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Laser im DLIP-Verfahren macht Oberflächen für Bakterien ungemütlich

Oberflächenstrukturierung
Der Laser macht Oberflächen für Bakterien ungemütlich

Der Laser macht Oberflächen für Bakterien ungemütlich
Dr.-Ing. Christoph Zwahr ist Gruppenleiter Oberflächenfunktionalisierung am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden (Bild: Zwahr)

Mit dem Laser lassen sich Mikro- und Nanostrukturen auf Polymeren, Metallen und Keramiken erzeugen, die von Zellen gern besiedelt oder von Bakterien lieber gemieden werden. Damit ist die Direkte Laserinterferenzstrukturierung auch für die Medizintechnik interessant. Dr. Christoph Zwahr, der sich am Fraunhofer IWS mit dem Verfahren beschäftigt, erläutert die Möglichkeiten des DLIP-Verfahrens.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Herr Dr. Zwahr, Sie arbeiten am Fraunhofer IWS mit der Direkten Laserinterferenzstrukturierung. Was versteht man darunter?

Das Direct Laser Interference Patterning, kurz DLIP, ist ein laserbasiertes Verfahren, um Oberflächen zu veredeln. Wir erstellen damit Nano- und Mikrostrukturen direkt auf einer Oberfläche, um beispielsweise biomimetische Effekte zu erzeugen. Im Unterschied zur konventionellen Laserbearbeitung nutzen wir beim DLIP-Verfahren aber nicht nur einen, sondern mehrere Laserstrahlen, die sich auf der Oberfläche kontrolliert überlagern und so ein Interferenzmuster erzeugen. Dieses Muster lässt sich auf einer größeren Fläche verteilen, was eine schnelle Bearbeitung ermöglicht.

Was lässt sich damit erreichen?

Durch das Herstellen kleinster Strukturen auf Oberflächen lassen sich verschiedene Eigenschaften erzeugen. Möglich sind dabei dekorative Applikationen für den Produkt- oder Kennzeichnungsschutz, aber auch tribologische Eigenschaften, um beispielsweise die Reibeigenschaften von Oberflächen zueinander zu verbessern. Ebenso lassen sich wasserabweisende, antibakterielle oder zellwachstumsfördernde Strukturen herstellen. Das ist in der Medizintechnik für Implantate oder medizinische Instrumente interessant.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Jedes Produkt oder jedes Bauteil besitzt eine Oberfläche, die mit der Umwelt interagiert. Auf Endoskopen, Skalpellen und Pinzetten können wir mit dem Laser beispielsweise eine Struktur ähnlich einem Nadelkissen einbringen. Bakterien, die sich auf den Oberflächen anhaften wollen, fühlen sich auf diesen Strukturen, die kleiner sind als sie selbst, dann so unwohl wie auf einem spitzen Nadelkissen. Dieser Fakir-Effekt verhindert, dass Bakterien die Oberfläche benetzen und dort einen Biofilm bilden. Unser Verfahren könnte also eine Alternative zu der für Medizinprodukte häufig verwendeten antibakteriellen Silberbeschichtung sein.

Wie können Implantat-Hersteller von diesem Verfahren profitieren?

Der Vorteil des DLIP-Verfahrens ist, dass wir die Strukturen ganz gezielt in ihrer Größe und Form einstellen können: Das heißt, wir können sie auch so groß machen, dass sie die Größe von Zellen haben. Für Implantate sind zum Beispiel die Knochenzellen interessant, die auf der Oberfläche anhaften sollen, um dort Knochengewebe auszubilden. Sind die Oberflächenmerkmale so groß wie die Zellen, können diese sich dort mit ihren Ankerpunkten halten und ansiedeln. Wir konnten bereits in vielen Zellstudien nachweisen, dass sich die Knochenzellen auf diesen Oberflächen wohlfühlen und sie vollständig benetzen. Es hat dabei tatsächlich einen Einfluss, ob die Struktur 5 oder 10 Mikrometer groß ist.

Wie klein sind die Strukturen, die Sie mit dem Verfahren einbringen können?

Die kleinsten Strukturen, die wir bisher hergestellt haben, waren 0,2 Mikrometer groß. Das ist ein Fünftausendstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein Haar hat etwa einen Durchmesser von 50 Mikrometer. Die größten Strukturen, die wir mit dem DLIP-Verfahren herstellen, sind ebenfalls nur etwa halb so dick wie ein Haar. Die Größe von Bakterien bewegt sich üblicherweise im Bereich von 1 Mikrometer, Knochenzellen sind größer, so im Bereich 10 bis 20 Mikrometer. Wir können unsere Oberflächenmerkmale gezielt auf die Größe dieser Mikroorganismen anpassen.

