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Mini-Zahnrad in 15 Minuten

Selektives Laserinduziertes Ätzen: Schnelle und günstige Fertigung kleinster Bauteile
Mini-Zahnrad in 15 Minuten

Montierte Bauteile aus transparenten Materialien wie Glas können mikrometergenau aus einem Block gefertigt werden. Das ermöglicht ein neues Fertigungsverfahren auf der Basis des Selektiven Laserinduzierten Ätzens (ISLE).

Quarzglasröhrchen mit einem Durchmesser von 1 mm und einer Wandstärke von 9 mm. Lochfelder mit Bohrungsdurchmessern von 50 µm. Mikrofluidikbauteile für die medizinische Diagnostik mit Kanälen von weniger als 10 µm Durchmesser. Diese Beispiele zeigen, dass die Abmessungen von Bauteilen in der Feinmechanik, der Medizin- und der Messtechnik zunehmend kleiner werden, während gleichzeitig die Strukturen immer komplexer sein sollen. Für die Uhrenindustrie müssen beispielsweise so genannte Uhrensteine präzise gefertigt und anschließend montiert werden.

Derzeit werden diese Mikrobauteile von erfahrenen Fachkräften manuell durch Schleifen und Polieren hergestellt und montiert, was einen hohen Zeitaufwand erfordert. Zudem sind abtragende Verfahren stets mit einem Materialverlust von typischerweise 80 % verbunden, was je nach Material einen erheblichen Kostenfaktor darstellt.
Aufgrund der geringen Größe der Mikrobauteile sind transparente, also „farblose“, Materialien jedoch für die manuelle Bearbeitung nicht geeignet. Sie sind für den Facharbeiter nicht gut genug sichtbar. Daher greifen die Hersteller in der Regel auf Rubin zurück, weil dieses Material nicht nur sehr hart ist, sondern auch eine gut sichtbare, rötliche Färbung aufweist.
Am Fraunhofer ILT wurde nun in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen ein Laserfertigungsverfahren auf der Basis des Selektiven Laserinduzierten Ätzens (ISLE) entwickelt, mit dem sich Mikrobauteile auch aus transparenten Materialien schneller fertigen lassen. Im Gegensatz zu abtragenden Verfahren verspricht dies große Materialeffizienz und einen geringeren Energieverbrauch als die bisher eingesetzten Prozesse. Dafür haben die Experten das Selektive Laserinduzierte Ätzen auf die Herstellung zusammengesetzter und montierter Bauteile übertragen. Somit müssen die einzelnen Komponenten in mikromechanischen Systemen nicht mehr justiert und montiert werden.
Der neue Prozess läuft folgendermaßen ab: Mittels ultrakurz gepulster Laserstrahlung wird ein transparentes Werkstück mit 3D-Auflösung im Volumen genau dort belichtet, wo Material entfernt werden soll. Das Material wird chemisch und physikalisch so verändert, dass es selektiv ätzbar wird. Im anschließenden nasschemischen Ätzprozess wird das belichtete Material entfernt, während das unbelichtete Material vom Ätzprozess nahezu nicht beeinflusst wird. Auf diese Weise lassen sich Mikrokanäle, Formbohrungen, strukturierte Bauteile sowie komplexe, zusammengesetzte, mechanische Komponenten und Systeme herstellen.
Das ISLE-Verfahren kann nicht nur für Rubin, sondern auch für Saphir oder Glas verwendet werden. Es ist reproduzierbar und in der Lage, serienidentische Geometrieanforderungen der Bauteile zu gewährleisten. Dabei bietet das Verfahren eine große Geometrie- und Designfreiheit. Formgenauigkeiten von unter 1 µm sowie Schnittfugen und Bohrungen mit extrem großen Aspektverhältnissen können aufgrund des kleinen Fokusvolumens erzielt werden.
Die zentrale Aufgabe der Aachener Forscher besteht nun darin, das ISLE-Verfahren den Herstellern von Mikrobauteilen zur Verfügung zu stellen. „Wir arbeiten an der kontinuierlichen Verbesserung der Skalierbarkeit unseres Verfahrens, um den zukünftigen Transfer von der Forschungseinrichtung in die industrielle Fertigung zu ermöglichen“, erklärt Dr. Dagmar Schaefer, Gruppenleiterin am Fraunhofer ILT. „Je nach Anwendung wird das ISLE-Verfahren individuell an die Anforderungen des Kunden angepasst. Die Erfüllung der geforderten Bauteilspezifikationen bei gleichzeitig ausreichend schneller Strukturierung ist für uns die größte Herausforderung.“
Die Geschwindigkeit der Belichtung liegt derzeit bei mehreren hundert Millimetern pro Sekunde. Damit beträgt die Belichtungszeit für die Herstellung eines 3 mm großen Zahnrades, das bereits auf einer Welle montiert und in einem Gehäuse eingebaut ist, nur rund 15 Minuten. Ziel ist jedoch eine Steigerung der Belichtungsgeschwindigkeit auf mehrere Meter pro Sekunde. Für die Belichtungsdauer des montierten Zahnrades würde dies eine Verringerung um den Faktor 10 bedeuten.
Mittelfristig soll die Laserleistung vergrößert werden, ebenso die Repetitionsrate. Auch schnellere Strahlablenkungssysteme sollen helfen, das Potenzial des Verfahrens für eine individualisierte Massenproduktion zu erschließen. Die Fertigung von Mikrobauteilen in Klein- und Großserien soll – ebenso wie die Massenproduktion individualisierter Bauteile – dadurch kosteneffizienter und flexibler werden.
  • Axel Bauer Fraunhofer ILT, Aachen
  • Weitere Informationen Über das Fraunhofer ILT: www.ilt.fraunhofer.de Auf der Compamed: Halle 8a, Stand F34
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