Gründe für den geplanten Ersatz eines Spritzguss-Werkzeugs in der Fertigung gibt es viele, beispielsweise erste Anzeichen dafür, dass bald größere Reparaturen anstehen, die sich nicht mehr lohnen. Ein solcher Werkzeugwechsel ist der richtige Zeitpunkt, um ein paar Fragen zu stellen: Welche Schwachstellen haben Werkzeug und Teile? Müssen die Teile nachbearbeitet werden und gibt es (zu) viel Ausschuss? Abgesehen von der Betrachtung des Produktionsprozesses, ist es ein Anlass, die Baugruppe und Anwendung des kompletten Produkts daraufhin zu prüfen, ob Optimierungsbedarf besteht, der das Teil betrifft. Sind all diese Fragen beantwortet, geht es auf die Suche nach Lösungen am neu aufzusetzenden Werkzeug.
Wie das ablaufen kann, zeigt sich am konkreten Beispiel des Medizinprodukt-OEM Ulrich Medical aus Ulm. Dabei ging es um ein Werkzeug für einen blauen Gerätedeckel, der die Rollenpumpe eines Kontrastmittelinjektors abdeckt. „Der Gerätedeckel hat unterschiedliche Oberflächen und ist der zentrale Blickfang an unserem Kontrastmittelinjektor“, erklärt Dennis Stegner, Teamleiter Einkauf bei Ulrich Medical. „Durch den transparenten Teil gibt er die Sicht auf die Rollenpumpe frei, die das Herzstück unseres Gerätes ist. Mit ihr wird das Kontrastmittel für die CT-/MRT-Bildgebung gefördert. Das macht eine perfekte und fehlerfreie Optik erforderlich. Denn jeder Kratzer, jede Fließlinie, jeder Einschluss oder schwarze Punkt stört in dem großen Sichtbereich – und führt damit zu Ausschuss.“
Herausforderung: Optimierung in bestehender Baugruppe
Ulrich Medical hatte die GPE Group, Neumünster, beauftragt, ein neues Werkzeug für diesen anspruchsvollen Gerätedeckel zu konstruieren, der den Kontrastmittelinjektor visuell so entscheidend prägt. Dabei sollte gleichzeitig Optimierungspotenzial aufgespürt und umgesetzt werden. „Wir hatten uns rechtzeitig entschieden, das bestehende Werkzeug durch ein neues zu ersetzen“, so Stegner. „Doch dann kam es zu einem irreparablen Schaden. Um die Produktion aufrecht zu erhalten, musste es mit dem Neuen also plötzlich sehr schnell gehen.“ Dieser hohe zeitliche Druck erforderte ein gut getaktetes Zusammenspiel, um Entwicklung, Bemusterung und den Anspruch, lieferfähig zu bleiben, unter einen Hut zu bekommen.
Im F&E-Slang lautet ein solcher Auftrag „kunststoffgerechte Optimierung“. Da der Gerätedeckel zu einer bestehenden Baugruppe gehört, ist diese Aufgabe nicht zu unterschätzen und muss mitdenkend und mit einer gehörigen Portion Kreativität angegangen werden. Optische und manuelle Verbesserungen waren das Ziel, zudem sollten am Teil keine Nacharbeiten mehr erforderlich sein. Um mit diesem letzten Punkt zu beginnen: Bisher musste das Teil nach dem Spritzgießen manuell entgratet und gefräst werden. Beim neuen Werkzeug optimierte das GPE-Team deshalb die Trennung davon, passte dafür Entformungsstreben an und eliminierte Hinterschnitte. Seit das neue Werkzeug im Einsatz ist, können die Teile ohne einen Nacharbeitsschritt verwendet werden. Die Mitarbeiter von Ulrich Medical entnehmen sie aus dem Transportgefäß und bauen sie direkt ein.
Höherwertiges Produkt durch neues Werkzeug
Um optische Verbesserungen zu erzielen, wurden auch die Auswerfer umgestaltet. Sie hatten bisher Abdrücke auf den Teilen hinterlassen. Das störte erheblich, da der Deckel transparent und immer im Sichtfeld ist – und sich dadurch sehr hohe Anforderungen an die Oberfläche ergeben. Eine Mold-flow-Analyse brachte sämtliche Entlüftungsprobleme ans Licht. Die ließen sich direkt beheben, sodass mit dem neuen Werkzeug keine Lufteinschlüsse entstehen, die die Optik beeinträchtigen würden. Nicht zuletzt gab es eine Spezifikationsänderung an dem Teil, die konstruktiv gelöst wurde: Damit die Anwender der Kontrastmittelinjektoren den Deckel leichter abheben können, wurde eine Griffmulde integriert, die es bisher nicht gab.
Mit der Konstruktion des Werkzeugs hat sich also die Wertigkeit des Gerätedeckels deutlich verbessern lassen. Zudem lag der Fokus auf einem stabilen Prozess: Nacharbeiten sind nicht mehr nötig und es gibt wenig bis keinen Ausschuss. Das Werkzeug selbst wurde von einem chinesischen Lieferanten gefertigt, mit dem die GPE Group bereits seit Langem erfolgreich und vertrauensvoll kooperiert. GPE übernimmt dabei die Rolle der Schnittstelle zwischen dem internationalen Werkzeugbauer und dem Kunden. Sie wissen, worauf es ankommt und welchen Input der Werkzeugbauer benötigt, um die gewünschte Produktqualität zu liefern.
Lieferfähig trotz Corona-Pandemie
Die erfolgreiche Versendung nach Deutschland war ein Meilenstein, der sich bei Ulrich Medical eingeprägt hat: „Die Verlagerung fiel zeitlich in die erste Phase der Corona-Pandemie. Es war plötzlich nicht mehr so einfach, Bauteile aus China nach Deutschland zu bekommen, und Transportkapazitäten waren auf einmal deutlich geringer“, so Einkäufer Mathias Widmann. „Doch es hat geklappt, wir waren durchgängig lieferfähig – aber durch die speziellen Umstände war es für uns alle sehr spannend.“ Die Wertigkeit des Gerätedeckels konnte in vielfacher Hinsicht gesteigert werden. Die mit dem neu aufgesetzten Werkzeug realisierten Verbesserungen zeigen sich optisch und manuell und daran, dass sich die Teile ohne Nacharbeit verbauen lassen.
Kontakt zum Medizintechnik-Hersteller:
Ulrich GmbH & Co. KG
Buchbrunnenweg 12
89081 Ulm
www.ulrichmedical.de