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Schrauben für die Endoprothetik besser stoßen als räumen

Werkzeug
Schrauben für die Endoprothetik: besser stoßen als räumen

Bearbeiten von CoCr | Um Implantat-Schrauben aus einer CoCr-Legierung präzise herzustellen und die erforderlichen Standzeiten beim Werkzeug zu erreichen, wechselte ein Hersteller den Prozess. Er stieg vom Räumen auf das Stoßen um und bekam vom Werkzeuganbieter die an seine Anforderungen angepassten Werkzeuge.

Nico Sauermann
Paul Horn, Tübingen

Beim Bearbeiten von Cobalt-Chrom-Legierungen stellen wir sehr hohe Ansprüche an das Werkzeug“, sagt Tibor Veres. Das hat unter anderem mit den hohen Kosten für den Werkstoff zu tun – und daher setzt der Geschäftsführer der Hymec Fertigungstechnik GmbH aus Norderstedt beim Zerspanen der Superlegierungen auf Werkzeuge der Paul Horn GmbH.

Eingesetzt werden die Präzisionswerkzeuge des Tübinger Unternehmens unter anderem beim Stoßen eines Innensechskants einer Implantat-Schraube. Sie gehört zur Baugruppe eines künstlichen Kniegelenks. Hymec fertigt Schrauben dieses Typs in Schlüsselweiten von 2,5 mm, 3,5 mm und 5 mm mit geringer Toleranz, damit die Schraube fest auf dem Sechskantschlüssel sitzt. Die Oberflächengüte muss sehr hoch sein, um keine Keimherde entstehen zu lassen.

Üblicherweise lässt sich ein Sechskant in Titan durch das Profilräumen relativ einfach fertigen, erläutert Geschäftsführer Veres. „In Cobalt-Chrom ist das Räumen in Serie wegen der hohen Festigkeit aber kaum möglich und der Werkzeugverschleiß erheblich.“ CoCr gehört zu den leistungsfähigsten Werkstoffen für die Endoprothetik, ist biokompatibel und korrosionsfrei.

Da das Bearbeiten solcher Implantatschrauben eine anspruchsvolle Aufgabe ist, zogen die Fachleute von Hymec den technischen Berater von Horn, Thomas Wassersleben, zu Rate. Dieser schlug einen Wechsel des Verfahrens vor: Mit dem präzisen und prozesssicheren Stoßverfahren sollte sich der Innensechskant gut herstellen lassen. Schneidengeometrie und Hartmetallsubstrat lassen sich leicht an den Werkstoff anpassen.

Die ersten Versuche brachten schnell die Lösung. „Durch das Stoßwerkzeug lassen sich genaue Passungen herstellen, und die Oberflächen sind sehr gut“, sagt Veres. Im Stoßprozess bohrt ein Vollhartmetallbohrer des Horn-Systems DD eine Bohrung mit dem Durchmesser 4,9 mm in den Schraubenkopf. Der Bohrer aus dem Standard-Sortiment hat eine innere Kühlmittelzufuhr und ist mit einer Geometrie für rostfreie Stähle ausgestattet.

Der Anschnittkegel der Sacklochbohrung dient beim Stoßen als Auslauf- beziehungsweise Freilaufzone des Stoßwerkzeuges. Aufgrund der geringen Höhe des Schraubenkopfes war ein Freistich als Auslauf nicht möglich. Das Werkzeug fährt zum Brechen der Späne am Ende der Schlüsselfläche auf einer programmierten Bahn in die Freilaufzone.

Der harte Werkstoff machte Anpassungen erforderlich

Das Stoßen des Innensechskants mit der Schlüsselweite von 5 mm übernimmt ein Supermini-Werkzeug des Typs N105. Die Zustellung der Einzelhübe liegt bei 0,02 mm. Nach der Fertigstellung einer Fläche dreht das Futter weiter, um mit der nächsten Fläche fortzufahren. Die Prozesszeit der Stoßoperation liegt bei rund 2 min und wird auf einer CNC-Drehmaschine von Mori Seiki durchgeführt. Der Stoßprozess erfolgt über die Bewegung des Werkzeugrevolvers.

Der harte und zähe Werkstoff Cobalt-Chrom erforderte allerdings Anpassungen: bei der Schneidengeometrie, dem Hartmetallsubstrat, der Beschichtung, den Bearbeitungsbedingungen und der Kühlschmierung. Die Hartpartikel in der Legierung neigen dazu, Abrasiv- und Kolkverschleiß hervorzurufen. Darüber hinaus ist die Kaltverfestigung der Oberfläche ein Problem bei der Zerspanung. Die Werkzeugschneide ist hier – wie bei der Zerspanung von Titan – schleifscharf und nicht verrundet, aber im Gegensatz zur Titanbearbeitung ist der Schneidkeil stabiler ausgeführt. Als Hartmetallsubstrat dient eine zähe Feinstkornsorte. Die Beschichtung der Werkzeuge muss für solche Anwendungen hart und hitzebeständig sein. Auch die Kühlschmierung der Kontaktzone zwischen Werkzeug und Werkstück hat einen großen Einfluss.

Veres ist mit der neuen Bearbeitungslösung zufrieden: „Die Werkzeuge sind sehr präzise, nach einem Wechsel ist kaum eine Korrektur nötig. Auch die erreichte Standzeit von 100 Schrauben pro Schneide macht uns sehr zufrieden.“ Wegen der hohen Oberflächengüte des Innensechskants sei keine weitere Nachbehandlung nötig.


Über Hymec

Die Hymec Fertigungstechnik GmbH hat sich auf medizintechnische Produkte, Einzelanfertigungen und anspruchsvolle Kleinserien spezialisiert – zum Beispiel Orthopädieimplantate samt den dazugehörigen Instrumenten. Hergestellt werden feinmechanische Elemente und komplette Baugruppen aus Hightech-Werkstoffen wie hochfesten Aluminium- und Titanlegierungen, Implantatstählen und Superlegierungen wie Cobalt-Chrom (CoCr) . Daneben gehören die technische Beratung von der Konzeption über die Konstruktion bis hin zum Qualitätsaudit zum Angebot.
Tibor Veres führt das von seinem Vater im Jahre 1972 gegründete Unternehmen in der zweiten Generation.

www.hymec.de

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