon wieder veraltet ist. Es brauchte ein Update und die Performance des Prozessors kristallisierte sich ebenfalls als unzureichend heraus. Diese Herausforderung brachte uns auf die Idee, das Carrier Board zu bauen und das dazu benötigte Com-Modul samt Linux einzukaufen. So hatten wir die Sicherheit, dass der Lieferant das Betriebssystem pflegt und updatet. Die Lösung war geboren.
Welchen Hauptfokus verfolgten Sie bei der Entwicklung des modularen Baukasten-Konzepts?
JS: Unsere Kunden produzieren meist geringe Stückzahlen. Da fallen die Entwicklungskosten stark ins Gewicht. Deshalb muss dieser Schritt aus Kundensicht schnell gehen und günstig sein. Mit dem Com-Modul konnten wir die Komplexität des Carrier Boards vereinfachen und dadurch die Effizienz und Schnelligkeit in der Entwicklung erhöhen. Dank dem Baukastensystem können wir für die Hardware erprobte Standard-Schaltungsteile verwenden. Carrier Boards können wir innerhalb von ein bis drei Monaten entwickeln und Prototypen bauen.
RA: Diese neu gewonnene Agilität wird von den Kunden sehr geschätzt. Die Schnelllebigkeit in Bereichen wie User Interface, Schnittstellen oder Betriebssystem ist enorm. Bei zwei oder mehr Jahren Entwicklungszeit hinkte man der Technologie immer hinterher. Eine fixfertige Steuerungslösung einzukaufen kommt für unsere Kunden aus Kosten- und Platzgründen meist auch nicht in Frage. Deshalb erfüllt das modulare Carrier-Board-Konzept von Iftest ein großes Kundenbedürfnis. Die produzierenden Kunden können bei uns individuelle Carrier Boards entwickeln lassen.
Aus welchen Modulen besteht das Carrier Board und was kann es?
JS: Die Hauptbestandteile sind das eigentliche Carrier Board und das Com-Modul. Das Carrier Board entwickeln und bauen wir je nach Kundenprojekt mit den erforderlichen Schnittstellen und Funktionen – bei rund 80 % handelt es sich dabei um Komponenten aus dem Standardbaukasten. Rund 20 % der gewünschten Funktionseinheiten entwickeln wir individuell nach den Anforderungen der Kunden. Dabei profitieren die Kunden von unserer großen Erfahrung aus den vielen Projekten, die wir bereits realisiert haben. So nutzen wir unser Know-how zum Vorteil unserer Kunden optimal aus und müssen nicht auf der grünen Wiese anfangen.
Aus welchen Gründen entscheiden sich Ihre Kunden hauptsächlich für das Iftest Carrier-Board-Konzept?
JS: Die Anwendungen werden immer komplexer. Heutige Steuerungen beinhalten oft aufwändige User Interfaces und Algorithmen. Dank seiner offenen Architektur und den frei verfügbaren Open Source Tools unserer Lösung können die involvierten Experten auf Kundenseite, Entwicklungspartner und die Fachleute in unserer Entwicklungsabteilung parallel daran arbeiten. So verkürzen sich die Durchlaufzeiten. Und bekanntlich ist für jedes Unternehmen, das ein neues Produkt auf den Markt bringt, die Time-to-Market etwas vom Wichtigsten.
In welchen Branchen werden die Carrier Boards von Iftest mehrheitlich eingesetzt?
RA: Unsere Auftraggeber sind vorwiegend mittelgroße Unternehmen aus der Medizintechnik, der Industrieautomation und der Gebäudeautomation.
Der aktuelle Bauteilemarkt zeigt, wie schwierig die Versorgungslage sein kann. Wie stellen Sie die langfristige Verfügbarkeit der Hardware sicher?
RA: Als EMS-Dienstleister betreiben wir ein aktives Verfügbarkeits- und Life-Cycle-Management. Konkret überprüfen wir proaktiv die Verfügbarkeit der Bauteile und reagieren schnell bei sich abzeichnenden Verknappungen.
Apropos Medizintechnik: Worauf müssen Sie speziell bei Medizinprodukten achten?
JS: Die Elektronik von Produkten aus der Medizintechnik unterscheidet sich nicht wesentlich von der Elektronik anderer Geräte. Hingegen müssen wir uns bei Medizinprodukten speziell mit der Funktionssicherheit befassen. Dafür gilt es auf dem Carrier Board gewisse Komponenten wie zum Beispiel Schnittstellen für Anwendungsteile, Safety Controller oder Alarmsysteme zu integrieren, um die Sicherheitsanforderungen zu gewährleisten. Die Kriterien dafür sind in der Norm EN 60601 definiert. Gewisse Geräte müssen zudem mobiltauglich sein. Ein Beispiel dafür: Wenn ein Patient von der Intensivstation in die allgemeine Abteilung verlegt wird, müssen die mit seinem Bett verbundenen Geräte auch unterwegs weiterhin funktionieren. Auch die dazu nötige Funktionalität kann realisiert werden.
Vielen Dank für diese spannenden Ausführungen. Eine letzte Frage noch: Worauf sind Sie im Hinblick auf das Iftest Carrier-Board-Konzept besonders stolz?
RA: Die positive Resonanz der Kunden hat uns gezeigt, dass wir mit dem modularen Konzept den richtigen Weg beschritten haben. Lob bekommen wir vor allem für die Einhaltung der Zeit-, Kosten- und Projektplanung. Weil das Carrier Board jeweils sehr schnell zur Verfügung steht, können die Produktentwickler auf Kundenseite mit ihrem Prozess entsprechend schnell fortfahren.
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