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Produktentwicklung: Mit CAD zu höherer Pumpenleistung

Produktentwicklung
Simulation erhöht die Pumpenleistung

Produktentwicklung | Der Einsatz von Computer Aided Engineering (CAE) vereinfacht die Entwicklung medizinischer Geräte und sorgt gleichzeitig für zuverlässige Produkte. Bei der Fertigung einer neuen Blutpumpe profitiert ein japanischer Hersteller von kürzeren Entwicklungszeiten und einer verbesserten Pumpeneffizienz im Gerät.

Kuninori Masushige, Yuka Takahashi
Siemens PLM, Plano, Texas

Ein Herzunterstützungssystem (Ventricular Assist Device, VAD) ist eine mechanische Pumpe, die eingesetzt wird, um Fehlfunktionen in einer Herzkammer zu kompensieren und die Arbeit des geschwächten Herzens zu übernehmen. Bei der Entwicklung des Systems ist die computergestützte Modellierung der Blutpumpe, des zentralen Bestandteils des VAD, ein probates Mittel, um die optimale Form schon vor dem Bau des ersten Prototyps zu finden. Die Blutpumpe muss den benötigten Blutfluss liefern und dabei Schädigungen des Bluts wie Hämolyse und Thrombosen vermeiden. Zudem sollte ein kompakter und einfacher Aufbau der Pumpe sowie ein breiter Betriebsbereich erfüllt werden.

Die Nutzung der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, CFD), ermöglicht die Analyse und Optimierung des Blutflusses in der Pumpe und kann gleichzeitig qualitative Aussagen zu Hämolyse, Rezirkulation und Blutschädigung liefern. Die neuste Weiterentwicklung in der Blutpumpenentwicklung auf Basis von CFD und Optimierungstechnologien lässt sich im Shonan Center der Terumo Corporation, Tokio/Japan, besichtigen. Das Shonan Center beherbergt die Abteilungen Forschung und Entwicklung des Unternehmens. Dort wird eine breite Palette innovativer Technologien entwickelt – von der Anwendung der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung über die Erforschung neuer Gebiete wie diagnostischer oder therapeutischer Geräte, bis hin zu regenerativen Therapien für den Herzmuskel und die Entwicklung medizinischer Geräte für Schwellenländer.

Takehisa Mori, bei Terumo verantwortlich für die Grundlagenforschung medizinischer Geräte im Bereich der Herz- und Gefäßchirurgie, untersucht die Machbarkeit und Herausforderungen bei neuen Geräten in der Konzeptphase. Dabei setzt er CFD-Technologien ein. Das Grundlagenforschungsteam ist keine spezialisierte Simulationsabteilung, nutzt aber CFD- und Optimierungstechnologien für die Designexploration. Im Bereich der Geräte für die Herz- und Gefäßchirurgie wird CFD bei Terumo vor allem in der Entwicklung von Blutpumpen eingesetzt. Der Sinn der Einführung einer CFD-gestützten Designexploration ist es, die Effizienz der Blutpumpenentwicklung zu steigern und schneller bessere Lösungen auf den Markt bringen zu können. Neben den Blutpumpen lässt sich CFD auch in vielen anderen Bereichen bei Terumo einsetzen, beispielsweise bei künstlichen Lungen, in Geräten zur Verabreichung von Medikamenten, in Medikamenten-Stents sowie in verschiedenen Fertigungsprozessen.

Nicht nur die Simulation, auch der Prototyp ist wichtig

„Mit dem Einsatz von CFD stellten wir sehr schnell fest, wie viel besser sich das Verhalten der Geräte verstehen lässt“, sagt Mori. Doch er rät davon ab, allzu leichtfertig den Simulationsgedanken in der Produktentwicklung zu verwenden: „In der Realität ist es wichtig, eine Aufgabe und die physikalischen Implikationen wirklich zu verstehen. Vor allem bei der Entwicklung medizinischer Geräte, bei denen die Standards sehr hoch sind, kann man nicht einfach ein Ergebnis akzeptieren – man muss es ausreichend verifizieren.“ Deshalb solle man nicht ausschließlich die CFD verwenden. Auch der Prototyp sei wichtig. „Mit CFD können wir zu einem gewissen Grad die Basis für den Prototypenbau legen“, so der Entwicklungsspezialist.

