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Auf Immerwiedersehen

Drahtlose Sensornetzwerke: Im Praxistest werden Geräte geortet und Blutkonserven überwacht
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Wenn Medizingeräte ihren Standort melden und Blutkonserven ihre Temperatur, und das nur der erste Schritt zu viel mehr ist … dann ist Smart-Object-Technologie im Einsatz, wie sie gerade im Universitätsklinikum Erlangen getestet wird.

RFID hat sich in der Logistik bewährt und verbreitet sich im Krankenhausmarkt. Die Entwicklung schreitet aber schon weiter voran, und aktive drahtlose Sensornetzwerke versprechen mehr als die etablierte RFID-Technik: Solche Sensornetzwerke können die Basis für mobile und ubiquitäre Dienste bilden.

Dass das nicht reine Zukunftsmusik ist, zeigt ein Praxistest, der Ende Januar 2010 am Universitätsklinikum Erlangen startete. Bis Ende März wurden dort in der operativen Chirurgie, der interdisziplinären Intensivstation und der Blutbank insgesamt mehr als 500 so genannter Sensorknoten im Testbetrieb eingesetzt. Sie wurden zum Beispiel an Blutkonserven befestigt, bevor diese an den OP ausgegeben wurden. So waren die Chargennummer des Blutes und die Fallnummer des Empfängerpatienten hinterlegt. Der Sinn der Sache: Wird während einer Operation das Blut benötigt, lässt sich über ein Zusammenführen des Patientenknotens mit dem Blutbeutel die Identität geprüft. Passen beide zusammen, gibt eine LED grünes Licht. Wenn etwas schief gelaufen ist, warnt hingegen ein rotes Signal.
Auf diese Weise wird der Blutbeutel zum Smart Object – eine Bezeichnung, die für alle Geräte oder Materialien verwendet wird, die mit aktiven Funkknoten ausgestattet sind. Diese Funkknoten können sich selbstständig in einem drahtlosen Netzwerk organisieren und sind mit verschiedenen Sensoren bestückt, die beispielsweise Temperatur oder Bewegung erfassen. Daher wird oft auch die Bezeichnung Sensorknoten verwendet. Funk- oder Sensorknoten – und damit auch die Objekte, an denen sie angebracht werden – können sich selbst über zellenbasierte und triangulationsbasierte Algorithmen lokalisieren. Sie geben also ihren Aufenthaltsort innerhalb eines definierten Rasters bekannt. Die erfassten Umgebungsdaten, wie etwa Temperaturen oder Positionen, werden an fest installierte Ankerknoten übermittelt. Sie stellen den Übergang zum Krankenhausnetzwerk her. Dass die Sensorknoten selbst über Intelligenz verfügen, hat seinen besonderen Charme. So können sogar Entscheidungen direkt vor Ort ohne zentralen Server getroffen werden.
Der Testbetrieb am Uniklinikum Erlangen ist Teil des Forschungsprojektes Opal Health. Im Rahmen dieses Projektes wird eine Lösung entwickelt, deren Smart Objects auf der s-net-Kommunikationstechnologie für drahtlose, Energie sparende Sensornetzwerke des Fraunhofer IIS beruht. Dieses Smart-Object-Netzwerk nutzt eine Hardware, um mit beliebiger Sensorik und Aktorik verschiedene Szenarien abzudecken.
Die Herausforderung besteht darin, eine generische Plattform zu schaffen, auf der verschiedene Dienste aufsetzen können. Bisherige Ansätze konzentrieren sich noch auf spezifische Anwendungen. Sobald aber Medizingeräte oder Blutkonserven zu Objekten werden und sich die Möglichkeit zur zeitnahen Lokalisierung, Identifizierung und Zustandsüberwachung bietet, werden neue Dienste und Geschäftsmodelle denkbar.
Dabei geht es in Opal Health zunächst darum, Transport, Lagerung und Nutzung medizinischer Geräte und Gegenstände wie Blutkonserven lückenlos zu verfolgen und zu dokumentieren. Gründe dafür gibt es in der Praxis: Schließlich werden mobile Geräte immer wieder mühsam gesucht, und bis zu 10 % von ihnen bleiben jedes Jahr unauffindbar. Noch dramatischer ist die Entwicklung im Zusammenhang mit Blutspenden. Von den jährlich rund 4,5 Millionen Spenden in Deutschland müssen viele wegen Fehlplanungen oder Unbrauchbarkeit entsorgt werden. Ganz abgesehen davon, dass dieser Umstand unter medizinischen Gesichtspunkten untragbar ist, ist er auch noch sehr teuer. Eine Blutkonserve kostet zwischen 180 und 400 Euro.
