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Legierung auf Wolframbasis kann Blei ersetzen

Entwicklung
Legierung auf Wolframbasis kann Blei ersetzen

Legierung auf Wolframbasis kann Blei ersetzen
Formteile aus Triamet benötigen keine Stützstruktur, da der Werkstoff eine hohe Widerstandskraft aufweist Bild: Wolfram Industrie
Eine ökologischere Alternative zum toxischen Blei bietet ein neuer Werkstoff, der aus einer Mischung von Wolfram mit anderen Metallen entsteht. Verarbeiten lässt er sich mit Verfahren der Pulvermetallurgie.

Angelika von Cetto
Wolfram Industrie, Dachau

Wolfram ist ein sehr dichtes und schweres Material und weist eine beinahe so hohe Dichte auf wie Gold. Mit diesen Eigenschaften ist es gut geeignet, um Strahleneingänge in Kollimatoren einzugrenzen oder energiereiche elektromagnetische Strahlen abzuschirmen. Das hat sich die Gesellschaft für Wolfram Industrie mbH & Bayerische Metallwerke GmbH, Dachau, zu Nutze gemacht und auf der Basis von Wolfram die Schwermetalllegierung Triamet entwickelt: Diese ist in einer Eisen-Nickel- sowie einer Kupfer-Nickel-Bindephase erhältlich, bleibt formstabil, hat einen sehr hohen Absorptionswert und schirmt sogar Gamma- und Röntgenstrahlen ab. Das normalerweise schwer zu verarbeitende Wolfram lässt sich in dieser Form pulvermetallurgisch zu Rohlingen formen, die anschließend mit geringerem Aufwand weiterverarbeitet werden können.
Der Schmelzpunkt von Triamet liegt mit über 1000 °C wesentlich höher als der von Blei, sodass auch im Falle eines Brandes kein Schmelzrisiko besteht. Allerdings bringt es eine spezielle Eigenschaft mit sich: Es lässt sich nur pulvermetallurgisch verarbeiten. Für die Herstellung von Triamet wird Wolframpulver mit Eisen- und Nickel- beziehungsweise Kupfer-Nickel-Pulvern vermischt. Die anschließende Formgebung erfolgt hydraulisch mit Bindemitteln und einer Presse oder isostatisch unter großen Drücken von 2000 bis 3000 bar. Ersteres bietet sich bei kleineren Abmessungen an, zweiteres bei großvolumigen Teilen. Die so entstandenen Grünlinge werden im elektrisch beheizten Vakuumofen oder unter einer reduzierenden Wasserstoffatmosphäre zu fertigen Halbzeugen gesintert.
Für den Werkstoff Triamet werden zwischen 3 und 10 % einer Nickel- und Eisen-Mischung als Bindephase zum Wolframpulver gegeben. Nickel wirkt dabei wie ein Katalysator, der an der Oberfläche des Wolframpulvers Diffusionsvorgänge beschleunigt und so die Sintertemperatur auf etwa 1500 °C senkt – im Gegensatz zu den bei reinem Wolfram benötigten 2500 °C. In der Mischung bildet sich eine einzigartige Mikrostruktur aus einer kugelförmigen Wolframphase, die von der Bindephase umschlossen wird.
Hohe Dichte erreichbar
Mit reinem Wolfram ist maximal eine Dichte von 19,3 g/cm3 zu erreichen – die sogar rund 8 g/cm3 über der von Blei liegt. Bei den Triamet-Varianten ist die Dichte um so größer, je geringer der Anteil der Bindephase ist. Bei der G14-Variante liegt die minimale Dichte beispielsweise bei 13,9 ± 0,2 g/cm3. „Wir stellen Triamet aber auch mit einer sehr hohen Dichte her“, berichtet Dipl.-Ing. Wolfgang Jung, zuständiger Metallexperte für Forschung und Entwicklung bei Wolfram Industrie. So wird Triamet auch mit G19 deklariert und die Dichte beträgt dann etwa 18,8 ± 0,2 g/cm3.
„Unsere Materialentwicklungen basieren auf einer guten Mischung aus unseren empirischen Erfahrungen und theoretischen Erkenntnissen“, erläutert Jung. „Oft entsteht die Idee für ein neues Material oder einen neuen Prozess gemeinsam mit unseren Kunden.“ Hier gebe es in der Regel klare Anforderungen. Für die Umsetzung ist die Zusammenarbeit mit Universitäten wertvoll für das Unternehmen.
Die Anwendungsmöglichkeiten für den Werkstoff sind vielfältig. Eine Mischung von Wolframgranulat und Epoxydharzen wird in Ultraschallköpfen (Transducern) als Backing Material eingesetzt, um störende Schallreflexionen zu minimieren. Hierbei wird die akustische Impedanz des Backingmaterials durch den Zusatz von Wolfram erhöht. Im Bereich Strahlentherapie bietet Triamet die Möglichkeit, harte Gammastrahlung abzuschirmen. „Radioaktive Seeds, die in der HDR Brachytherapie in einen Tumor eingebracht und anschließend wieder entfernt werden, können in Behältern aus Triamet aufbewahrt werden“, erklärt Jung. Auch eine Abschirmung von Radiopharmaka-Ampullen ist möglich, um die Strahlendosis, der Mitarbeiter ausgesetzt sind, zu reduzieren. Des Weiteren eignet sich der Werkstoff für Isotopenbehälter, da er formstabil ist und eine einfache Reinigung und Sterilisation gewährleistet.
Wolfram ist RoHS-konform, atoxisch und nicht umweltgefährdend, sodass keine Beschichtung notwendig ist. Neben Abschirmelementen für die medizinische Diagnostik und Strahlentherapie kann Triamet auch als Werkstoff für Mikrosonden und Elektronenmikroskope eingesetzt werden. Aufgrund seiner hohen Widerstandskraft braucht Triamet keine Stützstruktur. Die Anforderungen nach ASTM B777 werden erfüllt.
Erhältlich ist Triamet als S- sowie G-Material. Die Bindephase des ersteren besteht aus Kupfer und Nickel, ist paramagnetisch und nur schwach magnetisierbar, weshalb es in der Nähe starker magnetischer Felder, wie zum Beispiel in Kernspintomographen, eingesetzt werden kann. Die Bindephase des G-Materials setzt sich aus Eisen-Nickel-Verbindungen zusammen und wirkt im Gegensatz zum S-Material ferromagnetisch. ■
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