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Gefühlvoller Daumen für Roboter: ein neuer Sensor-Sinn für die Haptik

Sensorik
Roboter: Der Daumen, der ein Sensor ist

Roboter: Der Daumen, der ein Sensor ist
Mit diesem künstlichen, daumengroßen Sensor erhalten Roboter einen Tastsinn (Bild: MPI für Intelligente Systeme)
Was aussieht wie ein Daumen, ist eine neue Art von Sensor. Einem Roboter verleiht er den Tastsinn. Damit das klappt, sind Kameras im Daumen und eine Künstliche Intelligenz erforderlich. Und der „Daumennagel“ hat ganz besondere Eigenschaften.

Eine Erfindung, die die haptische Wahrnehmung von Roboterfingern erheblich verbessern soll und dem Tastsinn der Haut einen wesentlichen Schritt näherkommt: das ist ein Sensorsystem, das in der Form dem menschlichen Daumen gleicht, aber ein Hightech-System verbirgt. Entwickelt haben es Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart.

Im Sensor-Daumen steckt eine Kamera

Der daumenförmige Sensor gibt bei Berührung nach und ist im Inneren mit einer Kamera ausgestattet. Ein tiefes neuronales Netz trainieren die Forscher so, dass es aus den Kamerabildern Informationen ableiten kann. Es erkennt sowohl wo als auch wie stark der Sensor berührt wird. Aus allen Verformungen der flexiblen Außenhülle, die die Kamera aufnimmt, errechnet das neuronale Netz ein dreidimensionales Abbild der Kräfte, die auf den künstlichen Daumen einwirken. Getauft haben die Wissenschaftler ihr System auf den Namen Insight. Das Forschungsprojekt sei ein wichtiger Schritt hin zu Robotern, die wie Menschen und Tiere ihre Umgebung ertasten können, heißt es. Wie sein natürliches Vorbild ist der Sensor sehr empfindlich, robust und präzise.

Flexible Hülle hilft dem Daumen, Berührungen zu erkennen

Der Sensor im Daumen-Look besteht aus einer weichen Hülle, die ein leichtes, steifes Skelett umschließt. Dieses hält die Struktur aufrecht, so wie Knochen das Gewebe eines Fingers stabilisieren. Die Hülle besteht aus einem Elastomer, das mit dunklen, aber reflektierenden Aluminiumflocken angemischt wurde. Das macht die Hülle lichtundurchlässig. Im Inneren dieser fingergroßen Kapsel ist eine winzige 160-Grad-Fischaugenkamera eingebaut. Sie nimmt bunte Lichtmuster auf, die im Innern von einem Ring aus LEDs erzeugt werden.

Wenn ein oder mehrere Objekte die Sensorhülle berühren, ändert sich das Farbmuster im Inneren des Sensors. Die Kamera nimmt mehrmals pro Sekunde Bilder auf und füttert mit diesen Daten ein tiefes neuronales Netz.

Roboter fühlt, wenn der Algorithmus trainiert ist

Dem Algorithmus entgeht nichts: in jedem Pixel erkennt er selbst kleinste Veränderungen des Lichts. Innerhalb eines Sekundenbruchteils findet das trainierte Modell heraus, wo genau ein Objekt den „Daumen“ berührt, wie stark die Kräfte sind und in welche Richtung sie wirken. Das Modell leitet daraus das ab, was Wissenschaftler „Force Map“ nennen: ein dreidimensionales Abbild der Kräfte, die auf den künstlichen Daumen einwirken.

„Unser Sensor zeigt eine hervorragende Leistung“, sagt Georg Martius, der die Autonomous Learning Group am MPI-IS leitet. Sein Doktorand Huanbo Sun ergänzt: „Unsere einzigartige Hybridstruktur aus einer weichen Schale, die ein steifes Skelett umschließt, sorgt für hohe Empfindlichkeit und Robustheit.“ Der Sensor  ist sogar empfindlich genug, um seine eigene Orientierung im Verhältnis zur Schwerkraft zu spüren.

Auch Kräfte parallel zur Oberfläche sind dann für den Roboter erkennbar

Katherine J. Kuchenbecker, Direktorin der Abteilung für Haptische Intelligenz am MPI-IS, gehört ebenfalls zum Team und lobt die große Fläche, mit der der neue Sensor Einwirkungen erfassen kann. Und sie betont: „Bisherige weiche haptische Sensoren konnten oft keine Kräfte spüren, die parallel zur Haut verlaufen. Das aber ist für einen Roboter, der ein Glas Wasser hält oder auf einem Tisch eine Münze verschiebt, unerlässlich.“

Doch wie kann ein Sensor auch noch lernen, was ihn da gerade berührt? Eine weitere Besonderheit des daumenförmigen Sensors ist, dass es einen Bereich mit einer dünneren Elastomerschicht gibt. Von außen ähnelt er einem Fingernagel und befindet sich auch an der entsprechenden Stelle des „Daumens“. Dieses Grübchen ist so konzipiert, dass es selbst kleinste Kräfte und verschiedene Objektformen erkennen kann. Für diese sehr empfindliche Zone wählten die Wissenschaftler eine Elastomerdicke von 1,2 mm statt der 4 mm, die sie ansonsten für den Fingersensor verwendeten. Damit lässt sich anhand des Bildes erkennen, ob ein kreisrunder Stab die „Nagelfläche“ nach innen drückt oder eine sechskantige Struktur wie zum Beispiel ein Schraubenkopf.

Video zur Arbeitsweise des gefühlvollen Daumens

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Georg Martius
Leiter der Autonomous Learning Gruppe
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen
E-Mail:georg.martius@tuebingen.mpg.de

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