Die Smart-Objects-Technologie bietet auch den Vorteil der geringen, zur Funkkommunikation benötigten Sendeleistungen. Diese liegen um Größenordnungen unterhalb der klassischer RFID-Lesegeräte und vermindern damit das Risiko von Störungen medizinischer Geräte. RFID-Lesegeräte benötigen mit rund 2 W eine relativ hohe Sendeleistung, die Störungen an sensiblen, medizinischen Geräten auslösen kann. Die für Opal Health entwickelten Smart Objects kommen hingegen mit nur 10 mW aus. Um die IEC-Norm 60601-1-2 für die elektromagnetische Verträglichkeit von medizinischen Geräten zu erfüllen, reicht bei den Smart Objects ein konstruktionsbedingter Schutzabstand von 7,6 mm, der durch das Gehäuse gegeben ist.
Eine wesentliche Eigenschaft ist auch die Einbettung in die klinische IT-Infrastruktur und die täglichen Arbeitsabläufe. Für die Realisierung der Middleware wurde bewusst auf offene Standards serviceorientierter Architekturen (Webservices, SOAP, XML) Wert gelegt. Dadurch kann das System an vorhandene Systeme angepasst werden. Eine eigene Datenbank hält alle Daten in einem Zwischenspeicher, so dass die Kommunikation performant laufen kann. Die Einbettung in die täglichen Arbeitsabläufe der verschiedenen Akteure wie Ärzte, medizinisch-technische Assistenten und Wartungstechniker wurde durch deren frühe Mitwirkung bei der Gestaltung der Prozessveränderung erreicht. Dabei sollten mit der neuen Technologie Arbeitsabläufe erleichtert werden, ohne die Akteure mit zusätzlichen manuellen Arbeiten zu sehr zu belasten.
Die Technologie der drahtlosen Sensornetzwerke birgt allerdings neben den Vorteilen auch Risiken, da Informationen drahtlos übertragen werden und diese potenziell abgehört und entschlüsselt werden können. Daher wurden in einer Risikoanalyse über 400 Risiken betrachtet und Gegenmaßnahmen ergriffen, um sie zu minimieren. Beispielsweise werden für Opal Health keine sensiblen Daten auf den Sensorknoten gespeichert. Zum Integritätsschutz trägt die weltweit eindeutige, bei der Produktion des Sensorknoten angebrachte ID bei.
Einen Punkt gilt es in jedem Fall noch zu verbessern, bevor sich drahtlose Sensornetzwerke ausbreiten können. Für viele Anwendungen sind die heutigen Smart Tags noch zu groß und zu teuer. Durch eine Optimierung des Layouts, der Bestückung und der Gehäuseform lassen sich etwa 30 % Volumen einsparen. Neue Generationen von Mikroprozessoren, die bereits einen Transceiver beinhalten, stehen kurz vor der Markteinführung und erlauben eine weitere Kosten- und Größenreduktion.
So zeigt das Projekt Opal Health heute, wie eine Plattform für klinische Daten und Dienste auf Basis von Smart Tags aussehen kann. Der Feldversuch wird die Alltagstauglichkeit belegen und Fakten zu Kosten und Nutzen des Ansatzes liefern.
Dr. Martin Sedlmayr Lehrstuhl für Medizinische Informatik der Uni Erlangen-Nürnberg

Das sind Smart Objects
Was macht Objekte zu Smart Objects – so genannten intelligenten Objekten? Die Objekte werden schlau, wenn sie mit Funkknoten ausgestattet werden, die Informationen erfassen, verarbeiten und speichern können und darüber hinaus mit ihrer Umgebung interagieren. Die Funkknoten können sogar anwendungsorientierte Aufgaben dezentral bearbeiten. Ein Beispiel dafür ist, dass beim Patienten anhand seiner Daten und anhand der Daten an der Blutkonserve geprüft wird, ob sie für ihn die Richtige ist.
Experten nennen einige Argumente für den Einsatz intelligenter Objekte. Smart Objects
      • können selbstständig aktiv werden und Entscheidungen treffen,
      • benötigen keine Aktivierung durch ein Lesegerät,
      • übermitteln und dokumentieren kontinuierlich ihren Zustand,
      • senden mit einer geringen Leistung und
      • verbrauchen sehr wenig Strom.

Ihr Stichwort
      • Drahtlose Sensor-Netzwerke
      • Vergleich zur RFID-Technik
      • Praxistest Uni Erlangen
      • Vorteile der Smart Objects
      • Risiken und Ausblick
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