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Schnell wird es, wenn Software und Kultur stimmen

Produktentwicklungsprozess: CAD/CAM-Verbund verkürzt Lieferzeiten
Schnell wird es, wenn Software und Kultur stimmen

Komplexe Bearbeitungsoperationen für aufwendig geschliffene Instrumente lassen sich in einer CAD-CAM-Lösung hinterlegen. Damit der Kunde sein Teil schnell in der Hand hat, muss der Konstrukteur das Fertigungswissen aber auch nutzen.

Zwei Wochen, bis ein Kunde ein Musterteil in der Hand hält? Das ist für viele Projekte zu lang, und das war für die Geschäftsführung der Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG in Lemgo ein wichtiger Treiber für eine groß angelegte Umstellung: Ein CAD/CAM-Verbund sollte die bestehenden Systeme ersetzen, um gerade bei kundenspezifischen Entwicklungsprojekten die Lieferzeiten zu verkürzen. „Schneller zu sein, ist hier ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil“, betont Geschäftsführer Reinhard Hölscher. „Der Kunde kommt mit einer Zeichnung oder nur mit einer Idee zu uns und will nicht wochenlang auf ihre Umsetzung warten.“ Wer hier eine wirkliche Verbesserung erreichen will, braucht aber nicht nur die passende Software, sondern auch einen Entwicklungsprozess, der das Fertigungswissen bis zu den Konstrukteuren bringt.

Dem Unternehmen Brasseler, einem der weltweit führenden Hersteller von rotierenden Instrumenten und Systemen für die Zahn- und Humanmedizin, ist dieser Schritt inzwischen gelungen. Das Interesse an der Verbesserung war groß: Wenngleich die Marke „Komet“ einen großen Teil des Umsatzes noch mit Serienprodukten erwirtschaftet, gibt es hohe Zuwachsraten bei kundenspezifischen Produkten für die Humanmedizin und die dentale Implantologie.
Dass ein neuer Produktentwurf früher seine Zeit brauchte, liegt unter anderem daran, dass er mit einem Versuchsauftrag auf die Maschine gehen und ein iteratives Trial-and-Error-Verfahren durchlaufen musste. Darüber hinaus war die NC-Programmierung der Maschinen für das Langdrehen und Werkzeugschleifen zeitaufwendig. Sie erfolgte von Hand oder mit Hilfe der unterschiedlichen Systeme der Maschinenhersteller. Wenn Teile aus Kapazitäts- oder Kostengründen auf eine andere Maschine umgesetzt werden sollten, musste die Bearbeitung praktisch neu programmiert werden, wie Werner Würfel, Gruppenleiter IT-Systeme, sagt. „Es konnte sich sogar herausstellen, dass das Teil auf der anderen Maschine gar nicht herstellbar war.“
Vor diesem Hintergrund entstand schon im Jahr 2009 die Vision eines durchgängigen CAD/CAM-Verbunds, der die bestehende 2D/3D-Lösung ablösen und sowohl die parametrische als auch die direkte Modellierung unterstützen sollte. CAM-Programmierung sollte auch auf den nativen CAD-Daten möglich sein, und schließlich sollte ein PLM-System möglichst alle technischen Dokumente elektronisch verwalten. Die Wahl fiel schließlich auf eine Lösung des Ellwanger Systemhauses Inneo Solutions. Anders als die Mitbewerber konnten die Ellwanger nachweisen, dass es möglich ist, mit der CAD/CAM-Produktfamilie Creo des Anbieters PTC auch die Schleifbearbeitung zu programmieren. „Das hatte für uns oberste Priorität“, sagt Würfel.
Die Bedeutung des Schleifens erklärt sich daraus, dass Komet-Produkte mit stark formgebenden Fertigungsverfahren herstellt. Das gilt vor allem für das Verzahnungsschleifen, bei dem eine bis zu 150 mm große Schleifscheibe in ein vielleicht nur 1 bis 2 mm großes Werkstück eingreift – mit einem Berührungspunkt, der sich durch die Abnutzung der Scheibe und ihre variable Winkelstellung zum Werkstück dynamisch verändert. Auch Varianten mit bewegtem Werkstück oder bewegtem Werkzeug müssen berücksichtigt werden, was die meisten CAM-Systeme kaum unterstützen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auch Creo NC in der aktuellen Version 2.0 die komplexen Anforderungen noch nicht optimal unterstützt. Komet steht deshalb in Kontakt mit dem Softwarehersteller PTC, um die Weiterentwicklung voranzutreiben. Als Ausgleich für die fehlenden Funktionen „betten wir relativ viel Logik in die Postprozessoren ein“, erläutert Kornej Nickel, der bei Komet als CAM-Administrator tätig ist.
Ähnliches gilt für die Programmierung der Postprozessoren für die Langdrehautomaten, wo mehrere Kanäle mit sich kreuzenden und überlagernden Achsen sowie einer Nullpunktverschiebung synchronisiert werden müssen. Da Creo NC erst ab Version 3.0 mehrkanalfähig sein wird, hat das Komet-Projektteam als Zwischenlösung ein generisches Konzept entwickelt. Dafür werden die Bearbeitungsoperationen im Konstruktionsbaum einem bestimmten Kanal zugeordnet. In den anderen Kanälen, in denen nichts passiert, wird ein Dummycode in das NC-Programm eingefügt.
Die kleinen Schwächen der CAM-Lösung lassen sich also sehr gut kompensieren. Darüber hinaus hat das Projektteam eine Vielzahl so genannter User Defined Features (UDF) festgelegt: Das sind generische Geometrieelemente, die sich über die Eingabe weniger Parameter produktspezifisch anpassen lassen. „Der Konstrukteur soll sein Teil vollständig beschreiben können – natürlich unter Berücksichtigung der Fertigungseinschränkungen“, sagt CAM-Administrator Nickel. Gleichzeitig sollte das vorhandene Fertigungs-Know-how abgebildet werden, um gerade jungen Konstrukteuren die Arbeit zu erleichtern. Die UDFs enthalten beispielsweise Hilfsgeometrien, die den Konstrukteur nicht zu interessieren brauchen, aber dem CAM-Programmierer die Arbeit erleichtern. Auch das Know-how aus Bestandsprodukten soll in Zukunft so abgebildet werden. „Wenn wir uns bei neuen Produkten voll aus dem UDF-Baukasten bedienen, können wir theoretisch noch am selben Tag auf der Maschine sein“, sagt Würfel.
Das Ziel von Komet ist es, den Produktentstehungsprozess durch den CAD/CAM-Verbund in Kombination mit der PDM/PLM-Lösung Windchill um 25 % zu verkürzen. „Wir haben einen neuen Produktentwicklungsprozess (PEP) mit viel Frontloading definiert“, sagt Würfel. „Dazu müssen wir den Transfer des Fertigungs-Know-hows zu den Konstrukteuren organisieren. Die Leute müssen lernen, frühzeitig miteinander zu reden und intensiver im Team zu arbeiten. Das ist aktuell eine große kulturelle Veränderung in unserem Unternehmen.“
Michael Wendenburg Fachjournalist in Sevilla

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