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AMB Stuttgart: Metallbearbeitung auch für Härtefälle

Messe AMB
Metallbearbeitung auch für Härtefälle

Metallbearbeitung auch für Härtefälle
Auf der AMB finden Metallverarbeiter aus der Medizintechnik viele Lösungen für ihre Fertigungsaufgaben Bild: Messe Stuttgart
Die Metallbearbeitung weist in der Medizintechnik einige Besonderheiten auf: Oft ist eine außerordentlich hohe Präzision gefordert, außerdem kommen vielfach schwer zerspanbare Werkstoffe zum Einsatz. Lösungen zeigt die AMB in Stuttgart.

Sabine Koll
Journalistin in Böblingen

Werkstoff-Innovationen gehören nach Einschätzung der Future Management Group zu den wichtigsten Trends in der Medizintechnik bis zum Jahr 2030. Sie bilden die „Grundlage für die nächste Generation medizintechnischer Produkte mit neuen oder verbesserten Eigenschaften – unter anderem hinsichtlich Beständigkeit, Stabilität, Biokompatibilität, Hygiene, Verformbarkeit, Rohstoffverbrauch oder Recyclingfähigkeit“. Als Beispiele nennt das Beratungshaus carbonfaserverstärkte Werkstoffe oder Magnesium. Der Nachteil dieser Werkstoffe: Sie sind schwer zerspanbar; ebenso wie Kobalt-Chrom-Legierungen, Keramikwerkstoffe oder hochlegierte Stähle. So verkürzen Kobalt-Chrom-Legierungen, die bei Implantaten zunehmend Titan ersetzen, die Nutzungsdauer von Schneidwerkzeugen gegenüber Titanwerkstoffen auf ein Drittel.

Beispiel carbonfaserverstärkte Werkstoffe: Lastgerecht konzipierte Bauteile sind meist endlosfaserverstärkt und schalenförmig ausgelegt. Diese Auslegung bedingt laut Präzisionswerkzeughersteller Gühring, dass die Bauteile nicht besonders steif sind, solange sie nicht im Verbund verbaut sind oder in einer nicht auslegungskonformen Richtung belastet werden. Die fehlende Steifigkeit erschwert die Aufspannung der Bauteile und begünstigt Schwingungen und Geometrieabweichungen. Die zur Verstärkung eingebrachten Carbonfasern wirken zudem abrasiv auf die Schneide des Werkzeugs.

Spezielle Werkzeuge für
faserverstärkte Werkstoffe

Mit konventionellen Fräsergeometrien gelingt es nicht, die Fasern zu trennen, da diese beim Bearbeiten kaum Widerstand bieten und somit kein Schneiddruck aufgebaut wird. Für Besäumoperationen an den Bauteilkanten, zum Erzeugen von Ausschnitten und beim Herstellen von Bohrungen größeren Durchmessers durch zirkulare Fräsoperationen kommen aus diesem Grund Fräser wie der FR 100 von Gühring mit so genannten Kompressionsgeometrien zum Einsatz: Der Fräser drückt durch die Schneidenanordnung in axialer Richtung gegen das zu bearbeitende Material. Dieser axiale Druck ermöglicht es auch, bei sehr flexiblen Fasern den notwendigen Schneiddruck aufzubauen: So werden sie getrennt, ohne einzelne Fasern auszureißen oder Delaminationen an der Bauteilkante zu verursachen. Für eine wirtschaftliche Bearbeitung von Faserverbundbauteilen in der Serienfertigung mit hohen Schnittgeschwindigkeiten und Vorschüben haben sich beim Werkzeug nanokristalline Diamantschichten bewährt, um der abrasiven Belastung an den Schneiden entgegenzuwirken.

Für das Bearbeiten von carbon- und glasfaserverstärkten Materialien stellt Hufschmied auf der AMB den neuen Hexacut Eco-Fräser vor. Er konnte in einem Kundenprojekt die Prozesskosten nachweislich um bis zu 40 % senken. Für den Hochgeschwindigkeitsfräser wurden Schneidengeometrie und Diamantbeschichtung aufeinander abgestimmt, sodass sich verstärkte Bauteile ohne Ausfransungen, Delamination und ohne Werkzeugwechsel für Schruppen und Schlichten in einem Prozessschritt bearbeiten lassen. Insbesondere bei anspruchsvollen Werkstoffkombinationen mit Kupfer-Mesh können so zeit- und kostenintensive Nachbearbeitungsprozesse entfallen.