Welche Laser verwenden Sie dafür?

Um die mechanischen Eigenschaften eines Bauteils nicht zu verändern, setzen wir für das Verfahren gepulste Lasersysteme ein. Die Wechselwirkungszeit solch eines Laserpulses mit unserem zu bearbeitenden Material ist ein Bruchteil von einer Sekunde. Das Material„spürt“ den Laserstrahl kaum: Die Wechselwirkung mit dem Laser passiert direkt an der Oberfläche und es dringt keine Wärme ins Material ein. Je nach Dauer des Pulses bilden sich die Strukturen aus der Schmelze des Materials oder durch Materialverdampfung auf der Oberfläche aus. Dadurch haben diese Strukturen oder Merkmale die gleichen mechanischen Eigenschaften, wie der Grundwerkstoff.

Seit wann forschen Sie an der Direkten Laserinterferenz-Strukturierung?

Am Fraunhofer IWS wird am DLIP-Verfahren seit etwa zwölf Jahren gearbeitet. Den Anstoß gab damals der Laserexperte Prof. Andrés Lasagni. Prof. Lasagni hat inzwischen die Professur für die Laserstrukturierung großer Oberflächen an der TU Dresden inne – und wir forschen gemeinsam mit der TU Dresden an der Lasermikrostrukturierung für die Oberflächenbearbeitung. Durch die Ausgründung der Fusion Bionic GmbH soll die Technologie nun weiterentwickelt und vertrieben werden. Das Spin-off bietet unter anderem die speziellen Bearbeitungsoptiken für das DLIP-Verfahren kommerzialisiert auf dem Markt an.

Welchen Vorteil hat das Verfahren gegenüber herkömmlichen Methoden der Oberflächenveredelung?

Mit unserem Verfahren wird weder zusätzliches Material eingebracht noch Material wie bei spanenden Verfahren abgetragen. Das heißt, wir brauchen keinen Zusatzwerkstoff, wir erhalten die gleichen mechanischen Eigenschaften wie der Grundwerkstoff und wir müssen uns keine Gedanken über die Schichthaftung bei der Oberflächenveredelung machen. Zudem‧ arbeiten wir sehr energieeffizient und erzeugen keinen Abfall. So können wir im Vergleich zu einer Beschichtung eine grüne Technologie anbieten.

Welche Prozessraten sind mit dem Laser möglich?

Unser Ziel ist es, die Kosten für eine zu bearbeitende Fläche so gering wie möglich zu halten. Aktuell haben wir am Fraunhofer IWS mit der Laserbearbeitung Prozessraten bis zu 0,9 Quadratmeter pro Minute erreicht. An der TU Dresden, mit der wir zusammen am DLIP-Verfahren forschen, waren durch den Einsatz von Polygonscannern sogar 1,6 Quadratmeter pro Minute möglich. Noch höhere Prozessraten werden mit einer Rolle-zu-Rolle-Anlage erzielt. Dort wird nicht direkt die Folie strukturiert, sondern ein Stempel, der über eine Rolle die Struktur auf eine Folie abformt. Hier lassen sich Prozessraten bis zu 10 Quadratmeter pro Minute erzeugen.

Welche Materialien lassen sich mit dem DLIP-Verfahren bearbeiten?

Wir können alle Materialien strukturieren, die Licht absorbieren, also Metalle, Keramiken und Kunststoffe. Auch transparente Polymere sowie Glas lassen sich bearbeiten.

Gibt es schon konkrete für Anwendungen in der Medizintechnik?

Für meine Dissertation habe ich mit einem Unternehmen gearbeitet, das Zahnimplantate herstellt. Wir konnten die Oberfläche der Titanimplantate so bearbeiten, dass Knochenzellen besser angewachsen sind oder die Oberflächen antibakterielle Eigenschaften ausgebildet haben. Damit ließen sich die üblichen Standardverfahren für Implantate – das Sandstrahlen und Ätzen – ablösen. Aber es fehlen noch klinische Studien, und natürlich müsste das Verfahren noch zugelassen werden. Bei den OP-Instrumenten gibt es die Herausforderung, dass dreidimensionale Bauteile strukturiert werden müssen. Das ist mit unserem Verfahren derzeit noch nicht möglich. Wir sind aber gerade dabei, eine Fünfachs-DLIP-Bearbeitung aufzubauen, um solche Freiformflächen strukturieren zu können.

