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„Chemische Sauberkeit sicher nachweisen – auch ohne Normen“

Reinigung: Visuelle Inspektion reicht nicht aus
„Chemische Sauberkeit sicher nachweisen – auch ohne Normen“

Reinigungsexperten vom Reutlinger NMI unterstützen Medizinproduktehersteller bei allen Fragen, die sich um die Reinigung nach der Fertigung drehen. Welche Methoden und Grenzwerte eine Rolle spielen, erläutert Dr. Rudolf Reichl.

Herr Dr. Reichl, welche Teile oder Verfahren bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, wenn es um die Reinigung nach der Fertigung geht?

Die Sauberkeit von Produktoberflächen nach der industriellen Fertigung spielt in der Medizintechnik eine besonders wichtige Rolle. Die mikrobiologische Sauberkeit – Stichwort Sterilisation – ist schon seit langem über Normen geregelt. Das Überprüfen der chemischen Sauberkeit und der Partikelarmut ist hingegen erst in der jüngeren Vergangenheit in den Fokus gerückt, nicht zuletzt aufgrund von Zwischenfällen. Im Vordergrund stehen hierbei zweifellos alle Implantate, da sie über einen langen Zeitraum in engem Kontakt mit Blut, Körperflüssigkeit und biologischem Gewebe sind. Aber auch chirurgische und diagnostische Instrumente bedürfen der Aufmerksamkeit.
Wird dieser Aspekt ausreichend berücksichtigt?
Derzeit werden die unterschiedlichsten Prüfungen zur Sauberkeit von Medizinprodukten durchgeführt. Die meisten genügen allerdings nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Darüber hinaus gibt es bis heute keine Normen, die Grenzwerte für die chemische Sauberkeit und Partikelarmut angeben. Das NMI hat deshalb vor einigen Jahren ein industrielles Verbundprojekt zusammen mit insgesamt 22 Implantatherstellern durchgeführt und Grenzwerte für eine große Zahl von medizintechnischen Werkstoffen erarbeitet.
Werden diese Erkenntnisse im betrieblichen Alltag schon genutzt?
Die Bewertung der Sauberkeit von Medizinprodukten geschieht heute immer noch in vielen Fällen visuell oder lichtoptisch mit Lupe oder Mikroskop. Kontaminationsschichten können damit aber meist nur in schweren Fällen nachgewiesen werden. So erscheinen polierte Metalloberflächen für das Auge oft als sauber. Tatsächlich können sich aber erhebliche Rückstände, beispielsweise von Polierpaste, auf der Oberfläche befinden. Hochporöse Oberflächen, wie man sie auf vielen Implantaten findet, können nach einer Kontamination mit Schmiermittel oder Kühlschmiermittel aber nur noch unvollständig gereinigt werden. Sie erscheinen dann in einer visuellen Prüfung als sauber, tatsächlich befinden sich aber noch große Mengen der Hilfsstoffe in den Poren.
Welche Prüfungen wären erforderlich?
Wir setzten die Photoelektronenspektroskopie, kurz XPS, und die Rasterelektronenmikroskopie, kurz REM, ein. Damit werden alle Elemente und alle chemischen Verbindungen direkt an der Werkstoffoberfläche geprüft. Das führt zu verlässlicheren Ergebnissen als eine Prüfung über eine Elution, bei der man nie weiß, was man abgelöst hat und was sich noch auf der Werkstoffoberfläche befindet. Das NMI bietet diese Prüfungen als Dienstleistung an. Die beiden Methoden können im Bedarfsfall auch durch weitere grenzflächen- und mikrostrukturanalytische Verfahren ergänzt werden. Darüber hinaus unterstützen wir seit Jahren insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mit industriellen Verbundprojekten, Vorträgen und Schulungen.
Wovon hängt die Sauberkeit vor allem ab?
Von vielen Parametern, so dass eine Verallgemeinerung hier sicherlich nicht gemacht werden kann. Die Qualität der Sauberkeit beginnt bei dem Produkt selbst, geht über seine Funktion, die verwendeten Werkstoffe und Oberflächen und reicht bis hin zu der technischen Infrastruktur des produzierenden Betriebes.
Welche Reinigungsverfahren sind besonders empfehlenswert?
Eine generelle Vorgabe kann auch hier nicht gemacht werden. Wichtig ist jedoch, nicht zuletzt aus den Anforderungen eines Qualitätsmanagementsystems heraus, validierbare Reinigungsverfahren auszuwählen. Das NMI kann hier im Rahmen einer Validierung entsprechende Prüfungen an den gereinigten Produkten durchführen.
Was kann die Oberflächentechnik zur Reinigung beitragen?
Sie ermöglicht eine geeignete Funktionalisierung, wie beispielsweise die Passivierung bei Metallen oder Antihaftbeschichtungen. Zu diesem Thema gab es am NMI in der Vergangenheit mehrere industrielle Verbundprojekte, und wir verfolgen dieses Thema auch in Zukunft weiter.
Welche Tipps würden Sie Konstrukteuren und Fertigungsexperten geben?
Die Auslegung und Herstellung eines Medizinproduktes beschränkt sich keinesfalls nur auf die direkte Anwendung. Möglichst frühzeitig, also schon bei der Konstruktion, sollten Fachleute aus der Reinigungsmittel- und Reinigungsmaschinenherstellung sowie aus der Oberflächentechnologie mit einbezogen werden. Alle Fertigungsprozesse einschließlich der Reinigung sollten nach QM durchgeführt und die Reinigungsprozesse validiert oder regelmäßig revalidiert werden.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.nmi.de E-Mail Dr. Reichl: Rudolf.Reichl@nmi.de
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