Chronische Erkrankungen können verschiedene Gewebe des Körpers schädigen. Für eine möglichst gezielte, lokale Therapie entwickelt ein Kieler Forschungsteam im Projekt „Blue-Bio-Pol“ medizinische Materialien aus marinen Biopolymeren. Sie sollen lokale und regenerative Therapieformen für das Herz-Kreislaufsystem, zur Behandlung von Entzündungen oder von Knochen- und Knorpeldefekten ermöglichen. Die natürlichen Biopolymere, die zum Beispiel aus Algen gewonnen werden, dienen als Bausteine für unterschiedliche Trägermaterialien und sollen in medizinischen Pilotprojekten eingesetzt werden.
Je nach Anwendung unterschiedliches Material
Ob medizinische Wirkstoffe in entzündete Gelenkknorpel injiziert werden oder gentherapeutische Ansätze Aneurysmen im Herz verhindern sollen – je nach Anwendung wird ein anderes Trägermaterial benötigt. „Für eine wirkungsvolle Therapie braucht es ein individuelles Transportsystem, das den Wirkstoff, die Zelle oder den Genvektor zum Wirkungsort bringt“, sagt Prof. Sabine Fuchs, Leiterin der Experimentellen Unfallchirurgie am UKSH und Koordinatorin des Projekts „Blue-Bio-Pol“. Dafür müssen verschiedene Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Das ermögliche ihnen jetzt die Förderung des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von rund 800 000 Euro.
Maritime Hydrogele sind gut verträglich
Als Trägermaterial eignen sich Hydrogele besonders gut, da sie der Grundsubstanz von menschlichem Gewebe ähneln. Sowohl ihre Form als auch ihre Eigenschaften lassen sich flexibel an unterschiedliche Gewebedefekte anpassen. „Für die Herstellung von Hydrogelen kommen zum Beispiel natürlich vorkommende marine Polysacchariden in Frage, denn sie gelten gemeinhin als biokompatibel und biologisch abbaubar“, sagt Susanne Woldmann von der Oceanbasis GmbH. Für das Bluebiopol-Projekt gewinnt das Unternehmen mit Sitz in Kiel marine Biopolymere wie Kollagen aus Quallen oder Alginat aus dem Zuckertang in eigener Aquakultur in Kiel und aus weiteren kultivierten Braunalgen. „Auch Abkömmlinge von Chitin, das sich zum Beispiel als Gerüstmaterial im Panzer von Krustentieren findet, eignen sich sehr gut zur Entwicklung der Trägermaterialien“, so Prof. Sabine Fuchs.
Hydrogel kombiniert mit biokompatiblen Nanomaterialien
Um die Eigenschaften der Hydrogele gezielt an die jeweiligen medizinischen Anwendungen anzupassen, kombinieren Forschende der Materialwissenschaft sie mit biokompatiblen Nanomaterialien. „Indem wir bestimmte, funktionale Nanomaterialien in die Hydrogele einbringen, erhalten sie neue Funktionen. So können sie zum Beispiel responsiv werden und auf äußere Reize wie Licht, Temperatur oder elektrische Signale reagieren“, erklärt Teilprojektleiter Dr. Fabian Schütt aus der Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Darüber lassen sie sich steuern, um zum Beispiel transportierte Wirkstoffe kontrolliert freizusetzen.
Die biomedizinische Anwendung dieser neuen Trägermaterialien wird zum einen in Bezug auf Effekte von Implantaten und bioaktiven Substanzen auf Regenerationsprozesse im Knochen und Knorpel untersucht. Zum anderen entwickeln die Forscher Transportsysteme, um therapeutische Gentransfervektoren zur Behandlung von Durchblutungsstörungen und Aneurysmen in Muskelgewebe beziehungsweise in die Gefäßwand zu bringen. Zudem untersuchen die Forscher, inwieweit sich die Hydrogele nutzen lassen, um Implantate im 3D (Bio)Drucker herzustellen.
Am Ende soll eine Ausgründung die Ergebnisse in die Praxis bringen und die medizinische Biomaterialentwicklung in der Region vorantreiben.
Kontakt:
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Prof. Sabine Fuchs
Projektleitung „BlueBioPol“
Telefon: +49 (0)431 500 24561
E-Mail: sabine.fuchs@uksh.de
Weitere Informationen:
www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/199-bluebiopol
https://bluehealthtech.de