Mikroprozessoren, Steuerung, Sensoren und Kleinantriebe sind heute leistungsfähig genug für eine aktive Beinprothese. Sie passt die hydraulische Dämpfung an jeden Schritt an.
Vom Holzbein bis zu Hightech-Lösungen arbeiteten Prothesen bisher passiv: Ihre Funktion ließ sich während der Bewegung nicht verändern. Einen neuen Ansatz bringt nun eine Prothese, die mit einem Mikroprozessor gesteuert wird. Wie beim natürlichen Bein kann sie automatisch auf aktuelle Gegebenheiten reagieren. Leichte Kleinantriebe in Verbindung mit intelligenter Steuerung bieten so ein dem natürlichen Bewegungsablauf sehr nahe kommendes Laufgefühl.
So eine aktive Prothese bietet die Wiener Otto Bock Healthcare Products GmbH an. Die über Sehnen und Muskeln aufgebaute natürliche Dämpfung technisch nachzuempfinden, erforderte moderne Prozessortechnik mit hoher Rechenleistung, miniaturisierte Präzisionssensorik und Mikromechanik bei Antrieb und Bewegungsapparat. Dafür holten die Wiener die Schönaicher Kleinantriebsexperten der Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG mit ins Team.
Um eine fein abgestufte Reaktion der Prothese auf die bei jedem Schritt auftretenden Veränderungen zu ermöglichen, melden hochsensible Sensoren 50 mal pro Sekunde, in welcher Phase und welchem Belastungszustand sich der Prothesenträger befindet. Ein Kniewinkelsensor liefert Informationen für die dynamische Steuerung, Kraftmesszellen im Unterschenkelrohr erfassen die Daten von Fersenauftritt und Vorderfußlast. Ein leistungsfähiger Prozessor verarbeitet diese Eingangsdaten und gibt Steuerungsbefehle an die Dämpfungsmechanik aus.
Als besonders geeignet hat sich eine hydraulische Dämpfung erwiesen. Mit ihr können die Dämpfungswerte schnell und sehr gut abgestuft umgesetzt werden. Einfach ansteuerbare DC-Kleinantriebe sind das Bindeglied zwischen Elektronik und Dämpfungsmechanik. Da sie einen hohen Motorwirkungsgrad aufweisen, sind auch bei begrenzter Kapazität des Lithium-Akkus in der Prothese lange Laufzeiten bis über zwei Tage möglich, ohne nachzuladen. Im vorliegenden Fall arbeiten die dynamischen 10-mm-Antriebe über ein Reibradgetriebe auf eine Planetengetriebestufe. Dieses Rad verstellt das eigentliche Dämpfungsventil. Pro Schritt wird so die Dämpfung von maximal auf fast null und wieder zurück verstellt.
Alle Komponenten müssen die Dauerbelastung über Jahre vertragen. Da immer nur sehr kurze Steuerungsimpulse nötig sind, ist das für die Edelmetall-DC-Motoren kein Problem. Für den weltweiten Einsatz bei Temperaturen von –15 °C bis +65 °C in allen Klimazonen sind die relevanten Elemente in sich und teilweise zusätzlich noch speziell in einem Gehäuse gekapselt.
Wenn bei leeren Akkus alle Komponenten ausfallen, geht die Prothese auf höchste Dämpfung und garantiert damit eine Notfunktion als „quasi Holzbein“. Dank dynamischer Antriebe, echtzeitfähiger Elektronik und hochauflösender Sensoren ist es heute möglich, in einer Prothese alle Komponenten für einen natürlichen Bewegungsablauf unterzubringen.
Andreas Zeiff Fachjournalist in Stutensee
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