Lieferausfälle und Preisexplosion bei Kunststoffen setzen Verarbeiter unter massiven Druck. Bis sich die Situation am Rohstoffmarkt wieder erholt, sind laut Gesamtverband der Kunststoff verarbeitenden Industrie (GKV e.V.) alle Bereiche der Kunststoff verarbeitenden Industrie betroffen, sowie alle Kunststofftypen angefangen von den Standard-Kunststoffen wie PP, PE und PVC, über die Technischen Kunststoffe wie ABS, PC und PA bis hin zu den Hochleistungskunststoffen wie PVDF und PTFE. Es ist aber nicht nur die Preisentwicklung, die die Unternehmen vor eine große Herausforderung stellt, es fehlen schlicht auch die Mengen, so der Verband. Gewünschte Rohstoffe, die durch die wieder steigende Nachfrage notwendig wären, stehen ebenfalls nicht in dem Maße zur Verfügung und dämpfen somit die Rückkehr auf den Wachstumspfad der Branche.
Ungleichgewicht von Nachfrage und Angebot
Die Gründe für die schwierige Lage der Kunststoff Verarbeiter sind vielfältig: Die Covid-19-Pandemie führte weltweit zu einem Ungleichgewicht von Nachfrage und Angebot von Kunststoffprodukten. Dadurch, dass Asien, speziell China, bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 auf den Wachstumspfad zurückgekehrt ist, ist die Nachfrage nach Rohstoffen dort früher gestiegen als in Europa oder den USA, meldet der GKV. Viele Rohstoffe aus dem Mittleren Osten und den USA wurden und werden nach Asien umgelenkt und fehlen daher in Europa. Verschärft wurde die Situation Anfang des Jahres durch Anlagenausfälle in den USA infolge des Wintereinbruchs, geplante Wartungsarbeiten in europäischen Anlagen sowie Force-Majeure-Meldungen der Kunststoff-Hersteller.
Hohe Rohstoffpreise belasten die Märkte
Die Preise für Standard-Kunststoffe sind im ersten Quartal 2021 in Europa durchweg stark gestiegen. So hat sich der für Verpackungen wichtige Rohstoff Polyethylen (PE-LD) bis Mitte März um mehr als 35 % verteuert, teilt der GKV mit. Ähnliche Zahlen werden für PE-HD, PE-LLD und PP gemeldet. Bei Polystyrol (PS) beziehungsweise expandiertem Polystyrol (EPS) ist die Lage ebenso dramatisch: Die Preise haben sich allein im März um 30 % verteuert und beim S-PVC ist sogar ein Preisanstieg von 61 % innerhalb der letzten zehn Monate zu verzeichnen. Bei PUR liegt die Preissteigerung um 50 % in den letzten sechs Monaten.
Rohstoffmangel und hohe Frachtkosten bremsen auch die Medizintechnik aus
Auch die Technischen Kunststoffe sind von starken Preisanstiegen betroffen – der Preisindex Plastixx TT stieg allein im Februar um über 10 % im Vergleich zum Vormonat. Vor allem bei den für die Automobil- und Elektroindustrie wichtigen Materialien PA 6 und PA 6.6 werden dreistellige Aufschläge erwartet. Der für Gehäuse von Elektrogeräten und medizinisches Inventar wichtige Rohstoff ABS ist in den letzten sechs Monaten um 35 % teurer geworden. Ähnlich verhält sich die Situation auch bei den Hochleistungskunststoffen wie PVDF und PTFE.
Preisanstieg auch bei petrochemischen Ausgangsstoffe
Auch die petrochemischen Ausgangsstoffe für die Kunststoffherstellung sind teurer geworden, allerdings teils deutlich geringer als die daraus gefertigten Kunststoffe. So stiegen beispielsweise im ersten Quartal die Kosten für Ethylen, dem Ausgangsstoff für Polyethylen, um 17 %. Für Propylen, dem Ausgangsstoff für Polypropylen liegt der Preisanstieg bei 21 %. Die Aufschläge auf Polyolefine erreichen nominal teils mehr als das Dreifache der Preissteigerung der Vorprodukte. Der für ABS und Polystyrol/EPS wichtige Ausgangsstoff Styrol hat sich allein im März um 48 % verteuert.
Corona-Pandemie sorgt für Probleme bei Fracht und Logistik
Der Einbruch des Welthandels zu Beginn der Covid-19-Pandemie und die im 4. Quartal 2020 sprunghaft wieder angestiegene Nachfrage haben zu teilschaotischen Situationen im Frachtgeschäft geführt: Vielfach fehlt es an Containern, die infolge der Pandemie in den falschen Häfen gestrandet sind. Das knappe Angebot und die starke Nachfrage nach Frachtkapazitäten haben beispielsweise die Containerpreise auf der Strecke Asien-Europa seit Ende 2020 um mehr als 400 % ansteigen lassen, meldet der GKV. Allein das verteuere auch Kunststoffe im Schnitt um 200 Euro pro Tonne, deren Non-EU-Importquote nach Deutschland bei etwa 15 % liegt, heißt es. Nach weiteren Angaben des Verbands scheint sich in den letzten Wochen die Lage allerdings zu stabilisieren und auf den Wachstumspfad von vor der Corona-Krise zurückzukehren. Damit kann zumindest im Bereich der Frachtkosten auf eine mittelfristige Entspannung gehofft werden.
Einsatz von Sekundärrohstoffen – aber nicht für jede Branche
Ein Ausweichen auf Recyclingmaterialien ist in vielen Fällen nur begrenzt möglich. Für viele Anwendungen, wie beispielsweise in der Medizintechnik, verhindern gesetzliche Sicherheitsvorschriften, technische Hürden und hohe Qualitätsanforderungen derzeit einen breiteren Einsatz von Rezyklaten. Auch sind Rezyklate vielfach noch nicht in ausreichenden Mengen in gleichbleibender Qualität verfügbar. Dort, wo Rezyklate etabliert sind, steigen die Preise parallel zur Neuware deutlich – und das bei sinkender Verfügbarkeit. (su)
Kontakt zum Verband:
Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. (GKV)
Gertraudenstr. 20
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