Bislang wurde CFD genutzt, um Dutzende von Grundmodellen zu evaluieren, um die Leistung aller Varianten unter gleichen Bedingungen zu schätzen, woraus sich mehrere Kandidatenmodelle herauskristallisierten. Anschließend wurden Pumpenleistungsmessungen und blutbezogene Experimente durchgeführt, um Probleme der Modelle zu erkennen. Dieser Prozess wurde so oft wiederholt, bis ein finaler Prototyp identifiziert wurde. Dementsprechend dauerte die Entwicklung eines Produkts viele Jahre.

Mit Star-CCM+, einem klassischen Programm zur Strömungsberechnung von Siemens, und Optimate+, dem Zusatzprogramm für Designexploration, konnte Terumo die Entwicklungszeit drastisch reduzieren und schneller zu einem optimierten Ergebnis gelangen. Der Einstieg in diesen Prozess erforderte ein Grunddesign, das im Berechnungsprogramm Star-CCM+ simuliert, mit experimentellen Daten verifiziert und dann in Optimate+ verbessert wird.

3D-Geometrie der Pumpe in Star-CCM+ modelliert

Die Simulationen ergaben einen Prototyp, der Tests unterzogen wurde, um die Leistungsfähigkeit zu validieren. Der Optimierungsprozess hilft unerfahrenen Entwicklern, die beste Form für das Produkt zu finden.

Die Entwickler bei Terumo setzten sich das Ziel, eine extrakorporale Blutpumpe mit einem typischen Aufbau und verbesserter Pumpeneffizienz zu entwickeln. Das Produkt, das im Optimierungsprozess gefunden wurde, hatte zwölf Laufradflügel, einen Laufraddurchmesser von 60 mm sowie ein spiralförmiges Gehäuse. Weil es notwendig ist, die Atemfrequenz des Patienten zu berücksichtigen, wurde die Strömungsrate mit Hilfe eines Javascript-Makros im Star-CCM+ stufenweise zwischen 2 und 8 L/min verändert. Die Pumpeneffizienz und das Drehmoment am Laufrad wurden mit Hilfe der Reportfunktion ausgegeben.

Die 3D-Geometrie der Pumpe wurde mit Hilfe des 3D-CAD-Modellierers in Star-CCM+ modelliert. Da 3D-CAD die Designvariablen als Parameter nutzen kann, lassen sich Optimierungsberechnungen in einem nahtlosen, effizienten Prozess implementieren, ohne zusätzliche Lizenzkosten zu generieren. In der Analyse mit dem Software-Tool Star-CCM+ wurde Blut als Arbeitsfluid definiert und zudem ein Modell zur Berechnung der Turbulenz eingesetzt.

Insgesamt wurden im Laufe des Analyseprozesses in sechs Tagen 102 Varianten durchgerechnet. Basierend auf den Optimierungszielen und dem Basisfall verfeinerte Optimate+ die Designvariablen Laufraddurchmesser und Gehäuse und wiederholte die Simulation für alle Varianten. Von diesen erfüllten 38 Varianten die Gültigkeitsbeschränkung. Das beste Design wurde nicht nur nach der besten durchschnittlichen Pumpeneffizienz ausgewählt, sondern auch nach der geringsten Varianz über die ganze Spannweite der Strömungsraten.

Eine der Herausforderungen in der Pumpenkonstruktion ist, dass – auch wenn man nach einer möglichst effizienten Pumpe sucht – mit zu hoher Priorität auf die Pumpeneffizienz die Gefahr der Hämolyse steigt. Bislang führte der einzige Weg, das Entstehen von Thrombosen zu erkennen, über ein Experiment. Die in diesem Experiment genutzte Flüssigkeit war Blut, was bislang wegen der Variationen im Blut und den experimentellen Ergebnissen zu Schwierigkeiten bei der Verifizierung führte, wenn keine Langzeitdaten vorlagen.

