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Sensor statt Magenband

Magenschrittmacher: Wann der Patient genug gegessen hat, meldet ein kleines Gerät
Sensor statt Magenband

Adipositas lässt sich nicht nur mit einem chirurgischen Eingriff ins Gewebe des Magens therapieren. Eine Alternative bietet ein „Magenschrittmacher“, dessen Sensor im Bauch dem Patienten die Rückmeldung ermöglicht: Nun ist es genug.

Das Stadtkrankenhaus Schwabach – eines der führenden deutschen Adipositaszentren – hat als erste Klinik in Deutschland einem Patienten einen neuartigen Magenschrittmacher implantiert. Dieses so genannte Abiliti-System nutzt Sensoren und Stimulatoren für den Verdauungstrakt und soll stark übergewichtigen Patienten eine Behandlungsmethode bieten, die zu einer erheblichen Gewichtsabnahme führt, ohne die typischen Nebenwirkungen anderer chirurgischer Verfahren.

„Verfahren wie Magenband, Magenschlauchbildung und gastrischer Bypass sind zwar sehr effektive Behandlungsmethoden bei Adipositas, greifen jedoch teilweise irreversibel in die Anatomie des Verdauungstrakts ein und sind häufig mit Nebenwirkungen verbunden“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Thomas Horbach, Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Stadtkrankenhaus Schwabach.
Die neue Behandlungsform zielt darauf ab, mit Hilfe eines sich schneller einstellenden Sättigungsgefühls und dem Erfassen von Ernährungs- und Aktivitätsdaten das Ess- und Trinkverhalten bei den Patienten dauerhaft zu ändern. Dafür wird das System in einem minimal-invasiven chirurgischen Verfahren implantiert. Die implantierbaren Komponenten sind der Magenstimulator – er ist etwas kleiner als ein Kartenspiel – und eine Elektrode. Für diesen minimal- invasiven Eingriff reichen nach Angaben des Anbieters laparoskopische Standardinstrumente und -methoden aus.
Sobald das elektronische Gerät aktiviert ist, registriert es die Aufnahme fester und flüssiger Nahrung und sendet energiearme Impulse an den Magen. Die meisten Menschen spüren diese gastrische Stimulation: Das Gefühl wird von Patienten als langsames und anhaltendes Sättigungsgefühl beschrieben. Der Patient isst weniger und nimmt ab.
Was da im Detail gegessen wird, registriert die Technik nicht. Auch die Träger eines Magenschrittmachers werden daher zu einer bewussten Ernährung und regelmäßiger körperlicher Aktivität angehalten.
Der Magenschrittmacher dokumentiert aber nicht nur, wann ein Patient isst oder trinkt, sondern auch, wann er körperlich aktiv ist – und so den ärztlichen Ratschlägen folgt. Alle aufgezeichneten Nahrungs- und Aktivitätsdaten können Patient und Arzt über eine einfache drahtlose Verbindung einsehen. Der Zugriff auf dieses „Ernährungslogbuch“ sei für beide von großem Nutzen, heißt es, da mit Hilfe dieser Informationen das Essverhalten des Patienten analysiert und wirksame Strategien für eine weitere Gewichtsabnahme besprochen werden können.
Entwickelt wurde das Abiliti-System vom US-amerikanischen Unternehmen IntraPace, Mountain View. Dieses wurde im Jahr 2001 von Mir Imran, einem der Erfinder des ersten implantierbaren Defibrillators, gegründet. Der Magenschrittmacher hat Anfang des Jahres nach erfolgreicher klinischer Prüfung die CE-Kennzeichnung und damit die Zulassung für die kommerzielle Vermarktung in Europa erhalten. Derzeit nutzen drei deutsche Kliniken diese Möglichkeit: das Stadtkrankenhaus Schwabach (Adipositaszentrum Erlangen-Schwabach im Verbund mit dem Universitätsklinikum Erlangen), das Universitätsklinikum Würzburg und die Wolfart Klinik in München. op

Eigene Entwicklung
Der Magenschrittmacher basiert auf der gleichen Technologie, die sich seit vielen Jahren für Herzschrittmacher und implantierbare Defibrillatoren bewährt hat. Verwendet werden dafür biokompatible Materialien wie Titan, Silikon, Platin, Stahl oder auch Nickel-Kobalt-Legierungen.
Der Sensor, der im System die Aufnahme von fester und flüssiger Nahrung registriert, ist eine Eigenentwicklung des Anbieters, die auf marktüblichen Komponenten aufbaut. Der Sensor wird im Lumen des Magens platziert, ohne aber mit dem Mageninhalt in direkten Kontakt zu kommen. Seine Messwerte werden auf einem Chip im implantierten Teil des Systems gespeichert. Vor dort lassen sich die Daten drahtlos auf einen Computer, zum Beispiel einen Laptop, herunterladen.
In der Geräteeinheit, die die Umgebung des Magens stimuliert, ist ein Beschleunigungssensor integriert, mit dem sich die sportlichen Aktivitäten des Trägers erfassen lassen. Die Energie für die stimulierenden Impulse liefert eine Batterie, die für eine durchschnittliche Lebensdauer von vier bis fünf Jahren ausgelegt ist. Wie lange ihre Vorräte ausreichen, hängt unter anderem von der Häufigkeit ab, mit der der Patient isst und damit Stimuli erforderlich macht. Auch die programmierbare Intensität der Stimulation beeinflusst die Lebensdauer.
Nach Angaben des Anbieters gibt es keine negativen Einflüsse, zum Beispiel durch Mikrowellen, die von außen störend auf das System wirken könnten.

Ihr Stichwort
  • Implantierbare Sensoren im Magen
  • Sättigungsgefühl durch Stimulation
  • Drahtlose Datenübertragung
  • Integrierter Beschleunigungssensor
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