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Kämpfen mit der blinkenden Kaffeetasse

Systeme zur Müdigkeitserkennung: Gegenteiliger Effekt
Kämpfen mit der blinkenden Kaffeetasse

Kämpfen mit der blinkenden Kaffeetasse
Ein Müdigkeitsassistent bewirkte in Tests überraschenderweise, dass die Fahrer sich eher motiviert fühlten, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, als eine Pause einzulegen (© GYNEX – Fotolia.com)
Länger fahren statt früher Pause machen: Wer durch einen Müdigkeitsassistenten an Bord seines Fahrzeugs gewarnt wird, macht im Durchschnitt 20 Minuten später Pause, fand eine Forscherin an der TU Berlin heraus.

„Fünfzehn bis zwanzig Prozent aller schweren Unfälle auf Schnellstraßen sind auf Übermüdung zurückzuführen“, sagt Dr. Katja Karrer-Gauß vom Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme an der TU Berlin. Müdigkeit sei eine der folgenschwersten Unfallursachen, aber doch auch eine, die vermeidbar sei. So genannte Systeme zur Müdigkeitserkennung in Lkw und Pkw sollen den Fahrer dazu veranlassen, bei Müdigkeit eine Pause einzulegen. Aber erzielen diese Warnsysteme überhaupt den gewünschten Effekt und wie müssen sie gestaltet sein, damit der Fahrer seine Fahrt unterbricht? Mit dieser Frage hat sich Katja Karrer-Gauß in ihrer Dissertation auseinandergesetzt.

Dazu ließ sie ihre Probanden in einem Fahrsimulator mit und ohne System zur Müdigkeitserkennung fahren. „Es stellte sich heraus, dass allein die Tatsache, von einem System überwacht zu werden, Einfluss auf das Verhalten der Fahrer hat. Der Müdigkeitsassistent bewirkte überraschenderweise, dass der Fahrer sich eher motiviert fühlte, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, als eine Pause einzulegen“, sagt Katja Karrer-Gauß. „Im Durchschnitt waren die Probanden mit einem Müdigkeitsassistenten an Bord zwannzig Minuten später bereit zu pausieren.“ Dieses Ergebnis überrascht, konterkariert es doch die eigentliche Absicht des Systems.
Eine Befragung von Berufskraftfahrern ergab weiter, dass Müdigkeitswarnsysteme die Fahrer zu einer Risikokompensation verführen. In dem Bewusstsein, von dem System bei Müdigkeit gewarnt zu werden, gaben die Befragten an, sich gegebenenfalls über die eigene Einschätzung ihrer Müdigkeit hinwegzusetzen und „dichter an die Übermüdungsgrenze heranzufahren“, also länger zu fahren und sich somit riskanter zu verhalten.
Bei ihren Untersuchungen ist die Psychologin zudem auf ein Problem gestoßen, das solche Systeme im Kern berührt: Forscher erachteten eine Müdigkeitsanzeige als sinnvoll, Lkw-Fahrer als nutzlos, „weil das Problem nicht die Müdigkeitserkennung sei, sondern der enorme Druck, unter dem die Kraftfahrer stünden, Termine einzuhalten, die sie zu langen Fahrten zwängen“.
Für Katja Karrer-Gauß ist daher klar, dass ein Kaffeetassensymbol aufblinken zu lassen nicht reicht. Es müsse vielmehr konkret vermittelt werden, wie müde der Fahrer ist und dass bei einer Weiterfahrt eine Gefahr bestehe. So werde ausströmender Pfefferminzduft weder mit Müdigkeit noch mit einer Gefahr in Verbindung gebracht, das Rütteln des Lenkrads transportiere schon eher ein Risiko.
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