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Textile Strukturen bieten den Zellen Halt

Faserbasierte Werkstoffe: Impulse für die Regenerationsmedizin
Textile Strukturen bieten den Zellen Halt

Für den Hightech-Werkstoff Textil gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten in Medizin und Gesundheit: Bei der Regeneration von Organen und Geweben sind Spezialfasern und textilbasierte Vorprodukte besonders nützlich.

OP-Fäden mit Widerhaken, künstliche Haut oder eine textile Nervenleitschiene: Das sind schon fast klassische Beispiele dafür, wie sich faserbasierte Entwicklungen zum Wohle der Patienten einsetzen lassen. Doch auch aktuell arbeiten Textilforscher und Unternehmen zusammen mit Biomedizinern und Kliniken an neuen Fasern, um Aortenklappen durch textile Strukturen zu ersetzen oder keramische Fasern an die Stelle von Knochen- und Wirbeln treten zu lassen.

Ein Beispiel für solche Anwendungen sind auch textile Träger, mit denen sich Gefäßprothesen erstellen lassen. Auf rein synthetischen Gefäßersatz reagiert der Körper mit Abstoßungsreaktionen, was entsprechenden Produkten Grenzen setzt – insbesondere bei kleinen Gefäßdurchmessern. Eine Alternative sehen Mediziner im Tissue Engineering, also in Konstrukten, die aus Gewebe bestehen, das auf geeigneten Trägern gezüchtet werden kann.
An der RWTH Aachen werden per Tissue Engineering „vitale Implantate“ aufgebaut, die krankes Gewebe wiederherstellen oder ersetzen sollen. Das Lehr- und Forschungsgebiet „Tissue Engineering & Textile Implants“ am ITA-Institut für Textiltechnik vereint dabei Expertise in der Textiltechnik mit klinisch relevanten Themen. So werden feine Kunststofffasern zu tubulären textilen Strukturen verarbeitet und im nächsten Schritt im Bioreaktor mit körpereigenem Zellmaterial kombiniert, um zum Beispiel Gefäßimplantate zu biologisieren. Mit solchen „natürlichen“ Gefäßprothesen lassen sich erkrankte Gefäßabschnitte überbrücken oder Verbindungen von Arterie und Vene für die Dialyse produzieren.
Wie der Organismus auf das Implantat reagiert, ob sich Thrombosen bilden, das neue Gewebe seine Form behält und sich die Scaffoldstruktur wie gewünscht im Körper abbaut, blieb dabei bisher im Verborgenen. Um die Bio-Prothesen in die klinische Praxis überführen zu können, wird aber ein verlässliches Online-Monitoringsystem benötigt.
Eine Lösung hierfür ist nun entstanden. Sie beruht darauf, dass Eisenoxidnanopartikel als Kontrastmittel in die textile Trägerstruktur integriert werden. Dadurch lässt sich die Prothese mittels Magnetresonanztomographie (MRT) visualisieren, und die Aachener Fachleute sprechen von einem „Etappensieg“ in der Gefäßprothetik. Das System ermöglicht es, künftig den erwünschten Abbau des Textilgerüsts im Körper des Patienten zu beobachten und eventuell von Implantaten verursachte Entzündungen im frühen Stadium zu erkennen. Das neue, nicht-invasive Verfahren wurde im Rahmen des Medizintechnikwettbewerbs „InnoMeT.NRW“ unter anderem am ITA mitentwickelt. Am Projekt hatten neben der RWTH Aachen die Pharmed Artis GmbH, die Matricel GmbH und die Philips Technologie GmbH mitgewirkt.
Ein anderes Beispiel für textile Forschung sind die Arbeiten von Christine Lämmle von den Hohenstein-Instituten. Ihr ist es im Rahmen ihrer Promotion gelungen, stammzellenbesiedelte Alginat-Implantate für den autologen Weichgewebeersatz zu entwickeln. Dafür wurde die Nachwuchswissenschaftlerin 2014 mit dem Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung ausgezeichnet.
Bisher ist das Auffüllen von größeren Verletzungen, zum Beispiel nach Verbrennungen, Dekubitus oder bei großflächigen Narben in der rekonstruktiven Chirurgie eine Herausforderung. Die meisten Chirurgen nutzen für die Wiederherstellung des Gewebes Lappenplastiken – sie entnehmen also gesundes Gewebe und transplantieren es auf die geschädigte Stelle. Bei diesem Verfahren wird jedoch gesundes Gewebe und damit der gesamte Patient stark strapaziert.
Die Entwicklung der Alginat-Implantate soll neue Möglichkeiten bieten und baut auf Forschungsarbeiten zur Kombination aus Biopolymeren und Stammzellen für den Weichgewebeersatz auf. Körpereigene Stammzellen wurden in diesem Fall dazu angeregt, sich zu Fettzellen (Adipozyten) zu entwickeln.
Vom Körper abbaubar ist eine neue Nanofasermatrix auf textiler Grundlage, von der Menschen profitieren sollen, die ihre Sehfähigkeit infolge von Hornhautschädigungen verloren haben. Dazu wurde ein deutsch-iranisches Projekt zum kornealen Gewebeersatz ins Leben gerufen. Beteiligt waren neben dem Textilforschungszentrum Nord-West die Augenklinik des Düsseldorfer Universitätsklinikums, Institute der Universitäten Duisburg-Essen und der Universität in Isfahan im Iran.
Bisher war für die Betroffenen die einzige Option, korneales Spendergewebe transplantiert zu bekommen. In Zukunft soll für die Therapie künstlicher Gewebeersatz zur Verfügung stehen.
Das bereits entwickelte Transplantat ähnelt morphologisch dem menschlichen Hornhautstroma. Diese mittlere Hornhautschicht besteht aus dichten Kollagenfasern und schützt das Auge so weitestgehend vor Deformationen. Das unter diesem biomimetischen Aspekt hergestellte künstliche Material besteht aus parallel orientierten Nanofasern. Derartige Konstrukte aus einem Blend aus Poly(glycerolsebazinsäure) (PGS) und PCL-Poly( ε-Caprolakton) lassen sich mit einem modifizierten Elektrospinnverfahren erzeugen.
  • Michael Jänecke Messe Frankfurt
  • Weitere Informationen Materialentwicklungen und prototypische Ideen für den Anwendungsbereich Medtech sind vom 4. bis 7. Mai 2015 auf der Messe Techtextil in Frankfurt am Main zu sehen. Rund 400 Aussteller werden für diesen Sektor erwartet. www.techtextil.de

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    • Tissue Engineering
    • Monitoring des Abbaus im Körper
    • Stammzellenbesiedelte Alginat-Implantate
    • Nanofasermatrix zur Behandlung von Hornhautschädigungen
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