Startseite » Technik » Fertigung »

Grenzziehung erwünscht

Bildverarbeitung: Strukturadaptive Glättungsverfahren „sehen“ Formen
Grenzziehung erwünscht

Neue Geräte für die medizinische Bildgebung erlauben faszinierende und ungeahnte Einblicke in den menschlichen Körper. Ausgefeilte mathematische Analysemethoden schärfen dabei den Blick. Auch die vorhandene Technik profitiert von der Mathematik und entfaltet so deutlich mehr Potenzial.

Zahlreiche bildgebende Verfahren eröffnen der Medizin immer neue Möglichkeiten, mehr Details zu erkennen. Der Weg von der Messung bis zum fertigen Bild kommt dabei ohne Mathematik nicht aus, insbesondere bei dreidimensionalen Aufnahmen. Denn bevor ein Mediziner seine Schlüsse ziehen kann, müssen die Bilder rekonstruiert und die Qualität verbessert werden. Damit die Aufarbeitung Schritt hält mit der rasanten Entwicklung der Scannertechnik, arbeiten Forscher am Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) in Berlin an so genannten strukturadaptiven Glättungsverfahren – im Rahmen des Projektes A3 „Image and signal processing in medicine and biosciences“ des DFG-Forschungszentrums Matheon (Mathematik für Schlüsseltechnologien).

Alle bildgebenden Verfahren leiden unter dem so genannten Bildrauschen, den zufälligen Fehlern beim Messen der lokalen Bildinformation, insbesondere an den Grenzen der technisch möglichen räumlichen Auflösung. Die Ursachen sind physikalischer, aber auch physiologischer Art. In der Folge ergibt sich ein unscharfer, „verrauschter“ Bildeindruck, welcher die Konturen verwischt und die Interpretation erschwert. Man spricht dann von einem schlechten Signal-Rausch-Verhältnis (SNR).
Klassischerweise lässt sich das Rauschen mit Hilfe von nichtadaptiven Glättungsverfahren wie dem Gaußfilter verringern. Dabei werden die gemessenen Grauwerte des Bildes jeweils durch gewichtete Mittelwerte von Grauwerten unter Einschluss der lokalen Umgebung ersetzt. Die Gewichtung nutzt die „Gauß’sche Glockenkurve“ mit einer festzulegenden Breite, der sogenannten Bandweite. Sind die Grauwerte in der so definierten lokalen Umgebung in etwa gleich – etwa innerhalb eines Gewebetyps – heben sich bei der Mittelung die zufälligen Fehler der einzelnen Bildwerte näherungsweise auf, übrig bleibt eine verbesserte Schätzung für den wahren Grauwert.
Ein Problem entsteht, wenn in die Mittelung Grauwerte aus unterschiedlichen Gewebebereichen eingehen, nämlich an den Gewebegrenzen. Dann heben sich nicht nur die zufälligen Fehler auf, sondern es werden Grauwerte aus verschiedenen Gebieten gemittelt und es entsteht ein mittlerer Wert, der eigentlich überhaupt nicht vorkommt. Daher verbessern solche Verfahren die Bildqualität auf Kosten der effektiven Auflösung – feine Details „verschmieren“.
Die Arbeitsgruppe am WIAS entwickelt nun so genannte strukturadaptive Glättungsverfahren, die dieses Problem lösen und in der Lage sind, das Bildrauschen zu entfernen – gleichzeitig aber Form, Ausdehnung und Ränder relevanter Strukturen erhalten. In diesen Verfahren werden zusätzlich zu den gewichteten Mittelwerten auch die Regionen im Bild bestimmt, die als homogen anzusehen sind. Verglichen mit den normalen nichtadaptiven Verfahren ändert man dann die Gewichtung der jeweiligen Grauwerte so ab, dass in die Mittelung Grauwerte aus anderen Bereichen gar nicht eingehen. Solche Verfahren arbeiten iterativ von kleinen bis hin zu größeren Bandweiten und verbessern die Schätzung der wahren Grauwerte auch an den Kanten.
Besonders vorteilhaft sind diese Verfahren, wenn es an die Analyse dreidimensionaler Bilddaten geht. Während im Falle von 2D-Bildern der Mensch in der Lage ist, wichtige Strukturen gut zu erkennen, wird das bei 3D- sowie Raum-Zeit-Daten vielfach wesentlich komplexer. Solche Daten gehören jedoch heute schon zum Standardrepertoire der medizinischen Bildgebung. Hinzu kommt, dass mitunter wichtige diagnostisch relevante Größen erst nach der Bildrekonstruktion über umfangreiche mathematische Rechnungen aus den Messdaten gewonnen werden. Sind bereits die Ausgangsbilder stark verrauscht, erschwert dies die medizinische Interpretation zusätzlich. Ein Beispiel dafür ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI). Hier kollidiert der Wunsch nach höherer räumlicher Auflösung und damit mehr Detailreichtum mit einer untrennbar damit verbundenen Absenkung des SNR. Beim Einsatz nichtadaptiver Glättungsverfahren führt also eine höhere Auflösung zu weniger Detailreichtum. Hier können sich die am WIAS entwickelten Methoden bewähren: Sie erlauben die Rauschreduktion, erhalten aber gleichzeitig die effektive Auflösung – Kanten bleiben Kanten.
Dr. Karsten Tabelow WIAS, Forschungsverbund Berlin

Problem Bildrauschen
Bei allen bildgebenden Verfahren tritt ein Bildrauschen auf, das die Auswertung erschwert. Mit strukturadaptiven Glättungsalgorithmen, die am WIAS entwickelt werden, lassen sich auftretende Probleme in den Griff bekommen – bei gleichzeitig hoher Auflösung und Detailreichtum. Neben anatomischen Aufnahmen gilt das für die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI), aber auch die diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI), die Computertomographie (CT) oder die Positronen-Emissionstomographie (PET). Auch im Alltag ist das Bildrauschen jedem bekannt, der versucht, unter schlechten Lichtverhältnissen zu fotografieren. Mit den Methoden des WIAS lassen sich auch digitale Farbbilder bearbeiten, das Rauschen aus dem Bild entfernen – weitgehend ohne Strukturverlust. So taugen eigentlich schlechte Aufnahmen doch noch fürs Familienalbum.

Ihr Stichwort
  • Bildverarbeitung
  • 3D-Bilder
  • Signal-Rausch-Verhältnis
  • Auflösung
  • Detailreichtum
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de