Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) schätzt, dass sich allein in Europa jährlich mehr als vier Millionen Menschen in Krankenhäusern infizieren. Im Schnitt verlängert sich so laut WHO der Krankenhausaufenthalt der Patienten um rund 16 Millionen Tage jedes Jahr. 37 000 Menschen sterben an den Folgen einer solchen Infektion. Die Hälfte dieser nosokomialen Infektionen werden durch Implantate wie Blasenkatheter, Beatmungsschläuche, Herzpumpen oder Knieprothesen verursacht, der Rest durch unzureichende Hygiene.
Antibakterielle Beschichtung von Medizinprodukten schützt vor Infektionen
Allein in Deutschland wird ein Drittel der nosokomialen Infektionen als vermeidbar eingestuft. Die Herausforderung liegt in der Verbreitung der Krankheitserreger selbst. Ihre schnelle Anhaftung an natürliche sowie künstliche Oberflächen und Bildung robuster Biofilme, die nur sehr schwer zu entfernen sind, macht sie zu gefürchteten Gegnern. Infektionsprävention muss daher schon früh im Prozess eingreifen. Neben der konsequenten Umsetzung von Hygienemaßnahmen stellt auch die Anwendung risikominimierender Medizinprodukte und Ausstattung, durch antibakterielle Beschichtung, eine effektive Schutzmaßnahme dar.
Um Oberflächen antibakteriell auszustatten, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Die Mehrzahl der antibakteriellen Beschichtungen setzt dabei bakterizide Substanzen wie beispielsweise Silber und Antibiotika frei oder ist selbst bakterizid wie TiO2. Doch die WHO warnt vor dem übermäßigen Einsatz antibakterieller Mittel, da sie die Hauptursache für die Entwicklung von arzneimittelresistenten Bakterien sind, einer der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit. Denn nicht jede Anwendung verlangt den Einsatz toxischer Agenzien. Im Gegensatz zu bakteriziden Beschichtungen verwendet die Flux Polymers GmbH eine passive Beschichtung, welche Bakterien abrutschen lässt.
Beschichtung in bestehende Produktionsschritte integrieren
Doch wie funktioniert das Verfahren im Detail? Um die Anhaftung der Bakterien zu verhindern, verwendet das Mainzer Start-up ein hydrophiles Polymer. Dabei wird dieses zunächst in Alkohol gelöst und dann auf die Kunststoffoberflächen aufgebracht. Ob durch Aufsprühen oder Tauchbeschichtung spielt hierbei keine Rolle. Auch muss das zu beschichtende Material nicht vorbehandelt werden. Durch eine anschließende Belichtung mit UV-Licht wird die Beschichtung dann innerhalb von Sekunden dauerhaft an die Oberfläche gebunden.
Durch die Einfachheit des Prozesses kann dieser ohne Probleme in bestehende Produktionsschritte integriert werden. Eine schnelle nachträgliche Beschichtung produzierter Objekte ist so ebenfalls möglich. Das Ergebnis: Die patentierte Beschichtung verhindert das Anhaften von Bakterien durch einen rein physikalischen Effekt, so dass keine toxischen Substanzen freigesetzt werden und Bakterien keine Resistenzen ausbilden könnten. Das Verfahren ist schnell, kostengünstig und wirkt sich nicht nachteilig auf das behandelte Material aus. Die Beschichtung ist lediglich 10 nm dick, was dafür sorgt, dass weder die Optik noch die Haptik des beschichteten Materials verändert werdeh. Außerdem ist sie permanent mit der Oberfläche verbunden und übersteht Licht, Hitze und andere physikalische Einwirkungen.
Anfragen für Medizintechnik-Anwendungen sind willkommen
Da das Verfahren für nahezu alle Kunststoffe geeignet ist, sind die möglichen Einsatzgebiete vielfältig. So sind neben Medizinprodukten und Krankenhausmöbeln beispielsweise auch beschichtete Touchscreens und Tastaturen, Türgriffe und Lichtschalter, oder Wasser- und Abwasserleitungen denkbar. Auch für den sich stark entwickelnden Bereich der Additiven Fertigung ist das Verfahren sehr gut geeignet. Weitere Eigenschaften der Beschichtung wie ein Anti-Fog-Effekt sowie Haftungsverbesserungen für Klebeverbindungen sollen ebenfalls untersucht und getestet werden.
Mit der Zulassung des Patentes im vergangen Jahr und einer Finanzierung des Start-ups im Frühsommer diesen Jahres sind wichtige Voraussetzungen geschaffen, das Verfahren zur Anwendung zu bringen.
Zum Start-up
Flux Polymers wurde 2017 von Dr. Anita Luxenhofer, Joachim Schramm und Prof. Robert Luxenhofer in Würzburg gegründet. Die Sicherung und schließlich Zulassung des Patents folgte im Sommer 2020. 2021 startet das Team mit einer erfolgreichen Finanzierung. Der Markteintritt wird zunächst in einem weniger regulierten Bereich, anschließend in der Medizintechnik angestrebt. Letztere sehen die Gründer als ultimative Anwendung für ihre Beschichtung, um einen positiven Beitrag für die globale Gesundheit zu leisten. Firmensitz ist heute Mainz.
Kontakt zum Unternehmen:
Flux Polymers GmbH
Taunusstr. 59 – 61
55118 Mainz
www.flux-polymers.com
Tel. +49 176 53185535