Zudem ist die Viskosität des Bluts bei jedem Menschen unterschiedlich. Das für die Experimente genutzte Blut kam von Tieren, beispielsweise Kühen. Hier schwankte die Viskosität in Abhängigkeit von Rasse und Alter des Tiers. Doch inzwischen wurde bei Terumo eine CFD-gestützte Vorgehensweise eingeführt. Diese basiert darauf, dass Thromben nicht entstehen, so lange die Scherkräfte in der Pumpe unterhalb einer gewissen Schwelle bleiben. Die Übereinstimmung dieser Annahme mit den experimentellen Ergebnissen ist hoch. So wurde es nach und nach möglich, verschiedene Phänomene mit CFD statt Experimenten zu erklären.

Entwicklung und Fehlersuche wurden mit der Implementierung von Star-CCM+ in der Pumpenentwicklung extrem effizient. Früher war die Struktur medizinischer Geräte relativ einfach, so dass sie ohne CFD entwickelt werden konnten. Da die Anzahl der wichtigen Designparameter mit steigender Funktionalität immer höher wird, sind CFD und Optimierungsberechnungen heute ein unverzichtbarer Teil eines effizienten Entwicklungsprozesses.

Strömungsverhältnisse vor der Entwicklung untersuchen

„In der Optimierungsberechnung entstehen eine ganze Reihe von Lösungen“, erklärt Chefentwickler Takehisa Mori. „Bei Pumpen werden Werte für die Effizienz und andere ausgegeben. Allerdings besteht die Gefahr, sich zu sehr auf diese Werte zu konzentrieren, ohne die Strömung insgesamt zu berücksichtigen. Dann kann man nach einer Woche Berechnung ein völlig nutzloses Design in Händen halten. Deshalb sollten im Vorfeld einige Varianten modelliert und deren Strömungsverhältnisse untersucht werden. Erst dann sollte man die Optimierungsberechnung starten.“

Star-CCM+ beinhaltet einen 3D-Modellierer, der es ermöglicht, den gesamten Prozess von der Geometrieerzeugung bis zur Auswertung innerhalb eines einheitlichen Benutzerinterface durchzuführen. Besonders attraktiv ist, dass keine zusätzliche Software benötigt wird, um Optimierungsberechnungen zu implementieren. Zudem sei die Vernetzung mit Hilfe des Surface Wrapping in Star-CCM+, mit dem sich problematische Flächen säubern lassen, sehr einfach, so Mori. „Diese Vorteile gaben in unserem Team auch den Ausschlag für Star-CCM+.“

www.siemens.com/plm


Zum Blutpumpen-Entwickler Terumo

Terumo wurde im Jahr 1921 als kleiner Hersteller von Thermometern nahe Tokio gegründet. Das Unternehmen entstand als Reaktion auf die drastisch gesunkene Importmenge von qualitativ hochwertigen Thermometern aus Deutschland nach dem ersten Weltkrieg. Einer der Gründer des Unternehmens war Dr. Shibasaburo Kitasato, der als Vater der modernen japanischen Medizin bezeichnet und als Entdecker des Pestbazillus und Erfinder der Tetanus-Serum-Therapie geehrt wird. Der Firmenname leitet sich vom deutschen Wort „Thermometer“ ab.

Auf Basis des Firmenmottos „Der Gesellschaft durch Gesundheitspflege dienen“ erweitert Terumo seine Produkte und Services im Medizinbereich weltweit in drei Disziplinen: Herz und Gefäße, Krankenhaus allgemein und Blutmanagement. Die medizinischen Geräte des Unternehmens werden nicht nur im japanischen Markt eingesetzt. Deshalb ist dem Unternehmen bei der Entwicklung seiner Produkte von Beginn an ein globaler Blickwinkel wichtig. Mit der Nutzung der Siemens-Software Star-CCM+ und Optimate+ kann Terumo heute bessere Produkte schneller entwickeln. Terumo hat eine Exportquote von 63 % und 37 % des Umsatzes in Japan (Zahlen zum 31. März 2015).

www.terumo.com

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