Ultraschall und Laser ergänzen
traditionelle CNC-Bearbeitung

Für die Komplettbearbeitung so genannter Advanced Materials wie Glas, Keramik, Saphir, Hartmetall und Verbundstoffe sowie Karbid empfiehlt DMG Mori Werkzeugmaschinen mit Ultraschall-Technologie. Die neue Ultrasonic 20 Linear kombiniert das Hochgeschwindigkeitsfräsen mit dem hocheffizienten Ultrasonic-Schleifen auf einer Maschine. Sie bietet Spindeldrehzahlen von bis zu 60 000–1 und sorgt für ein hohes Abtragsvolumen, eine präzise Kantenbearbeitung und um bis zu 40 % reduzierte Prozesskräfte. Bei Fräsanwendungen in Titan konnten die Prozesskräfte um bis zu 30 % reduziert werden. Bei Stahl sind doppelte Vorschubgeschwindigkeiten möglich, bei Magnesium können die Vorschubgeschwindigkeiten teilweise bis auf das Fünffache erhöht werden. Dies erhöht die Präzision der Werkstücke und die Zuverlässigkeit des Prozesses. Darüber hinaus führt die oszillierende Unterbrechung des Werkzeugkontaktes mit dem Werkstück zu einer verbesserten Schmierung und Kühlung der Schneidkanten. Abgetragene Partikel werden aus dem Arbeitsbereich entfernt. Resultat ist eine längere Standzeit der Werkzeuge und eine Oberflächengüte von bis zu 0,1 µm bei hart-spröden Hochleistungsmaterialien.

Eine hohe Präzision ist auch in der Mikrobearbeitung gefordert. Da Mikroteile aber immer kleiner und komplexer werden, stoßen traditionelle CNC-Bearbeitungsmaschinen allmählich an ihre Grenzen. GF Machining Solutions hat deshalb im Frühjahr die sehr schnelle fünfachsige Laserplattform ML-5 vorgestellt. Sie ist für das Mikrolochbohren und Feinschneiden ohne Wärmeeinflusszone optimiert. Mit ±1 µm Positioniergenauigkeit und ±0,5 µm Wiederholgenauigkeit bietet sie bis zu fünf Bewegungsachsen und unterstützt mehrere Lasertypen.

Kleinste Bohrungen erzeugt der Laser

Der Medizintechnikbereich von Johnson Matthey beispielsweise setzt ein solch schlüsselfertiges automatisiertes Laserbearbeitungssystem ein, um Katheter-Ablationsspitzen herzustellen. Dank des ultraschnellen Laser-Feinschnitts und der Bohrung von Mikrolöchern erfolgt der Materialabtrag, ohne Hitze zu erzeugen. Auf diese Weise ist die Anfertigung kleinster Bohrungen mit einer ausreichend hohen Oberflächen- und Kantenqualität möglich, um Katheterspitzen mit neuen Geometrien herzustellen.

Citizen hat 2017 seine Cincom L20 Maschine für komplexe 3D-Fräsoperationen – etwa für Implantate oder Knochenschrauben aus schwer zu bearbeitenden Materialien wie Titan, Kobalt-Chrom oder hochlegierten Stählen – um Lasertechnologie erweitert, sodass Bauteile auf einer Maschine ohne Umrüsten hochpräzise gedreht und gelasert werden können.

Digitalisierung der
Fertigungsprozesse im Fokus

Ein großes Thema auf der AMB 2018 ist auch die Digitalisierung der mechanischen Bearbeitung. „Dort sind nicht etwa die technologischen Möglichkeiten ein limitierender Faktor. Vielmehr bestimmen die hohen Anforderungen in der Zertifizierung medizintechnischer Produkte den Prozess in der Medizintechnik“, erklärt Marcus Krüger, Leiter des Medical Excellence Center von DMG Mori. Daher sei es bei Fertigungslösungen heute wichtiger denn je, digitale Lösungen bereits in der Herstellung zu integrieren.

DMG Mori macht zudem mit der Bedienoberfläche Celos Version 5.0 die Durchgängigkeit von digitalen Workflows möglich – von der Planung über die Vorbereitung in die Fertigung bis zum Monitoring. So können mit der Celos-App „Digital Tooling“ alle für den Fertigungsprozess notwendigen Werkzeuginformationen zentral verwaltet werden: bei der NC-Programmierung und Simulation ebenso wie beim Rüsten, Einlesen und Beladen. Dabei kann von verschiedenen Systemen gleichzeitig auf die Werkzeugdaten zugegriffen werden. Alle prozessbezogenen Daten werden in einer zentralen Werkzeugverwaltung gespeichert, wodurch die Historie eines Werkzeugs transparent und lückenlos nachvollziehbar ist.