Woran arbeiten Sie aktuell noch?

Wir nehmen gerade eine AI-Testbench in Betrieb, um mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz automatisiert Oberflächenfunktionen zu erzeugen. Die Vision ist, dass der Anlage nur noch ein Ziel vorgegeben wird, beispielsweise: „Erstelle eine antibakterielle Oberfläche“. Die Anlage optimiert selbständig die Parameter auf einem bestimmten Produkt dafür und optimiert die Oberfläche entsprechend. Für die dafür notwendige Vorhersageplattform kann die Anlage selbständig Trainingsdaten erzeugen, die Eigenschaften ausmessen und alle
Daten in eine Datenbank übertragen. So kann die AI-Testbench lernen, wie eine antibakterielle Oberfläche aussieht.

Weitere Informationen zum DLIP-Verfahren auf der Messe Laser World of Photonics: Halle A6, Stand 441

Weitere Informationen zum Experten für das DLIP-Verfahren:

Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS
Dr. Christoph Zwahr
Gruppenleiter Direct Laser Interference Patterning
Winterbergstr. 28
01277 Dresden
christoph.zwahr@iws.fraunhofer.de


Oberflächenstrukturieren mit dem Laser

Bei der Direkten Laserinterferenz-Strukturierung (Direct Laser Interference Patterning), kurz DLIP, wird die Nano- oder Mikrostruktur per Laser direkt auf eine Produktoberfläche eingeschrieben, um biomimetische Effekte zu erzeugen. Bei dem Verfahren werden zwei oder mehrere Laserstrahlen auf kontrollierte Weise kombiniert, um ein Interferenzmuster innerhalb des Laserstrahls zu erzeugen. Dieses Muster ist in der Regel viel kleiner als der Laserstrahl selbst, mit typischen Auflösungen im Bereich zwischen 200 nm und 30 µm. Aufgrund des Interferenzeffekts gibt es innerhalb des Laserstrahls Bereiche mit hoher Intensität (Interferenzmaxima) und Nullintensität (Interferenzminima). Überlagert man zwei Lichtstrahlen, können sich ihre Wellentäler und Wellenberge gegenseitig auslöschen oder verstärken. Dort, wo bei der Bearbeitung Licht auf die Oberfläche trifft, wird durch die Laserenergie Material abgetragen beziehungsweise verändert. Die dunklen Bereiche bleiben unberührt. Damit können nahezu alle erdenklichen Strukturen hergestellt werden: Lotuseffekt, Haifischhaut, Mottenauge und vieles mehr. Durch die hohe Geschwindigkeit des Verfahrens lassen sich aktuell pro Minute eine Fläche von bis zu einem Quadratmeter bearbeiten.
www.iws.fraunhofer.de


Zum Start-up Fusion Bionic

Die Fusion Bionic GmbH, Dresden, ist ein Spin-off des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS). Ziel ist es, komplette Laserstrukturierungs-Maschinen herzustellen, aber auch standardisierte DLIP-Bearbeitungsmodule. Als weiteres zukunftsträchtiges Geschäftsfeld neben dem eigenen‧ Laser-Maschinenbau will das junge Unternehmen auch Lohnauftrags-Strukturierungen und eigens‧ weiterentwickelte funktionale Produktoberflächen anbieten. Die Interferenzmuster sind der besondere Clou der Dresdner Technologie: Statt mit einem einzelnen Laserstrahl das gewünschte Strukturmuster langsam wie mit einem Bleistift auf das Werkstück zu „zeichnen“, belichtet das DLIP-Verfahren große Flächen mit hohen Prozessgeschwindigkeiten. Für dieses Verfahren sowie die verbundenen Hardwarelösungen ist Fusion Bionic nach eigenen Angaben der weltweit erste kommerzielle Anbieter. Um diesen Vorsprung zu nutzen, baut das Gründerteam um Dr. Tim Kunze in Dresden derzeit einen Produktionsstandort für die bionische Oberflächenveredelung auf. Mehrere Investoren unterstützen die skalierbare DLIP-Technologie bereits seit Gründung des Unternehmens.
www.fusionbionic.com

 

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