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Filigrane Implantate aus Titan

Fertigung
Filigrane Implantate aus Titan

Ätztechnik | Die Beliebtheit von Titan nimmt vor allem bei implantierbaren Produkten zu. Doch das Metall ist teuer und schwer zu bearbeiten. Mit seiner neuen Produktionslinie ist Precision Micro in der Lage, seine Expertise im Bereich Ätzen auf Titan anzuwenden. Für Hersteller von Medizinprodukten eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten.

Markus Rettig Precision Micro, Eckental

Bei komplexen, filigranen Teilen mit zahlreichen Funktionen oder Teilen, die ihre Materialeigenschaften beibehalten müssen, hat sich die Ätztechnik als präzises und kostengünstiges Bearbeitungsverfahren bewährt. Es eignet sich selbst für die Fertigung von Teilen, die aus anspruchsvollen Materialien wie Titan hergestellt sind.
Das korrosionsfeste Material Titan ist gerade bei medizinischen Anwendungen stark im Kommen. Zwar galt Edelstahl jahrelang als das bevorzugte Metall für zahlreiche medizinische Anwendungen, denn es ist preisgünstig und widerstandsfähig. Doch bietet Titan einige markante Vorteile: Da die meisten Titanlegierungen nicht mit Körperflüssigkeiten reagieren, sinkt bei der Verwendung des Metalls für Implantate das Risiko einer Abstoßung. Weiterhin bindet Titan gut an menschliche Knochen, was die Fixierung von Implantaten erleichtert. Und schließlich ist das Metall aufgrund seiner nicht ferromagnetischen Beschaffenheit MRT- und CT-kompatibel. Allerdings gibt es auch einschränkende Faktoren für die Verwendung von Titan. Da es sehr schwierig aus seinen Erzen zu extrahieren ist, sind die Kosten für Titan sehr hoch; außerdem kommen für seine Herstellung nur teure Reduktionsmittel wie Natrium und Magnesium in Frage. Ein weiterer Nachteil ist, dass Titan aufgrund seiner hohen Festigkeitswerte schwer zu bearbeiten ist.
Der Ätztechnik-Spezialist Precision Micro aus Birmingham hat ein Verfahren entwickelt, das die zentralen positiven Merkmale der Ätztechnik auch für die Bearbeitung des Werkstoffs Titan nutzt. Precision Mirco investierte in eine neue Ätzlinie, die in ihrer Art und mit ihren Möglichkeiten in Europa die erste ist. Das Unternehmen ist somit in der Lage, Prototypen-Stückzahlen bis zu Millionen-Stückzahlen in Serienfertigung zu realisieren – meist mit ein und demselben Werkzeug.
Der Werkstoff Titan zeichnet sich durch eine besondere Festigkeit und Widerstandskraft aus – Vorteil für die Anwendung im medizinischen Bereich, Nachteil für die Bearbeitung des Werkstoffs. Gerade die Folgen der klassischen Verarbeitungsverfahren Stanzen oder Pressen wie Grate oder Verformungen würden sich aus diesem Grund bei Titan besonders stark auswirken. Das Fotoätzen minimiert diese Nebenwirkungen. Titanteile, die mit fotochemischem Ätzen bearbeitet wurden, sind hinsichtlich Oberfläche und Kanälen glatt sowie gratfrei und ohne Unregelmäßigkeiten.
Hinzu kommt, dass bei mechanisch abtragenden Fertigungstechnologien ein großer Anteil des teuren Werkstoffs Titan ungenutzt übrig bleibt. Nicht so bei der Ätztechnik. Mit dieser Fertigungsmethode fällt kaum teurer Abfall an. Ein Motiv der herzustellenden Teile wird – die Fläche effizient ausnutzend – auf das zu bearbeitende Blech gedruckt und alle Teile werden gleichzeitig geätzt. Dadurch zeichnet sich der Prozess zudem durch hohe Wiederholbarkeit aus.
Gewöhnlich findet Titan Anwendung bei orthopädischen Ersatzsystemen für Hüfte, Wirbelsäule, Gesicht, Schulter, Ellenbogen und Knie. Auch ist Titan die perfekte Wahl für chirurgische Instrumente, seien es Bohrer, Pinzetten, Haken, Scheren, Nadelhalter oder Instrumente für Augenoperationen. Doch ihre positiven Merkmale entfaltet die Ätztechnik besonders bei komplexen und dünnen Teilen. So wird Titan bei Herzklappen für das Gehäuse verwendet sowie für die Herstellung von Stiften für die Befestigung von Augen- und Ohrprothesen und auch als Standardabschirmungsmaterial für Schrittmacher- und Defibrillatorgehäuse.
Struktur und Versenkungen in einem einzigen Arbeitsgang
Für einen Anbieter kranialer Netzimplantate produziert Precision Micro im fotochemischen Ätzverfahren vorgeformte Netzimplantate aus Titan. Anhand von CT-Scans Erwachsener werden Maschenweite und Form bestimmt, um die bestmögliche Durchschnitts-Passform aus Titan zu ermitteln. Die kranialen Netzimplantate verfügen über gratfreie Kanten, die mit alternativen Herstellungs- und Fertigungstechniken nur schwer zu erreichen sind. Vorteil des fotochemischen Ätzens ist, dass die Werkzeuge für diese kranialen Netzimplantate bei der Herstellung von Prototypen und endgültigen Produkten identisch sind. Das hält die Kosten niedrig. Die Herstellung ist einfach und schnell durchzuführen. Zudem können mithilfe des Ätzverfahrens die Struktur des Netzes und die Versenkungen für die Schrauben in einem einzigen Arbeitsgang vorgenommen werden.
Ein weiteres von Precision Micro hergestelltes Medizinprodukt sind extrem dünne ( 80 µm) Stromsammelgitter aus Titan für Anoden und Kathoden, die in Lithiumakkus für implantierbare Defibrillatoren Anwendung finden. Der implantierte Defibrillator ist in der Lage, einen unregelmäßigen Herzrhythmus des Patienten automatisch zu korrigieren. Hierfür überwacht er kontinuierlich die elektrische Aktivität des Herzens. Die Stromsammelgitter aus Titan sind weniger als 30 mm breit. Sie werden mit fotochemischem Ätzen hergestellt, weil die filigrane und komplexe Struktur der Gitter kosteneffizient hergestellt werden kann, ohne dass Oberflächenspannungen oder Grate entstehen, die die Funktionsfähigkeit der Batterie beeinträchtigen. ■
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