Modulare Software für die digitale Fabrik

Die Lösung von Chiron für die digitale Fabrik ist das modulare Software-System Smartline, das zur AMB erweitert wird: Die neue Komponente Conditionline analysiert beispielsweise vollautomatisch alle für einen zuverlässigen Betrieb relevanten Maschinenparameter und vergleicht sie mit einem im Werk erzeugten „digitalen Fingerabdruck“. „Dadurch lässt sich die Verfügbarkeit der Maschine erhöhen, Wartung und Reparaturen können gezielt geplant und so Produktivitätsverluste vermieden werden“, sagt Pascal Schröder, Experte für digitale Lösungen. Die Komponente Protectionline schützt in jeder Betriebsart präventiv vor Kollisionen. Dazu verfügen die Bearbeitungszentren über einen „digitalen Zwilling“, der die reale Maschine exakt abbildet. Im Betrieb fährt der digitale Zwilling der realen Maschine voraus – eine drohende Kollision wird erkannt und die Maschine kontrolliert stillgesetzt.

Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO der Heller-Gruppe, sieht in Industrie 4.0 den Ansatz, den Zustand von Werkzeugmaschinen jederzeit transparent zu machen und gewonnene Informationen mit bereits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszuwerten. Der Maschinenbauer bündelt unter „Heller4Industry“ alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Prozesskette stehen. Neben einer höheren Maschinenproduktivität konzentriert sich Heller auf die Unterstützung durchgängiger Engineering-Ketten. Zu den Neuentwicklungen, die auf der AMB zu sehen sind, zählt das Heller Services Interface, das in Kooperation mit Siemens entwickelt wurde.

Dr. Jan Brinkhaus, Leiter des Business Segments „Digital Solutions“ beim Präzisionswerkzeughersteller Ceratizit, verspricht sogar „Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz für die Werkzeugmaschine“: Das Assistenzsystem Toolscope erkennt beispielsweise automatisch Werkzeugbrüche, regelt adaptiv den Vorschub oder koppelt Werkzeugdaten auf Cloud-Server aus.


Weitere Informationen

Zur AMB:

www.messe-stuttgart.de/amb


AMB weiter auf Wachstumskurs

Deutsche und internationale Experten für die spanabhebende Metallbearbeitung treffen sich vom 18. bis 22. September 2018 auf der AMB in Stuttgart. Mehr als 1 500 Aussteller werden ihre Entwicklungen und Innovationen auf einer Bruttoausstellungsfläche von mehr als 120 000 m2 präsentieren. Die Zeichen stehen gut, dass dies die größte AMB aller Zeiten wird, denn mit der neuen Paul-Horn-Halle stehen 15 000 m2 mehr zur Verfügung. Die Ausstellungsbereiche sind thematisch neu gegliedert: In den Hallen 1 und 3 finden sich Bearbeitungswerkzeuge und Spannzeuge. In den Hallen 4 und 6 liegt der Schwerpunkt auf Drehmaschinen und -automaten. Halle 5 zeigt Schleif- und Werkzeugschleifmaschinen und alles was dazu gehört. Halle 8 stellt die Neuerungen bei Säge- und Trennschleifmaschinen, Oberflächentechnik, Markiersysteme, Härte-, Erwärmungsmaschinen, Schmierung und Kühlung sowie Sicherheits- und Umwelttechnik vor. Die Hallen 7und 9 sowie die neue Paul-Horn-Halle (Halle 10) runden das Programm mit Fräsmaschinen, abtragenden Werkzeugmaschinen, Messtechnik und Qualitätssicherung sowie flexiblen Fertigungszellen/-systemen, Bearbeitungszentren und Verzahn- beziehungsweise Bohrmaschinen ab. Die Anbieter für Steuerungs- und Antriebstechnik und für CAD/CAM/CAE sowie Fertigungssoftware finden sich ab sofort direkt am Eingangsbereich Ost und der Halle 2 am Zutritt zum Messegelände.

Bild: Messe Stuttgart

Sonderschau Digital Way

Auf der Sonderschau Digital Way erfahren Besucher der AMB, wie sie mit aktueller Informationstechnologie die Potenziale der Digitalisierung nutzen können. Im Mittelpunkt steht der zweitägige Kongress mit 36 Fachvorträgen rund um digitale Geschäftsmodelle und -prozesse im Zeitalter von Industrie 4.0, der in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Software und Digitalisierung im VDMA veranstaltet wird. Im Rahmen der begleitenden Ausstellung präsentieren rund 30 Firmen ihr aktuelles Lösungsangebot. Showcases, in denen digitale Abläufe anhand konkreter Aufgabenstellungen anschaulich abgebildet werden, runden das Progamm ab. Hier demonstrieren Unternehmen gemeinsam das Zusammenspiel vernetzter Abläufe.

Digital Way zeigt Showcases, in denen digitale Abläufe anhand konkreter Aufgabenstellungen anschaulich abgebildet werden
Bild: Messe Stuttgart
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