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Optimierung macht Anlage um zehn Prozent effektiver

Optimierte Produktionssysteme
Bestehende Anlage wird zehn Prozent effektiver

Optimierte Produktionssysteme | Wer stört? Diese Frage lässt sich selbst für komplexe Produktionssysteme in der Pharma- und Medtech-Branche automatisiert beantworten. Die Daten und Auswertungsalgorithmen dafür liefert ein Tool, das am Fraunhofer IPA entwickelt wurde und sich in der Spritzenherstellung bewährt hat.

Ramona Hönl
Fraunhofer IPA, Stuttgart

Kapitalintensive Anlagen, komplexe Aufgaben – das ist ein typisches Szenario für die Pharmaindustrie und die Medizintechnik. Damit sich die Investition lohnt, gilt es, die Produktivität zu maximieren. Jedoch umfassen die Fertigungssysteme heute oft so viele Stationen und arbeiten so schnell, dass Fehlerursachen und deren Auswirkungen mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar sind.

Selbst Workshops, in denen die Effektivität der Gesamtanlage (Overall Equipment Effectiveness, kurz OEE) ermittelt wird, stoßen hier an Grenzen. Gleiches gilt für Wertstromanalysen und integrierte Optimierungswerkzeuge. „Der manuelle Analyseaufwand ist meistens zu hoch, um komplexe Fehlerbilder herauszuarbeiten“, weiß Felix Müller, Fachthemenleiter Autonome Fertigungssystemoptimierung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Auch sei die Datenqualität meist unzureichend, weil ältere Maschinen in den Produktionslinien nicht über Steuerungs- und IT-Schnittstellen verfügten.

Doch haben die Stuttgarter in mehreren Etappen ein Werkzeug entwickelt, mit dem sich diese Aufgaben lösen lassen. Es erfasst auf verschiedene Art Daten aus dem Prozess und wertet sie aus. Mehrere Projekte haben bereits gezeigt, dass sich das Werkzeug sehr gut für Produktionslinien mit vielen Prozessschritten und kurzen Zykluszeiten einsetzen lässt.

Bei der Schott Schweiz AG zum Beispiel, einem Technologiekonzern mit Schwerpunkten bei Spezialglas und Glaskeramik, half die Methode, ein hochautomatisiertes Fertigungssystem für Spritzen zu optimieren. Hier ließ sich ein neues Konzept für die Produktionslinie ableiten, das die Overall Equipment Effectiveness (OEE) für die bestehenden Anlagen um etwa 10 % erhöhte. Der Schlüssel zum Erfolg war das Wissen um die Ursachen und Auswirkungen der Stillstände. Aktuell finden in der Pharma- und Automobilindustrie weitere Projekte statt.

Bis 2016 haben die Wissenschaftler die erforderlichen Daten mit intelligenter Kamerasensorik erfasst und dann analysiert. Für diese Vorgehensweise werden, aus allen Prozessschritten zeitsynchron Daten über eine Vernetzungsplattform an ein Analysetool übermittelt. Dieses nutzt ein am Fraunhofer IPA entwickeltes Algorithmenpaket, um Rückschlüsse zu ziehen und die Informationen für den Anwender aufzubereiten.

Weil eine Datenbasis über die gesamte Prozesskette hinweg entsteht, kann das Analysetool herausarbeiten, wie Fehler zusammenhängen. „Der Anwender erhält auch bei kleinsten Stillständen sofort eine Ursachenzuordnung“, erklärt Müller. Weiterhin könnte das Beheben einzelner Fehler priorisiert werden, da der Engpass der Produktionslinie in Echtzeit sichtbar wird.

Im Jahr 2017 haben die IPA-Forscher ihr System um ein Element erweitert: einen leistungsfähigen Konnektor, der die Industriesteuerungen Siemens S7-1500, Beckhoff CX1020 und Mitsubishi-Q-Series direkt an das Analysewerkzeug anbindet, über die proprietären Herstellerprotokolle. Der dafür erforderliche Datenlogger wurde am Institut entwickelt.

Die Nachrüstung mit diesem Konnektor macht es möglich, detaillierte Informationen aus der Maschinensteuerung in hoher Frequenz in die Analyse einfließen zu lassen. „Damit machen wir gängige Maschinensteuerungen Big-Data-fähig und können bereits vorhandene Maschinendaten in das Analysemodell integrieren“, weiß Müller.

Neu entwickelter Konnektor als Basis für die Datenakquise

Der Konnektor bildet in aktuellen Projekten die Datenakquise-Basis, um alle beteiligten Produktionsprozesse sehr detailliert und kontinuierlich zu charakterisieren. Nur, wenn Informationen wie der Status eines Bauteils oder die Verfügbarkeit eines Werkstückträgers dennoch fehlen, wird die Datenbasis mittels smarter Sensorik ergänzt.

Auch das Auswertungsmodell haben die IPA-Wissenschaftler weiterentwickelt. Die Fehlerursachen werden nicht allein im dynamischen Linienverhalten gesucht. Auch die Anomaliendetektion in den hochauflösenden Maschinendaten, die für jeden Prozessschritt vorliegen, werden berücksichtigt.

Basis für die Analysen ist eine Trainingsphase, in der die Experten das Normalverhalten eines jeden Prozesses erlenen und somit Abweichungen erkennen können. Aktuell wird der Konnektor für weitere Steuerungstypen wie Schneider Electric, ABB und B&R sowie diverse Siemens-Baureihen weiterentwickelt. Weitere zehn Typen sollen hinzukommen.

Derzeit können Unternehmen die Tools als Optimierungsdienstleistung nutzen. Der ausgewertete Zeitraum kann einen Tag oder auch einen Monat betragen, je nachdem, wie oft die Anlage mit wie vielen unterschiedlichen Produktvarianten betrieben wird und wie viele Fehlerbilder auftreten. Basierend auf den Auswertungen legen die Forscher mit dem Partner Optimierungsmaßnahmen fest.

Im Fokus stehen derzeit Anwendungen bei Pharma- und Medizintechnikherstellern, da hier besonders komplexe Prozesse laufen, die zu großen Anlagen verkettet werden.


Weitere Informationen

Über die Arbeiten zur smarten Systemoptimierung am Fraunhofer IPA:

www.ipa.fraunhofer.de/de/‧referenzprojekte/Fertigungssystemplanung-schott.html


Was sollte das Tool noch können?

Eine derzeit laufende Umfrage soll die Bedeutung möglicher neue Anwendungsfälle wie der datengetriebenen Inbetriebnahme neuer Anlagen bewerten helfen. Interessierte Unternehmen können sich daran beteiligen. Alle Teilnehmer erhalten eine elektronische Fassung der Umfrageergebnisse sowie Informationen über die Werkzeuge zur Effektivitätssteigerung oder auf Wunsch eine Beratung zum individuellen Anwendungsfall.

www.surveymonkey.de/r/OEE40

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