Startseite » Technik » Fertigung »

Tröpfchen für Tröpfchen – aus dem Tintenstrahl

Mikrodispenser-Technologie: Stents lassen sich einseitig beschichten
Tröpfchen für Tröpfchen – aus dem Tintenstrahl

Die Elektronikbranche hat es vorgemacht: Mit kleinen Tropfen lassen sich dünne Linien und Strukturen auf Bauteile drucken. Auch bei der Beschichtung von Stents und Implantaten liefert die Inkjet-Technologie präzise Ergebnisse.

„Unsere Kunden nennen es Drucken, wir sprechen vom Dispensen“, stellt Wilhelm Meyer klar, Geschäftsführer der Microdrop Technologies GmbH mit Sitz in Norderstedt. Sein Unternehmen versteht sich darauf, kleine Flüssigkeitsmengen im Pico- bis Nanoliterbereich mit hoher Präzision berührungslos und computergesteuert auf dreidimensionale Oberflächen zu applizieren. Dazu gehören Öle, gelöste Polymere, Kleber, Wachse, organische Lösungsmittel oder Salzlösungen. Mit ihnen werden Oberflächen beschichtet, benetzt, geschmiert oder verklebt.

Die von Microdrop genutzte Tintenstrahl- oder Inkjet-Technologie ist im Prinzip vergleichbar mit der, die man vom Office-Drucker her kennt: Eine Glaskapillare mit einer Düse saugt die jeweilige Flüssigkeit auf und gibt sie beliebig wieder ab. Dazu löst ein Piezoaktuator eine Druckwelle in der Kapillare aus. Diese beschleunigt die Flüssigkeit und führt dazu, dass ein Tropfen vorne aus der Düse herausschießt. Durch einen Spannungsimpuls kontraktiert und expandiert das Piezokristall und erzeugt im Tintenröhrchen Schallwellen, die nach Überlagerung einen Tropfen aus der Düse pressen. Mit der Piezospannung kann die Tropfengeschwindigkeit wie auch die Entstehung des Tropfens beeinflusst werden.
Die großen Unterschiede zum Office-Drucker: Für das Applizieren von Flüssigkeiten im industriellen Bereich verwendet der Hersteller Glaskapillare sowie Teflonschläuche – also inerte Materialien; chemische Reaktionen mit den verwendeten Flüssigkeiten sind dabei so gut wie ausgeschlossen. Außerdem müssen die Prozessparameter der jeweiligen Anwendung entsprechend angepasst und optimiert werden: So hängt die Größe der Tropfen wesentlich vom Durchmesser der Kapillare sowie von der der Viskosität der Flüssigkeit ab. Möglich sind bei Microdrop-Systemen Tropfengrößen zwischen 30 und 100 µm.
Eine neue Controller-Generation ermöglicht die Erzeugung kleiner Tropfen aus großen Düsen. „Damit können Materialien wie leitfähige Nanotinten und Klebstoffe in Strukturgrößen bis in den 35-µm-Bereich und kleiner gedruckt werden“, so Meyer. Bei Raumtemperatur sind Viskositäten von 1 bis 150 mPas verarbeitbar. Der Geschäftsführer: „Vom Verhältnis der Oberflächenspannung zum Volumen hängt es ab, wie sich ein Tropfen ausbildet. Generell gilt: Je kleiner das Volumen ist, desto stärker werden die Kräfte, die das Tröpfchen zusammenhalten und in ihrer Flugbahn beeinflussen.“ Darüber hinaus hat das Unternehmen neben seiner Mikrodispenser-Technologie das Know-how, um sicherzustellen, dass die Partikel der Flüssigkeit sich gleichmäßig auf der Oberfläche verteilen oder nicht zu Verstopfungen des Druckkopfs führen.
Da mit der Inkjet-Technologie sehr kleine und präzise gemessene Mengen dispergiert werden und die Technologie keinen Einfluss auf die sensitiven Flüssigkeiten hat, die appliziert werden, ist sie auch in der Medizin- und Lifescience-Branche prozessfähig: So hat Microdrop ein Kundensystem zur Beschichtung von medikamentenfreisetzenden Stents entwickelt. Dabei sollte nur die Seite des Stents beschichtet werden, die zum Gefäß hin zeigt. Durch diese abluminale Stentbeschichtung ist gesichert, dass das Medikament nur in die Gefäßwand und nicht in die Blutzirkulation abgegeben wird.
„Die Beschichtung besteht aus einem Gemisch aus einem Polymer und einem toxischen Medikament, gelöst in einem Lösungsmittel“, erläutert Meyer. Das Polymer sorgt dafür, dass das Medikament über einen längeren Zeitraum abgegeben wird. Mit einer Länge von 10 bis 20 mm und einem Durchmesser von 2 mm handelt es sich um ein recht filigranes Bauteil. „Vor allem ist es sehr schwer, ein solches Bauteil für die Oberflächenbeschichtung aufzuspannen“, erläutert Meyer. Die hierbei entstehenden Kräfte verspannen das flexible Drahtgeflecht und so kommt es bei jeder Neueinspannung zu einer anderen Lage der Drähte untereinander.
„Das führt dazu, dass jeder Stent individuell und neu vermessen werden muss, um die geforderte Präzision während des Beschichtungsprozesses zu erzielen“, erklärt Meyer. „Dennoch sollte die Beschichtung möglichst homogen sein. Und die aufgetragene Menge muss wegen des Medikaments sehr genau dosiert sein.“ Als eine weitere Herausforderung stellte sich das Fließverhalten des Polymers dar, da es relativ zähflüssig reagiert. Meyer: „Wir mussten das Material so optimieren, dass man es drucken konnte.“
Das Ergebnis: Der Stent wird auf einen rotierenden Dorn aufgebracht. Der gegenüber angebrachte Druckkopf des Dispenser-Systems bewegt sich in axialer Richtung. Sensoren und Elektronik sorgen dann dafür, dass die Flüssigkeit genau dann appliziert wird, wenn die geforderte Position eines Drahtelements unter dem Dosierkopf durch fährt.
Bis zu zehn Stents lassen sich mit diesem System in der Stunde beschichten. Es arbeitet vollautomatisch, unterstützt von Dosierrobotern. „Wir erreichen damit eine Präzision von deutlich über 90 Prozent, bezogen auf die applizierte Stoffmenge und Homogenität der Beschichtung“, sagt Meyer.
Auch zur Beschichtung von diagnostischen Sensoren zur Messung von Blutwerten eignet sich die Inkjet-Technologie: Die aufgebrachten Mengen Enzyme oder andere Wirkstoffe lassen sich genau festlegen – und auch das Auftragen verschiedener Proteine an unterschiedlichen Stellen ist möglich.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Ihr Stichwort
• Mikrodosierung
• Stent-Beschichtung
• Inkjet-Druck • Piezotechnik • Nanopartikel
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de